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Geschäftsnummer: ZG.2012.00925 (ZG.2016.14)
Instanz: KGR
Entscheiddatum: 18.08.2016
Publiziert am: 13.12.2016
Aktualisiert am: 13.12.2016
Titel: Klage aus Ehe- und Erbvertrag / Vermächtnisklage

Resümee:

Bindungswirkung eines mit einem Vorbehalt versehenen Erbvertrages
 

 

 

 

Kanton Glarus

 

 

 

Kantonsgericht

 

 

 

I. Zivilkammer

 

 

 

 

 

Urteil vom 18. August 2016

 

 

 

 

 

Verfahren ZG.2012.00925

 

 

 

 

 

 

 

B.______

 

klagende Partei

 

 

 

vertreten durch C.______

 

 

 

 

 

gegen

 

 

 

 

 

A.______

 

beklagte Partei

 

 

 

vertreten durch D.______

 

 

 

 

 

 

 

Gegenstand

 

 

 

 

 

Klage aus Ehe- und Erbvertrag / Vermächtnisklage

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtsbegehren der klagenden Partei (gemäss Klagebegründung vom 12. November 2012, sinngemäss):

 

1.      Es sei die beklagte Partei zu verurteilen, der klagenden Partei das im Ehe- und Erbvertrag vom 16. März 2006 zwischen E.______ und F.______ ausgesetzte Vermächtnis in der Höhe des Kaufpreises der Liegenschaft Nr. [...], Grundbuch [...], (abzüglich allfälliger Grundpfandschulden) gemäss Grundstückkaufvertrag vom 26. September 2011 zzgl. 5 % Zins seit dem 26. September 2011 zu bezahlen.

 

2.      Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der beklagten Partei sowie unter dem Vorbehalt sämtlicher weiterer Rechte zu Gunsten der klagenden Partei.

 

 

Antrag der beklagten Partei (gemäss Klageantwort vom 25. Februar 2013, sinngemäss):

 

1.     Es sei die Klage abzuweisen.

 

2.    Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen und zusätzlich Mehrwertsteuersatz zulasten der klagenden Partei.

 

____________________

 

 

Das Kantonsgericht zieht in Betracht:

 

 

I.

 

Mit Eingabe vom 17. August 2012 machte die Klägerin ihre Klage beim Kantonsgericht Glarus anhängig und reichte die Klagebewilligung vom 16. Mai 2012 des Vermittleramtes [...] ein. Zugleich reichte sie Beilagen ein und stellte ein Editionsbegehren. Das Editionsbegehren umfasste Kontobelege von E.______, die Anmeldung des Erbgangs der Liegenschaft Nr. [...] im Grundbuch [...] und den Kaufvertrag zwischen dem Beklagten und Dritten, inklusive der hypothekarischen Belastung der Liegenschaft. Diesen Editionsbegehren hat das Gericht am 27. August 2012 stattgegeben und die entsprechenden Unterlagen von der [...], der [...] und dem Grundbuchamt [...] eingeholt.

Am 12. November 2012 reichte die Klägerin eine aufgrund der erfüllten Editionsbegehren angepasste Klagebegründung ein. Der Beklagte erstattete mit Eingabe vom 25. Februar 2013 die Klageantwort und reichte seinerseits Beilagen ein.

An der mündlichen Hauptverhandlung vom 26. September 2013 waren für die Klägerin deren Rechtsvertreter und G.______ sowie für den Beklagten dessen Rechtsvertreter anwesend.

Nachdem das Departement Finanzen und Gesundheit [...] Frau H.______ und Frau I.______, damalige Mitarbeiterinnen des Kantonsspitals [...], betreffend E.______ für das vorliegende Verfahren vom Berufsgeheimnis entbunden hatte, nahm Frau I.______ zu Fragen des Gerichts schriftlich Stellung. Frau H.______ und Frau J.______, eine ehemalige Nachbarin des Ehepaars [...] sel., wurden am 17. November 2015 vom Gericht als Zeuginnen befragt. Im Anschluss daran erststatteten die Rechtsvertreter ihre Schlussvorträge.

Das Kantonsgericht fällte am 18. August 2016 das Urteil. Der Vertreter der klagenden Partei verlangte mit Schreiben vom 25. August 2016 fristgerecht die schriftliche Urteilsbegründung.

 

 

II.

 

1. Gerichtsschreiber [...] wurde gemäss Art. 27 GOG GL als Ersatzrichter eingesetzt, nachdem Kantonsrichter [...] an der Hauptverhandlung in den Ausstand getreten war, da er bei der damaligen Beurkundung des Ehe- und Erbvertrages der Eheleute [...] als Zeuge mitgewirkt hatte (Art. 47 Abs. 1 lit. b ZPO).

