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Geschäftsnummer: VG.2015.00150 (VG.2016.432)
Instanz: K2
Entscheiddatum: 29.09.2016
Publiziert am: 24.10.2016
Aktualisiert am: 17.07.2017
Titel: Sozialversicherung - IV

Resümee:

Sozialversicherungsrecht: Anspruch auf einen Assistenzbeitrag bei einer Autismus-Spektrum-Störung

Rechtsgrundlagen (E. II/2.1 f.).
Zwar steht der Beschwerdegegnerin mit dem Abklärungsinstrument FAKT2 ein standardisiertes Verfahren zur Ermittlung des Hilfebedarfs zur Verfügung, was sie aber nicht von der Pflicht entbindet, jeden Einzelfall gesondert zu beurteilen. So verkennt sie in grundlegender Weise, dass es keine einheitliche Einstufung von Personen mit einer Autismus-Spektrum-Störung geben kann (E. II/4.2.2).
Es ist zu Recht unbestritten, dass der Beschwerdeführer Anspruch auf einen Assistenzbeitrag hat (E. II/5).
Prüfung des Hilfebedarfs in den verschiedenen Teilbereichen (E. II/6.2 ff.).

Teilweise Gutheissung der Beschwerde.

Eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wurde durch das Bundesgericht am 28. Juni 2017 abgewiesen (Urteil 8C_722/2016).
 

 

 

 

VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS GLARUS

 

 

 

Urteil vom 29. September 2016

 

 

II. Kammer

 

 

in Sachen

VG.2015.00150

 

 

 

A.______

Beschwerdeführer

 

vertreten durch B.______

 

diese vertreten durch Rechtsanwalt C.______

 

 

 

gegen

 

 

 

IV-Stelle Glarus

Beschwerdegegnerin

 

 

 

betreffend

 

 

 

Assistenzbeitrag>

 

Die Kammer zieht in Erwägung:

I.

1.

1.1 Der 1992 geborene A.______ leidet an einer Autismus-Spektrum-Störung und bezieht neben einer ausserordentlichen ganzen Invalidenrente eine Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit schweren Grades. Am 17. Dezember 2014 ersuchte seine Mutter für ihn um einen <Assistenzbeitrag>.

 

1.2 Die IV-Stelle Glarus liess am 17. März 2015 den Hilfebedarf von A.______ an Ort und Stelle abklären. Am 8. April 2015 nahm D.______, die Hausärztin von A.______, zum Abklärungsbericht Stellung.

 

1.3 Mit Vorbescheid vom 17. April 2015 setzte die IV-Stelle den <Assistenzbeitrag> auf Fr. 5'903.65 pro Monat bzw. maximal Fr. 64'940.15 pro Jahr fest. Dagegen erhob A.______ am 21. Mai 2015 Einwand. In der Folge passte die IV-Stelle den Abklärungsbericht an, wobei sie die Angaben der Hausärztin berücksichtigte, insbesondere aber nicht den Einwand betreffend unzulässiger altersbedingter Abzüge. Am 30. Juni 2015 nahm A.______ zum Abklärungsbericht Stellung. Am 28. Juli 2015 änderte die IV-Stelle den Abklärungsbericht erneut. Neu wurden die wegen des angeblichen Kindesalters erfolgten Reduktionen weggelassen, aber ein deutlich tieferer Hilfebedarf als in der Version vom 30. Juni 2015 anerkannt. Dies führte dazu, dass die IV-Stelle mit Vorbescheid vom 30. Juli 2015 einen <Assistenzbeitrag> von nur noch Fr 4'813.85 pro Monat bzw. maximal Fr. 52'952.35 pro Jahr zusprach. Der dagegen erhobene Einwand vom 7. September 2015 blieb erfolglos; die IV-Stelle hielt mit Verfügung vom 17. November 2015 an ihrem Vorbescheid fest.

 

2.

2.1 Dagegen erhob A.______ am 15. Dezember 2015 Beschwerde beim Verwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung der Verfügung vom 17. November 2015. Ihm sei der gesetzlich höchstzulässige <Assistenzbeitrag> mit Wirkung ab 1. Dezember 2014 zuzusprechen. Eventualiter sei die Verfügung aufzuheben und die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der IV-Stelle.

 

Die IV-Stelle schloss am 25. Januar 2016 auf Abweisung der Beschwerde.