Anstelle des auf Ende Juni 2016 zurückgetretenen Kantonsrichters [...] wirkte Kantonsrichter [...] am Entscheid mit. Für diesen Entscheid wurde das Kantonsgericht wieder vollständig besetzt, was den Parteien angezeigt worden war. Sowohl Kantonsrichterin [...] als auch Kantonsrichter [...] waren in der Lage, sich anhand der gesamten Verfahrensakten umfassend über den Prozessstoff ins Bild zu setzen, um die hier massgeblichen Streitfragen beurteilen zu können.

 

2. Auf die ausführliche Wiedergabe der Parteivorbringen wird verzichtet und diesbezüglich auf die Eingaben und Plädoyernotizen der Parteien sowie das Protokoll der Hauptverhandlung verwiesen. Es wird jedoch im Folgenden, soweit nötig, darauf eingegangen.

 

3. Nach Art. 28 Abs. 1 ZPO ist für erbrechtliche Klagen das Gericht am letzten Wohnsitz des Erblassers zuständig.

Am Todestag von E.______, am 12. Mai 2010, hatten sowohl der Erblasser als auch der Beklagte ihren Wohnsitz in der Schweiz. Auch die Liegenschaft, welche Gegenstand dieses Erbstreites ist, befindet sich in der Schweiz. Somit handelt es sich vorliegend nicht um einen internationalen Sachverhalt und richtet sich die gerichtliche Zuständigkeit nach der Zivilprozessordnung (ZPO). Das Kantonsgericht Glarus ist somit zur Beurteilung der vorliegenden Streitigkeit örtlich und sachlich zuständig.

Falls dennoch von einem internationalen Sachverhalt ausgegangen würde, so richtete sich die Zuständigkeit nach Art. 86 ff. IPRG. Der Niederlassungs- und Konsularvertrag zwischen der Schweiz und Italien regelt nur den Fall, dass der Erblasser Bürger des anderen Landes war (Art. 17 des Niederlassungs- und Konsularvertrages), was vorliegend nicht der Fall war. Auch gemäss Art. 86 Abs. 1 IPRG sind für erbrechtliche Streitigkeiten die schweizerischen Gerichte am letzten Wohnort des Erblassers und wäre damit vorliegend das Kantonsgericht Glarus örtlich und sachlich zuständig.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Beklagte im Frühling 2013 seinen Wohnsitz von [...] nach [...], verlegt hat. Das ursprünglich zuständige Gericht bleibt nämlich auch dann zuständig, wenn sich im Laufe des Verfahrens Umstände ergeben, welche eine andere Zuständigkeit vorschreiben würden (Schnyder/Grolimund, in: Basler Kommentar IPR,
3. Aufl., Basel 2013, Art. 1 Rz. 33).

 

 

III.

 

1. Am 16. März 2006 schlossen die Eheleute E.______ und F.______  sel. einen Ehe- und Erbvertrag ab. Darin legten sie für den Fall des gleichzeitigen Versterbens oder des Todes des Zweitversterbenden fest, dass der Beklagte als Vermächtnis die Liegenschaft Nr. [...], Grundbuch [...], erhalten solle mit der Auflage, dass er diese innert 25 Jahren nicht veräussere. Sollte er die Liegenschaft innert 25 Jahren seit dem Eigentumsantritt dennoch veräussern, so solle der gesamte Kaufpreis (abzüglich allfälliger Grundpfandschulden) der Klägerin als Vermächtnis zufallen. Zu Lasten des Nachlasses sollten CHF 1'000.— an die Alpinigruppe [...] ([...]) ausgerichtet werden. Weiter setzten sie den Beklagten als Alleinerben für den übrigen Nachlass ein.

F.______ verstarb am 30. Mai 2009. Am 1. April 2010 verfasste E.______ sel. eine letztwillige Verfügung, in welcher er festlegte, dass der Beklagte den ganzen Nachlass erben> solle:

 

"Ich E.______ möchte hiermit beurkunden dass A.______ nach meinem Tod den ganzen Nachlass erbt eingeschlossen auch die Finanzen.

 

E.______

[...] 1. April 2010"

 

Am 12. Mai 2010 verstarb E.______, worauf die Willensvollstreckerin den Beklagten am
1. Oktober 2010 als Eigentümer der Liegenschaft Nr. [...] im Grundbuch [...] eintragen liess, gestützt auf die ausgestellte Erbbescheinigung, welche den Beklagten als eingesetzten Alleinerben ausweist. Am 26. September 2011 verkaufte der Beklagte die Liegenschaft an Dritte.