 

2.2 Am 15. Februar 2016 zeigte das Verwaltungsgericht den Parteien an, dass es beabsichtige, zur Klärung der Höhe des Assistenzbeitrags ein Gutachten bei Prof. Dr. E.______ in Auftrag zu geben. Gleichzeitig gab es den Parteien Gelegenheit zur freigestellten Stellungnahme zur geplanten Begutachtung und zur allfälligen Ergänzung des Fragekatalogs. Die IV-Stelle nahm am 23. Februar 2016 und A.______ am 24. Februar 2016 Stellung.

 

2.3 Mit Präsidialverfügung vom 3. März 2016 beauftragte das Verwaltungsgericht Prof. E.______ mit der Erstellung des Gutachtens. Dieses wurde am 31. Mai 2016 erstattet. In seiner Replik vom 24. Juni 2016 hielt A.______ sinngemäss an den in seiner Beschwerde gestellten Anträgen fest. Die IV-Stelle beantragte in ihrer Duplik vom 4. August 2016 erneut die Abweisung der Beschwerde.

 

II.

1.

Das Verwaltungsgericht ist gemäss Art. 69 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959 (IVG) zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

 

2.

2.1 Ziel des Assistenzbeitrags ist die Förderung einer eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Lebensführung in einer Privatwohnung (Botschaft des Bundesrats zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket] vom 24. Februar 2010, BBl 2010 1817 ff., 1865). Anspruch auf einen <Assistenzbeitrag> haben gemäss Art. 42quater Abs. 1 IVG Versicherte, denen eine Hilflosenentschädigung der IV nach Art. 42 Abs. 1-4 IVG ausgerichtet wird (lit. a), die zu Hause leben (lit. b) und volljährig sind (lit. c). Ein <Assistenzbeitrag> wird nach Art. 42quinquies IVG gewährt für Hilfeleistungen, die von der versicherten Person benötigt und regelmässig von einer natürlichen Person (Assistenzperson) erbracht werden, die von der versicherten Person oder ihrer gesetzlichen Vertretung im Rahmen eines Arbeitsvertrags angestellt wird (lit. a) und weder mit der versicherten Person verheiratet ist, mit ihr in eingetragener Partnerschaft lebt oder eine faktische Lebensgemeinschaft führt noch in gerader Linie mit ihr verwandt ist (lit. b). Grundlage für die Berechnung des Assistenzbeitrags ist gemäss Art. 42sexies Abs. 1 IVG die für die Hilfeleistungen benötigte Zeit. Davon abgezogen wird die Zeit, die folgenden Leistungen entspricht: der Hilflosenentschädigung nach den Art 42-42ter IVG (lit. a); den Beiträgen für Dienstleistungen Dritter anstelle eines Hilfsmittels nach Art. 21ter Abs. 2 IVG (lit. b); dem für die Grundpflege ausgerichteten Beitrag der obligatorischen Krankenpflegeversicherung an Pflegeleistungen nach Art. 25a des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG; lit. c). Der Bundesrat legt nach Art. 42sexies Abs. 4 IVG u.a. die Bereiche und die minimale und maximale Anzahl Stunden für die ein <Assistenzbeitrag> ausgerichtet wird (lit. a) sowie die Pauschalen für Hilfeleistungen pro Zeiteinheit im Rahmen des Assistenzbeitrags (lit. b) fest.

 

2.2 Nach Art. 39c der Verordnung über die Invalidenversicherung vom 17. Januar 1961 (IVV) kann in den folgenden Bereichen ein Hilfebedarf anerkannt werden: alltägliche Lebensverrichtungen (lit. a); Haushaltsführung (lit. b); gesellschaftliche Teilhabe und Freizeitgestaltung (lit. c); Erziehung und Kinderbetreuung (lit. d); Ausübung einer gemeinnützigen oder ehrenamtlichen Tätigkeit (lit. e); berufliche Aus- und Weiterbildung (lit. f); Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf dem regulären Arbeitsmarkt (lit. g); Überwachung während des Tages (lit. h); Nachtdienst (lit. i). Nach Art. 39e Abs. 1 IVV bestimmt die IV-Stelle den anerkannten monatlichen Hilfebedarf in Stunden. Es gelten dabei die folgenden monatlichen Höchstansätze: für Hilfeleistungen in den Bereichen nach Art. 39c lit. a-c IVV pro alltägliche Lebensverrichtung, die bei der Festsetzung der Hilflosenentschädigung festgehalten wurde, 20 Stunden bei leichter Hilflosigkeit, 30 Stunden bei mittlerer Hilflosigkeit und 40 Stunden bei schwerer Hilflosigkeit (lit. a); für Hilfeleistungen in den Bereichen nach Art. 39c lit. d-g IVV insgesamt 60 Stunden (lit. b); für die Überwachung nach Art. 39c lit. h IVV 120 Stunden.