 

2. Die Klägerin erklärt, dass E.______ sel. diese letztwillige Verfügung nie verfasst hätte, wenn der Beklagte nicht stetig enormen Druck auf ihn ausgeübt hätte. So habe sich E.______ sel. bei seiner Nachbarin J.______ oft weinend beklagt, dass er vom Beklagten, welcher Geldprobleme gehabt habe, seit dem Tod seiner Ehefrau F.______ sel. massiv unter Druck gesetzt werde. Es sei das Ziel des Beklagten gewesen, Alleinerbe von E.______ sel. zu werden. Zudem habe der Beklagte regelmässig Zahlungen von mehreren Tausend Franken von E.______ sel. verlangt und mit Heimsuchung gedroht, sollten die Überweisungen nicht umgehend erfolgen. Bei den Besuchen des Beklagten bei E.______ sel. sei es immer nur ums Geld gegangen.

Bei der amtlichen Eröffnung des Ehe- und Erbvertrages vom 16. März 2006 und der letztwilligen Verfügung vom 1. April 2010 sei der Beklagte darauf aufmerksam gemacht worden, dass er an die Auflage gebunden sei, die Liegenschaft Nr. [...], Grundbuch [...], für die folgenden 25 Jahre nach dem Tod von E.______ nicht veräussern zu können.

Dennoch habe der Beklagte die Liegenschaft am 26. September 2011 verkauft, zum Preis von CHF 395'000.—. Davon abzuziehen seien CHF 25'000.—, welche an die [...] zu zahlen gewesen seien zur Ablösung des Namenschuldbriefs, womit vorliegend von einem Nettoerlös von CHF 370'000.— auszugehen sei.

In rechtlicher Hinsicht sei Ziffer III. 3.1 des Ehe- und Erbvertrages vom 16. März 2006, in der der Beklagte als Vermächtnisnehmer für die Liegenschaft eingesetzt sei, nämlich eine bindende erbvertragliche Klausel, welche E.______ sel. mit seiner späteren letztwilligen Verfügung vom 1. April 2010 gar nicht habe einseitig aufheben können. Damit sei die 25-jährige Verkaufssperre gültig. Weil der Beklagte dagegen verstossen habe, sei er zu verpflichten, den erzielten Kaufpreis der Klägerin zu erstatten.

 

3. Der Beklagte entgegnet, die Eheleute [...] sel., die ihn wie ihren Sohn behandelt hätten, hätten ihm zu Lebzeiten mehrmals mitgeteilt, dass er den ganzen Nachlass <erben solle. Jedenfalls stehe im Ehe- und Erbvertrag ausdrücklich „unter dem Vorbehalt anderweitiger nachträglicher Verfügungen von Todes wegen“, was auch für das ihm ausgerichtete Vermächtnis gelte. Die Eheleute [...] sel. hätten diesen Wortlaut bewusst gewählt, damit der zweitversterbende Ehegatte die Möglichkeit gehabt habe, von den Verfügungen des Ehe- und Erbvertrages abzuweichen und über den Nachlass selbständig und anders zu verfügen.

Als E.______ sel. am 1. April 2010 in Anwesenheit von I.______, Sozialdienst, und Frau K.______, Assistenzärztin, beide vom Kantonsspital [...], eigenhändig sein Testament errichtet habe, sei dieser urteils- und verfügungsfähig gewesen, was diese bestätigt hätten. In diesem Testament habe E.______ von seinem Recht Gebrauch gemacht und keine Vermächtnisse ausgerichtet, sondern ihm, dem Beklagten, als Alleinerben den gesamten Nachlass zugewandt.

 

4. Die Parteien sind sich einig, dass der Ehe- und Erbvertrag zwischen den Eheleuten [...] sel. gültig zustande gekommen war. Strittig hingegen ist, wie einzelne Bestimmungen des Vertrages zu verstehen sind. Vorliegend streiten sich die Parteien über die Auslegung des Inhalts von Abschnitt III. Ziff. 3. des Ehe- und Erbvertrages:

 

3. Gleichzeitiger Tod oder Tod des Zweitversterbenden

Sollten beide Ehegatten gleichzeitig versterben oder der überlebende Ehegatte nachversterben, so setzt unter dem Vorbehalt anderweitiger nachträglicher Verfügungen von Todes wegen jeder Ehegatte bezüglich seines Nachlasses Folgendes fest:

 

3.1. Vermächtnisse

 

3.1.1. ……

 

3.1.2. a) Zu Lasten des Nachlasses soll die Liegenschaft Nr. [...], Grundbuch [...], an A.______, fallen mit der Auflage, dass er diese die folgenden 25 Jahre nicht veräussert.

……

Sollte A.______ innert 25 Jahre seit
seinem Eigentumsantritt die Liegenschaft Nr. [...], Grundbuch [...], dennoch veräussern, so fällt der gesamte Kaufpreis (abzüglich allfälliger Grundpfandschulden) an die B.______.

 

3.2. Erbeneinsetzung

Mit Ausnahme der Liegenschaft Nr. [...], Grundbuch [...] und …….. setzen wir als Alleinerben für den dannzumaligen verbleibenden Nachlass ein:

 

A.______, ……“

 

Insbesondere ist unter den Parteien strittig die Passage „…unter dem Vorbehalt anderweitiger nachträglicher Verfügung von Todes wegen…“ und ob aufgrund dieser Wendung der überlebende Ehegatte E.______ sel. nach dem Tod seiner Ehefrau befugt war, ein neues Testament zu errichten, in welchem er den Beklagten für den ganzen Nachlass als Alleinerben einsetzte. 

 

5. Nach Art. 494 Abs. 1 ZGB kann sich der Erblasser durch Erbvertrag einem anderen gegenüber verpflichten, einem Dritten seine Erbschaft oder ein Vermächtnis zu hinterlassen. Es besteht auch die Möglichkeit eines kombinierten Ehe- und Erbvertrages, welcher als zusammengesetzter Vertrag zu qualifizieren ist. Dabei werden zwei an und für sich selbständige (gesetzlich geregelte) Vertragstypen so miteinander gekoppelt, dass der Bestand und die Gültigkeit des einen Voraussetzung des andern ist. Die Abgrenzung von Ehe- und Erbvertrag liegt darin, dass der eine die güterrechtliche Auseinandersetzung regelt, der andere die Verteilung jener Mittel, die als Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung in den Nachlass des Verstorbenen fallen und danach erbrechtlich zu verteilen sind, wenn die Ehe durch Tod aufgelöst wird (vgl. Breitschmid, Basler Kommentar Zivilgesetzbuch II, 3. Auflage, Basel 2007, N. 17 zu Vor Art. 494-497 und Bornhauser, Der Ehe- und Erbvertrag, Diss., Zürich 2012, S. 269).

 

6. Vorliegend haben der Erblasser und seine Ehefrau, F.______ sel., am 16. März 2006 einen solchen kombinierten Ehe- und Erbvertrag abgeschlossen.

 

6.1. Mit dem Erbvertrag treffen die Erblasser grundsätzlich bindende Anordnungen bezüglich des dereinstigen Nachlasses. Diese Bindungswirkung gilt jedoch gemäss Lehre und Rechtsprechung lediglich für erbvertragliche Klauseln und erfasst testamentarische Anordnungen nicht (Hrubesch-Millauer, Der Erbvertrag: Bindung und Sicherung des (letzten) Willens des Erblassers, Zürich/St. Gallen 2008, Rz 205; BGer 5A.161/2010 Erw. 3.3).

Die Frage, ob eine bestimmte im Erbvertrag enthaltene Klausel alle Vertragsschliessenden oder nur einen Teil von ihnen bindet oder gar einseitiger Natur im Sinne einer testamentarischen Anordnung ist, beantwortet die Auslegung des Erbvertrages. Dabei gelten die Regeln der Vertragsauslegung auch für Erbverträge. Massgebend ist der übereinstimmende wirkliche Wille der Parteien. Bleibt eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Willens der Parteien deren Erklärungen aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie nach den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Auszugehen ist dabei von der objektivierten Auslegung des Erbvertrages. Dabei hat der Wortlaut Vorrang vor weiteren Auslegungsmitteln, es sei denn, er erweise sich aufgrund anderer Vertragsbedingungen, des von den Parteien verfolgten Zwecks oder weiterer Umstände als nur scheinbar klar. Den wahren Sinn einer Vertragsklausel erschliesst zudem erst der Gesamtzusammenhang, in dem sie steht. Die Begleitumstände des Vertragsabschlusses oder die Interessenlage der Parteien in jenem Zeitpunkt dürfen ergänzend berücksichtigt werden. Gibt der Wortlaut der Vertragsklausel keinen genauen Aufschluss, ist auf Grund der Interessenlage der Vertragsparteien zu entscheiden, ob eine bestimmte im Erbvertrag enthaltene Klausel alle Vertragsschliessenden oder nur einen Teil von ihnen bindet oder gar einseitiger Natur ist (BGer 5A.161/2010 Erw. 4.).