 

3.

3.1 Der Beschwerdeführer erklärt sich im Wesentlichen mit dem Schlussfolgerungen des Gutachtens von Prof. Dr. E.______ vom 31. Mai 2016 (nachfolgend: Gutachten) einverstanden. Problematisch sei jedoch, dass sowohl der Verordnungsgeber als auch das Kreisschreiben starr zwischen aktiv ausgeführten Assistenztätigkeiten und der blossen Überwachung unterscheide. Es gebe indessen auch einen Graubereich zwischen aktiver Assistenz und passiver Überwachung, so müsse eine Assistenzperson gewisse Tätigkeiten vormachen oder mündliche Aufforderungen machen. Dies müsste den eigentlichen Assistenzleistungen zugeordnet werden. Beim Nachtdienst sei von einer dauernden Überwachungsbedürftigkeit auszugehen, weshalb hier ein Assistenzbedarf gemäss Stufe 4 angenommen werde müsse. Schliesslich anerkenne der Gutachter zwar, dass die Assistenzpersonen besondere Qualifikationen aufweisen müssten, relativiere diese grundsätzliche Notwendigkeit aber hinsichtlich einzelner Tätigkeiten. Eine solche tätigkeitsbezogene Betrachtungsweise blende aus, dass in der Praxis des Alltags nicht tätigkeitsbezogen Assistenzpersonen rekrutiert werden könnten, sondern die Assistenzperson grundsätzlich geeignet sein müsse, alle Betreuungsleistungen, welche wiederkehrend oder situativ anfielen, ausführen zu können.

 

3.2 Die Beschwerdegegnerin führt aus, sie habe ein Abklärungsgespräch mit der Mutter des Beschwerdeführers geführt und anlässlich dieses Gesprächs den entsprechenden Betreuungsaufwand im FAKT2 festgehalten. Daneben habe sie Abklärungen bezüglich vergleichbarer Fälle vorgenommen, um so eine rechtsgleiche Beurteilung und Behandlung des vorliegenden Falls zu gewährleisten. Wenn vorliegend in den meisten Bereichen die Höchststufe 4 resultiere, stelle sich unter dem Aspekt des Differenzierungsgebots bzw. Gleichheitsgebots die Frage, inwiefern noch Unterschiede zu einer versicherten Person bestünden, welche überhaupt keine Tätigkeiten selbständig ausführen könne. Hinsichtlich des Nachtdienstes sei darauf hinzuweisen, dass der Gutachter die ständige Überwachung stets nur am Rande erwähnt habe. Es sei daher auf die Stufe 3 abzustellen.

 

4.

4.1 Grundsätzlich beschafft die IV-Stelle alle für die Beurteilung des Falls und für den Entscheid nötigen Angaben und Unterlagen. Sie führt die Abklärungen selber durch, einschliesslich allenfalls erforderlicher Erhebungen vor Ort. Ausnahmsweise kann sie Dritte damit beauftragen. Grundsätzlich ist immer eine Abklärung an Ort und Stelle durchzuführen, wobei die versicherte Person zwingend dabei sein muss. Die IV-Stelle verwendet für Abklärungen das FAKT2-Formular. Der FAKT2 ist ein Abklärungsinstrument, das gleichzeitig als Abklärungsbericht gelten kann, den <Assistenzbeitrag> berechnet und die wichtigen Informationen für die Verfügung zusammenfasst (Bundesamt für Sozialversicherungen, Kreisschreiben über den <Assistenzbeitrag> [KSAB], gültig ab 1. Januar 2015, Rz. 6013 ff.). Dieses Vorgehen mittels standardisierter Abklärung der individuellen Situation entspricht dem Willen des Gesetzgebers und soll der Rechtsgleichheit dienen (Botschaft, S. 1902). Ein Abweichen davon ist auch im vorliegenden Fall nicht geboten, da den individuellen Gegebenheiten einerseits durch die Wahl der zutreffenden Stufe und anderseits durch die allfällige Berücksichtigung von Zusatz- und Minderaufwand Rechnung getragen werden kann (vgl. BGE 140 V 543 E. 3.2.2.3).