 

6.2. Den Erbvertrag unterschrieben und gegenseitig verpflichtet haben sich vorliegend alleine Fridolin und F.______ sel., nicht aber auch der Beklagte. Dieser ist nicht Partei des Vertrages. Zudem ist der Wille von E.______ und F.______ sel. unmissverständlich formuliert, dass, nach dem Vorversterben eines von ihnen, die andere Vertragspartei anderweitig von Todes wegen soll verfügen können, was E.______ sel. mit der Verfassung eines neuen Testaments am 1. April 2010 denn auch gemacht hat. Dieser Wortlaut im Ehe- und Erbvertrag ist klar und gibt genauen Aufschluss über den gemeinsamen Willen der Eheleute [...] sel. Es ist damit davon auszugehen, dass eine tatsächliche Willensübereinstimmung bestand, wobei auch eine Auslegung nach dem Vertrauensprinzip zum selben Ergebnis führte, zumal die Eheleute [...] sel. kinderlos waren.

 

7. Aber auch wenn die Eheleute [...] sel. im Ehe- und Erbvertrag nicht vereinbart hätten, dass nach dem Vorversterben eines von ihnen die andere Vertragspartei anderweitig von Todes wegen soll verfügen können, änderte dies im Ergebnis nichts. Das in Ziffer 3.1.2. lit. a des Ehe- und Erbvertrages aufgeführte Vermächtnis an den Beklagten gilt nämlich ohnehin als testamentarische Anordnung, welche im Nachhinein jederzeit widerrufen werden konnte. Der Ehe- und Erbvertrag wurde nämlich derart abgefasst, dass Fridolin und F.______ sel. ihre Liegenschaft ausdrücklich unter dem Titel „Vermächtnisse“ dem Beklagten vorab zuwenden wollten (Ziff. 3.1.). Betreffend diese Anordnung ist jedenfalls im Ehe- und Erbvertrag kein Bindungswille der Eheleute [...] sel. ersichtlich. Jeder Ehegatte war frei, für sich wieder eine andere Verfügung zu treffen. Die Einsetzung des Beklagten als Erbe im Ehe- und Erbvertrag erfolgte nachfolgend und separat.

 

7.1. Darauf, dass es sich bei der Zuweisung des Vermächtnisses an den Beklagten um eine testamentarische Anordnung ohne Bindungswirkung im Rahmen einer letztwilligen Verfügung handelt, weist auch der Umstand hin, dass in Kapitel III. Ziffer 3 des Ehe- und Erbvertrages von „jedem Ehegatten“ und damit von E.______ sel. und von F.______ sel. je als Einzelpersonen für sich die Rede ist: „so setzt … jeder Ehegatte bezüglich seines Nachlasses Folgendes fest: ….“.

Dagegen ist in den Kapiteln I. und II. des Ehe- und Erbvertrages stets von „wir“ die Rede, was die ehevertragliche Bindungswirkung impliziert, ebenso in Ziff. III.3.2., was die erbvertragliche Bindung betont. Die Überschrift "III. Erbvertragliche Vereinbarungen und letztwillige Verfügungen" lässt beide Varianten offen. Auch aus dem Umstand, dass die Liegenschaft Nr. [...], Grundbuch [...], von der Erbeinsetzung ausgenommen worden ist, bedeutet gerade nicht, dass für die Liegenschaft eine bindende erbvertragliche Anordnung besteht. Hätten die Eheleute [...] wirklich verhindern wollen, dass der Beklagte die Liegenschaft versilbert und den Kaufpreis verprasst, so hätten sie die Liegenschaft direkt der Klägerin vermacht oder zumindest die Auslieferungspflicht gestützt auf Art. 490 ZGB (sei es für eine Nacherbschaft oder ein Nachvermächtnis) im Grundbuch vorgemerkt.

 

7.2. Vorliegend vermachten die Erblasser dem Beklagten die Liegenschaft mit der Auflage, dass der Kaufpreis an die Klägerin fallen soll, wenn der Beklagte die Liegenschaft die folgenden 25 Jahre veräussert. Ist dies der Fall, fällt der erzielte Verkaufspreis an die Klägerin.

Es bestehen damit zwei aufeinanderfolgende Einzelfolgen, wobei keine Identität des Gegenstands vorliegt. Während im ersten Vermächtnis die Liegenschaft Erbschaftsobjekt bildet, ist es im zweiten, darauf folgenden Vermächtnis der Verkaufspreis, also Geld. Damit handelt es sich beim zweiten Vermächtnis nicht um ein Nachvermächtnis, sondern um ein weiteres, bedingtes, in seiner zeitlichen Wirkung nachgelagertes Vermächtnis (vgl. Tuor, Berner Kommentar Erbrecht, N. 27 f. Vorbemerkungen zur Nacherbeneinsetzung, Art. 488 – 493).

 

7.3. Das erste Vermächtnis wird unter einer Auflage ausgerichtet.

Die Auflage ist eine Verfügung von Todes wegen, die den Vermächtnisnehmer verpflichtet, etwas Bestimmtes zu tun oder zu unterlassen. Gegenstand einer Auflage können alle rechtlich zulässigen Handlungen und Unterlassungen sein, namentlich, wie vorliegend, auch ein Veräusserungsverbot (vgl. Staehelin, Basler Kommentar Zivilgesetzbuch II, 3. Auflage, Basel 2007, N. 14 f. zu Art. 482 ZGB).

 

7.4. Das zweite Vermächtnis ist (suspensiv) bedingt und dem ersten zeitlich nachgelagert.

Jedes Vermächtnis kann mit einer Bedingung versehen werden, sofern diese nicht unsittlich oder rechtswidrig ist, was vorliegend nicht der Fall ist. Die Erfüllung der Bedingung kann von einer Handlung eines Dritten abhängen. Die Vermächtnisforderung entsteht damit erst mit Eintritt der Bedingung und ist ab diesem Zeitpunkt zu verzinsen. Eine zeitliche Beschränkung für den Eintritt der Bedingung nennt das Gesetz nicht, wobei jedoch eine äusserste Grenze von 100 Jahren anzunehmen ist (Staehelin, Basler Kommentar Zivilgesetzbuch II, 3. Auflage, Basel 2007, N. 4, 8 und 13 zu Art. 482 ZGB).

 

7.5. Die von E.______ und F.______ sel. in ihrem Ehe- und Erbvertrag vom 16. März 2006 unter Ziffer 3.1.2. lit. a testamentarisch angeordneten Vermächtnisse an den Beklagten und die Klägerin sind damit zulässig.

Nachdem der Beklagte als Bedachter des ersten Vermächtnisses innert 25 Jahren seit dem Erbgang die Liegenschaft verkauft und damit gegen die ihm auferlegte Auflage verstossen hat, ist die Bedingung des zweiten Vermächtnisses eingetreten. Der Beklagte wäre somit grundsätzlich verpflichtet, den erzielten Kaufpreis (abzüglich der Grundpfandschuld) in Erfüllung des zweiten Vermächtnisses der Klägerin herauszugeben.

 

8. Nach dem Tod seiner Ehefrau errichtete E.______ sel. jedoch am 1. April 2010 ein handschriftliches Testament, in welchem er den Beklagten als Alleinerben einsetzte und damit im Ergebnis die beiden vorgenannten, im Ehe- und Erbvertrag testamentarisch angeordneten Vermächtnisse widerrief. Nachfolgend ist daher zu prüfen, ob dieses Testament rechtsgültig entrichtet worden ist und damit zur Folge hatte, die Vermächtnisse des Ehe- und Erbvertrages aufzuheben.

 

8.1. Vorerst stellt sich die Frage, ob E.______ sel. am 1. April 2010, als er während eines letzten Spitalaufenthalt das handschriftliche Testament verfasste, gemäss Art. 467 ZGB urteilsfähig war.

Unter dem Testament, auf dem gleichen Schriftstück, bestätigten I.______ vom Sozialdienst des Kantonsspitals [...] und H.______, Ärztin damals an der medizinischen Klinik des Kantonsspitals [...], dass E.______ sel. zu jenem Zeitpunkt handlungs- und urteilsfähig gewesen sei und damit gemäss Art. 467 ZGB in der Lage, über sein Vermögen letztwillig zu verfügen.