 

4.2

4.2.1 Die Beschwerdegegnerin klärte den Hilfebedarf des Beschwerdeführers am 17. März 2015 vor Ort ab. Aufgrund des Berichtes der Hausärztin des Beschwerdeführers vom 23. März 2015 passte sie den Abklärungsbericht an, was die Anerkennung eines grösseren Hilfebedarfs als im ursprünglichen Abklärungsbericht zur Folge hatte. In der Folge legte sie den Bericht einer Abklärungsperson der Sozialversicherungsanstalt (SVA) Zürich vor. Daraufhin passte sie den Bericht erneut an und anerkannte nur noch einen geringeren Hilfebedarf.

 

Die Beschwerdegegnerin begründete die erneute Änderung des Abklärungsberichts damit, dass in Zusammenarbeit mit der SVA Zürich eine solide Basis für die Einstufung von Autisten habe geschaffen werden können. Damit werde eine Gleichbehandlung erreicht.

 

4.2.2 Das Vorgehen der Beschwerdegegnerin vermag nicht zu überzeugen. Zwar steht den IV-Stellen mit dem FAKT2 ein standardisiertes Verfahren zu Ermittlung des Hilfebedarfs zur Verfügung. Dieses entbindet sie aber nicht von der Pflicht, jeden Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dabei verkennt die Beschwerdegegnerin in grundlegender Weise, dass es keine einheitliche Einstufung von Personen mit einer Autismus-Spektrum-Störung geben kann. So gibt es unterschiedliche Schweregrade bei den Autismus-Spektrums-Störungen, welche vom Schweregrad 1 (Unterstützung erforderlich) bis zum Schweregrad 3 (sehr umfangreiche Unterstützung erforderlich) gehen. Bestehen aber derart unterschiedliche Schweregrade einer Behinderung, würde es dem Gleichheitsgrundsatz, wonach Gleiches nach der Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach der Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln ist (statt vieler: BGE 141 I 153 E. 5.1), geradezu widersprechen, wenn der Hilfebedarf ohne Berücksichtigung des Einzelfalls einheitlich festgesetzt würde. Ferner gilt es zu beachten, dass der Abklärungsbericht offenbar nach Rücksprache mit einer Abklärungsperson der SVA Zürich angepasst wurde, ohne dass diese selbst den Hilfebedarf des Beschwerdeführers selbst vor Ort abgeklärt hätte. Dies erweist sich auch unter den Vorgaben des KSAB als unzulässig. Aus diesen Gründen kam das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass alleine aufgrund des Abklärungsberichts der Hilfebedarf des Beschwerdeführers nicht ermittelt werden könne, weshalb es bei Prof. Dr. E.______ ein Gutachten in Auftrag gab. Dieses wurde nach verschiedenen Gesprächen mit der Mutter des Beschwerdeführers und dem Beschwerdeführer selbst sowie nach drei Hospitationen erstellt.

 

5.

Zu Recht unbestritten ist, dass der Beschwerdeführen Anspruch auf einen <Assistenzbeitrag> hat. Namentlich ist er in seiner Handlungsfähigkeit nicht eingeschränkt, weshalb er die Voraussetzungen von Art. 39b IVV nicht erfüllen muss.

 

6.

6.1 Nachfolgend ist der Hilfebedarf für jeden einzelnen Bereich gemäss Art. 39c IVV zu ermitteln. Um den Bedarf pro Monat zu berechnen, ist dabei der Tagesbedarf mit 30.4 (365/12) zu multiplizieren (KSAB, Rz. 4116). Bei der Ermittlung des Hilfebedarfs ist zwischen den Stufen 0 (kein Bedarf), 1 (punktueller Hilfebedarf), 2 (Hilfebedarf bei mehreren Verrichtungen), 3 (Hilfebedarf bei den meisten Verrichtungen [geringe Eigenleistung]) und 4 (umfassend und ständig bei allem [keine Eigenleistung]) zu unterscheiden. In Anhang 3 des KSAB werden dabei die zeitlichen Bandbreiten nach Stufen und Bereichen aufgeführt.