Anlässlich der Zeugenbefragung vom 17. November 2015 bestätigte H.______ diese Aussage. Sie erklärte zudem, anhand eines Mini-Mental Tests am 29. März 2010 die Urteilsfähigkeit von E.______ sel. geprüft zu haben. Dabei habe E.______ sel. die Durchführung dieses Tests im Hinblick auf ein zu verfassendes Testament selber gewünscht. Das Resultat dieses Tests sei überhaupt nicht auffällig gewesen. E.______ sel. habe fast die maximal mögliche Punktzahl erreicht und es hätten sich bei ihm auch keine Lücken gezeigt. Hinweise, welche auf eine bestehende Demenz hingewiesen hätten, seien in den verfügbaren Akten keine ersichtlich gewesen, auch nicht beim Spitaleintritt des Patienten. Auch habe das Pflegepersonal in der Patientenakte von E.______ sel. allgemein keine Hinweise angebracht, dass bei ihm eine dementielle Entwicklung bestanden hätte, wobei anzumerken sei, dass das Pflegepersonal schon sehr sensibilisiert sei, demente Entwicklungen festzustellen. Weiter sei E.______ sel. zu diesem Zeitpunkt auch nicht unter Einfluss von bewusstseinseinschränkenden starken Medikamenten gestanden.

J.______, ehemalige Nachbarin der Eheleute [...] sel., erklärte anlässlich der Zeugenbefragung, gut mit den Letztgenannten befreundet gewesen zu sein. F.______ und E.______ sel. seien wie Grosseltern für sie und ihre Kinder gewesen. Man sei für einander da gewesen und habe sich gegenseitig ausgeholfen. Auch nachdem F.______ gestorben sei, hätten sie und ihr Mann zu E.______ sel. geschaut und ihm geholfen, sodass dieser noch weiter habe allein in seinem Haus wohnen können. Auch noch nach seinem Spitaleintritt im Frühling 2010 sei er noch „voll da“ und „geistig zwäg“ gewesen, auch als er zu Beginn auf der Intensivstation gelegen sei.

In Anbetracht dieser Umstände ist das Gericht davon überzeugt, dass E.______ sel. zum Zeitpunkt der Errichtung seines letzten Testaments am 1. April 2010 urteilsfähig und damit testierfähig gewesen war. E.______ sel. hatte dieses Testament von Anfang bis zu Ende eigenhändig geschrieben, mit Einschluss von Jahr, Monat, Tag und Ort der Errichtung, sowie mit seiner Unterschrift versehen, womit es auch den formellen Erfordernissen genügt (vgl. Art. 505 Abs. 1 ZGB).

 

8.2. Weiter macht die Klägerin geltend, das nach dem Versterben von F.______ sel. durch E.______ sel. errichtete Testament sei ungültig, da der Beklagte E.______ sel. unter Druck gesetzt und bedroht habe.

Nach Art. 469 Abs. 1 ZGB sind Verfügungen, die der Erblasser unter dem Einfluss von Drohung oder Zwang errichtet hat, ungültig. Dabei wird Drohung gleichgesetzt mit der Furchterregung und kann sich zum Zwang verdichten. Während der Erblasser einer Täuschung oft durch eigene Überprüfung der Umstände noch entgehen könnte, führen Drohung und Zwang namentlich bei älteren, geschwächten und von ihrem Umfeld abhängigen Personen zu einer stärkeren Einschränkung der freien Willensbildung (Breitschmid, Basler Kommentar Zivilgesetzbuch II, 4. Auflage, Basel 2011, N. 15 f. zu Art. 469 ZGB). Drohung ist die Beeinflussung eines Entschlusses durch in Aussicht Stellen eines Übels für den Fall, dass die vom Drohenden gewünschte Willenserklärung nicht abgegeben wird. Der Wille des
Erblassers ist vorhanden, aber mangelhaft, wenn die Verfügung unter dem Einfluss einer Drohung errichtet wurde. Die Drohung muss dabei widerrechtlich sein. Hingegen ist nicht erforderlich, dass das angedrohte Übel widerrechtlich sei, es genügt auch eine Drohung mit einem objektiv erlaubten Nachteil, wenn sie in unzulässiger Weise den Willen beeinflusst. Nötig ist ein Kausalzusammenhang zwischen Drohung und Willensbeeinflussung (Escher, Zürcher Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, N. 11 f. zu Art. 469 ZGB).

Vorliegend erklärte die Zeugin J.______, noch zu Beginn seines Spitalaufenthalts im Frühling 2010 habe ihr E.______ sel. gesagt, er wolle das Haus an sie verkaufen. In der Folge habe er jedoch dieses Vorhaben geändert und erklärt, er könne doch nicht verkaufen, weil der Beklagte das Haus kaufen wolle und ihn deswegen unter Druck setze, was ihm aber nicht Recht sei, habe er das Haus doch ihr [J.______] versprochen. Der Beklagte habe E.______ sel. gesagt, er sei in diesem Haus gross geworden, habe eine Beziehung zu diesem Haus und wolle deshalb das Haus kaufen. Entsprechend sei E.______ sel. sehr traurig gewesen und habe deswegen auch geweint.