 

Vorauszuschicken ist, dass der FAKT2 zwar ein taugliches Mittel zur Beurteilung des Hilfebedarfs darstellen kann. Dies ist aber nur der Fall, wenn den Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls genügend Rechnung getragen wird. So ist mit dem Beschwerdeführer davon auszugehen, dass er zwar verschiedene Tätigkeiten selbst ausüben kann, hierzu aber einer engmaschigen Anleitung und Begleitung bedarf. Es ist naheliegend, dass eine derartige Betreuung in verschiedenen Teilbereichen gleichermassen zeitaufwändig ist, wie wenn der Beschwerdeführer die entsprechende Tätigkeit überhaupt nicht ausführen könnte.

 

6.2

6.2.1 Der Bereich alltägliche Lebensverrichtungen umfasst die Teilbereiche Ankleiden/Auskleiden; Aufstehen/Absitzen/Abliegen; Essen; Körperpflege; Verrichten der Notdurft (KSAB, Anhang 3). Jeder (Teil-)Bereich ist in verschiedene Tätigkeiten unterteilt. Für jede Tätigkeit muss entschieden werden, in welche Stufe die versicherte Person eingeteilt wird. Bei jeder Stufe ist ein Minutenwert hinterlegt. Die Summe der Minuten jeder Tätigkeit ergibt dann die Stufe des entsprechenden (Teil-)Bereichs (KSAB, Rz. 4015). Im Gutachten wird der Beschwerdeführer durchgängig der Stufe 4 eingeteilt.

 

6.2.2 Der Teilbereich An-/Auskleiden umfasst die Tätigkeiten Zusammenstellen der Kleider/Wäschewechsel, An-/Auskleiden und An-/Ablegen von Hilfsmitteln.

 

Hinsichtlich des An- und Auskleidens wird im Gutachten ausgeführt, dass der Beschwerdeführer regelmässige Anleitung, Hilfe und/oder Kontrolle benötige. Die Kleidung müsse zurecht gelegt werden. Es müsse kontrolliert werden, ob er die Kleidungsstücke in richtiger Reihenfolge anziehe. Er müsse wiederholt aufgefordert werden, die Teilschritte, die er motorisch leisten könne, durchzuführen. Das An- und Ausziehen stelle eine Handlungsabfolge dar, bei welcher der Beschwerdeführer wiederholt hängenbleibe und unruhig werde.

 

Mit dem Gutachten ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei den Tätigkeiten Zusammenstellen der Kleider/Wäschewechsel und Auskleiden in die Stufe 4 einzuteilen ist. Namentlich fällt dabei ins Gewicht, dass ihm die Kleider zurecht gelegt werden müssen und er wiederholt aufgefordert werden muss, die einzelnen Teilschritte beim An- und Auskleiden zu befolgen und stets eine Kontrolle nötig ist. Dabei tritt klar zu Tage, dass der zeitliche Aufwand nicht kleiner ist, als wenn der Beschwerdeführer vollständig durch die Assistenzperson angekleidet werden müsste. Hingegen ist zu berücksichtigen, dass Beschwerdeführer keine Hilfsmittel trägt, weshalb er diesbezüglich in die Stufe 0 einzuteilen ist. Dies ergibt einen Hilfebedarf von 40 Minuten (5 Minuten für Zusammenstellen der Kleider/Wäschewechsel, 35 Minuten für An-/Auskleiden). Insgesamt fällt der Beschwerdeführer beim Teilbereich An-/Auskleiden damit unter die Stufe 3.

 

6.2.3 Der Teilbereich Aufstehen/Absitzen/Abliegen/Fortbewegen zu Hause umfasst die Tätigkeiten Positionswechsel und Mobilität (drinnen).

 

Der Gutachter führt hierzu aus, Positions- und Raumwechsel seien im Alltag des Beschwerdeführers vielfach mit Übergängen zwischen verschiedenen Situationen bzw. Anforderungen verbunden und könnten aufgrund seiner eingeschränkten Flexibilität und dem Festhalten an Routinen eine grosse Herausforderung darstellen. In diesen Situationen benötige der Beschwerdeführer eine enge Begleitung und Anleitung.

 

Es trifft sicherlich zu, dass der Beschwerdeführer sich selber fortbewegen kann. Zu berücksichtigen ist indessen, dass er einer engen Begleitung und Anleitung bedarf. Insofern ist es nicht zu beanstanden, dass der zeitliche Aufwand gleich eingeschätzt wird, wie bei einer Person, die sich nicht selber fortbewegen kann. Die Stufe 4 mit 60 Minuten erweist daher als gerechtfertigt.

 

6.2.4 Der Teilbereich Essen und Trinken besteht aus den Tätigkeiten Vorbereiten der Nahrungsaufnahme und Essen sowie Trinken.

 

In diesem Teilbereich kommen sowohl der Gutachter als auch der korrigierte Abklärungsbericht zum Schluss, dass der Beschwerdeführer in die Stufe 4 mit 60 Minuten einzureihen ist. Dies erweist sich als gerechtfertigt, weil er sowohl bei der Vorbereitung der Nahrungsaufnahme sowie bei der Nahrungsaufnahme selbst ständiger Überwachung bedarf, da er kein Mass für die richtige Menge kennt und sich ohne Hilfe nur von Süssem ernähren würde.

 

6.2.5 Der Teilbereich Körperpflege umfasst die Tätigkeiten Körperwäsche, Transfer, Zahnpflege/Mundhygiene, periodische Körperpflege und Kosmetik.

 

Aus dem Gutachten geht hervor, dass der Beschwerdeführer seine Körperhygiene nicht alleine angemessen umsetzen könne. Zahnpflege, Nagelpflege und Haarwäsche müssten komplett von den Eltern übernommen werden. Beim Rasieren bestehe ein erhöhtes Risiko aufkommender Unruhe, beim Waschen und Duschen sei eine aktive Überwachung notwendig, um Schäden im Bad zu vermeiden.

 

Soweit der Gutachter hier die Stufe 4 anwendet, vermag dies in den Bereichen Transfer (10 Minuten), Zahnpflege/Mundhygiene (15 Minuten), periodische Körperpflege (10 Minuten) und Kosmetik (10 Minuten) zu überzeugen. Hier bedarf er entweder ständiger Überwachung oder kann die einzelnen Schritte nicht selber genügend ausführen. Hingegen kann er gemäss dem Abklärungsbericht und den schriftlichen Aussagen seiner Mutter alleine duschen. Es muss aber alles bereit gelegt und kontrolliert werden, ob alle Seife weggewaschen ist. Einmal in der Woche wird er gebadet. Hier rechtfertigt sich die Stufe 4 nicht, sondern es ist von der Stufe 3 mit 20 Minuten auszugehen (vgl. KSAB, Rz. 4013). Insgesamt ergeben sich 65 Minuten, was der Stufe 3 entspricht.

 

6.2.6 Der Teilbereich Notdurft besteht aus den Tätigkeiten Transfer, Verrichten der Notdurft, Säubern sowie An- und Ausziehen.

 

Im Gutachten wird hierzu ausgeführt, dass der Beschwerdeführer insbesondere beim Säubern und Anziehen regelmässiger Unterstützung und Anleitung bedürfe. Die begleitende Person müsse wiederholt Impulse für die weiteren Schritte geben.

 

Bei der Tätigkeit Transfer fällt einzig ist Gewicht, dass der Beschwerdeführer gemäss dem korrigierten Abklärungsbericht der Beschwerdegegnerin immer wieder aufgefordert werden muss, dass er nach dem WC-Gang aufstehe. Hier ist mit der Beschwerdegegnerin von der Stufe 2 mit einem Hilfebedarf von 10 Minuten auszugehen. Ebenfalls ist der Beschwerdegegnerin zu folgen, soweit sie beim Verrichten der Notdurft von der Stufe 3 (15 Minuten) ausgeht. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass das WC auswärts vorgängig kontrolliert werden muss und der Beschwerdeführer auswärts einer engmaschigen Begleitung bedarf, eine ständige Überwachung während sämtlichen WC-Gängen aber nicht notwendig ist. Beim Säubern und Anziehen benötigt er Unterstützung: Es ist eine genaue Kontrolle notwendig ist und es muss oft auch nachgewaschen werden. Bei diesen beiden Tätigkeiten rechtfertigt sich mit dem korrigierten Abklärungsbericht die Stufe 3 (8 und 12 Minuten), da der Beschwerdeführer in diesen Bereichen doch Eigenleistungen erbringt und auch in zeitlicher Hinsicht Unterschiede zu den Personen bestehen, die umfassend direkte Hilfe benötigen. Insgesamt besteht beim Teilbereich Notdurft ein Hilfebedarf von 45 Minuten, was der Stufe 3 entspricht.