Beim Krankenbesuch von I.______, Sozialdienst des Kantonsspitals [...], ist mit Datum
29. März [wohl 2010] vermerkt, dass E.______ sel. geäussert habe, sämtliches restliches Vermögen seinem Pflegesohn vermachen zu wollen. Wohl mag der Beklagte, wie die Klägerin anführt, während des Krankenhausaufenthalts von E.______ sel. mit diesem telefonischen oder auch persönlichen Kontakt gehabt haben. Ebenso mag der Beklagte sich dahingehend geäussert haben, seit seiner Kindheit eine Beziehung zum Haus des Ehepaars [...] sel. zu haben und deshalb das Haus erwerben zu wollen. Gemäss Zeugin J.______ sei es dem Beklagten jedoch darum gegangen, das Haus kaufen zu können.

Die von der [...] herausgegebenen Kontobelege ergaben keine Hinweise auf die von der Klägerin behaupteten Zahlungen an den Beklagten. Eine Beeinflussung oder Drohung, welche zu der Errichtung des Testaments vom 1. April 2010 geführt haben soll, ist jedenfalls nicht ersichtlich oder bewiesen. Wohl erscheint aufgrund sämtlicher Umstände durchaus möglich, dass E.______ sel. über das Hin und Her betreffend sein Haus und über seine Beziehung mit dem Beklagten allgemein zeitweise traurig gewesen war. Hinweise, dass der Beklagte E.______ sel. ein Übel in Aussicht gestellt und damit gedroht hätte für den Fall, dass dieser nicht ein ihm genehmes Testament errichten würde, sind jedenfalls keine nachgewiesen und auch keine ersichtlich. Damit besteht kein Raum für eine Erbunwürdigkeit im Sinne von Art. 540 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB oder eine Nichtigkeit des Testamentes.

 

9. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das von E.______ sel. am 1. April 2010 errichtete Testament gültig ist und damit zumindest die Regelung in Ziffer. 3.1. des Erbvertrages vom 16. März 2006 ersetzte. Im Ergebnis wurde damit der Beklagte gültig als Alleinerbe von E.______ sel. eingesetzt und die Vermächtnisse an den Beklagten und an die Klägerin gemäss Ehe- und Erbvertrag vom 16. März 2006 sind gültig widerrufen. Mit dem Tod von E.______ sel. am 12. Mai 2010 ging somit die Liegenschaft Nr. [...], Grundbuch [...], rechtsgültig und ohne Auflagen oder Bedingungen auf den Beklagten über, welchem es im Anschluss daran frei stand, die Liegenschaft weiter zu verkaufen und den Erlös für sich zu behalten.

Die vorliegende Klage ist somit abzuweisen. Bei diesem Ergebnis beschlagen alle vorstehend nicht erwähnten Behauptungen und Beweismittel unerhebliche Tatsachen.

 

 

IV.

 

Die Gerichtskosten sind dem Ausgang des Verfahrens entsprechend der Klägerin aufzuerlegen (Art. 106 Abs. 2 ZPO). Die Klägerin hat dem Beklagten ausserdem eine angemessene Parteientschädigung zu entrichten (Art. 105 Abs. 2 ZPO).

Der Streitwert wird auf CHF 100'000.— festgesetzt, da im Ergebnis nur die Vollstreckung einer Auflage strittig war, nicht aber der Geldbetrag (Kaufpreis) selbst. Mit einer Leistungsklage über CHF 370'000.— kann dieses Verfahren weder vom Aufwand noch vom Umfang her verglichen werden.

 

 

____________________

 

 

Das Kantonsgericht erkennt:

 

 

1.       Die Klage wird abgewiesen.

 

2.      Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 6'000.—. Wird keine schriftliche Begründung verlangt, reduziert sich die Gerichtsgebühr auf CHF 5'000.—. Die Auslagen betragen CHF 210.—.

 

3.     Die Gerichtskosten und Auslagen werden der klagenden Partei auferlegt und vom geleisteten Vorschuss und im Übrigen von der klagenden Partei bezogen. Die Kosten des Schlichtungsverfahrens von CHF 320.— werden der klagenden Partei auferlegt.

 

4.      Die klagende Partei wird verpflichtet, der beklagten Partei eine Parteientschädigung von CHF 10'000.— zu bezahlen.

 

5.       Schriftliche Mitteilung an:

[…]