 

6.2.7 Für den Bereich alltägliche Lebensverrichtungen ergibt sich damit ein Hilfebedarf von 270 Minuten (An-/Auskleiden: 40 Minuten; Aufstehen/Absitzen/Abliegen/ Fortbewegen zu Hause: 60 Minuten; Essen und Trinken: 60 Minuten; Körperpflege: 65 Minuten; Notdurft: 45 Minuten). Hinzu kommt ein unbestrittener Zusatzaufwand für die Augen- und Ohrenpflege sowie die Dekubitusprophylaxe von 15 Minuten. Dies ergibt einen anerkannten Hilfebedarf von 285 Minuten pro Tag bzw. hochgerechnet auf einen Monat einen solchen von 144.4 Stunden.

 

6.3

6.3.1 Für Minderjährige oder Jugendliche bis 25 Jahre, die einen <Assistenzbeitrag> beziehen und noch im gleichen Haushalt mit den Eltern wohnen, sowie generell bei Minderjährigen bis 15 Jahre, wird kein Hilfebedarf im Bereich Haushalt anerkannt. Diese versicherten Personen können aber im Teilbereich Administration die Planung/Organisation des Helfernetzes/der Assistenz geltend machen. Im Teilbereich Wohnungspflege können sie weiter einen Zusatzaufwand aufgrund von Allergien, Schmutz durch Rollstuhl oder aggressives/verwüstendes Verhalten, im Teilbereich Einkauf und Besorgungen den Zusatzaufwand für Transport bzw. Begleitung zu Arzt-/ Therapiekonsultationen sowie beim Teilbereich Wäschepflege einen Zusatzaufwand für behinderungsbedingt grossen Wäscheverbrauch geltend machen (KSAB, Rz. 4026).

 

6.3.2 Das Gutachten äussert sich zum Zusatzaufwand nicht. Mit dem korrigierten Abklärungsbericht ist von einem Zusatzaufwand für die Planung/Organisation des Helfernetzes/der Assistenz auszugehen. Hier besprechen die Eltern alles mit dem Beschwerdeführer. Dieser entscheidet selbst, ob die Assistenzperson zu ihm passt. Es erweist sich daher als gerechtfertigt, hier mit der Beschwerdegegnerin von 5 Minuten auszugehen. Hingegen ergibt sich bei der Wohnungspflege kein Zusatzaufwand. Namentlich ist weder aus den Akten noch aus dem Gutachten ersichtlich, dass das Verhalten des Beschwerdeführers derart aggressiv/verwüstend ist, dass die Anerkennung eines Zusatzaufwands gerechtfertigt wäre. Hingegen ist ihm ein Zusatzaufwand für den Transport und die Begleitung zu Arzt-/Therapiekonsultationen und ein solcher für den behinderungsbedingt grossen Wäscheverbrauch zuzusprechen. Hierbei sind die Berechnungen der Beschwerdegegnerin mit 10 bzw. 3 Minuten nicht zu beanstanden. Damit ergibt sich ein Gesamtaufwand von 18 Minuten bzw. hochgerechnet auf einen Monat von 9.12 Stunden.

 

6.4

6.4.1 Der Bereich gesellschaftliche Teilhabe und Freizeitgestaltung umfasst die Tätigkeiten Hobby/Sport, Tiere/Pflanzen; gesellschaftliche Kontakte; Mobilität draussen; Reisen/Ferien (FAKT2).

 

6.4.2 Der Gutachter führt hierzu aus, dass sich der Beschwerdeführer in der Regel nur wenige Minuten alleine beschäftigen könne. Gleichzeitig benötige er eine Begleitperson in unmittelbarer Nähe, da auch in diesen Situationen (Fernsehen, Spiel am Tablet) nicht verlässlich von einer stabilen Verfassung ausgegangen werden könne und ein permanentes Risiko anwachsender Spannungszustände bestehe. Die Ausübung bevorzugter Freizeitaktivitäten (u.a. Ausflüge) benötige eine durchgängige Begleitung und Überwachung. Der Beschwerdeführer sei häufig orientierungslos und öffentliche Verkehrsmittel könne er nicht alleine benutzen.

 

Hier rechtfertigt sich die Einstufung in der Stufe 4 bei den Tätigkeiten Hobby und Sport (20 Minuten), gesellschaftliche Kontakte (15 Minuten) und Reisen/Ferien (15 Minuten). Auch die Beschwerdegegnerin anerkennt, dass der Beschwerdeführer seine Hobbies ohne eine intensive Kontrolle, Anleitung und Überwachung nicht ausüben kann, weshalb es nicht nachvollziehbar ist, dass sie ihn hier nur in Stufe 3 einteilt. Sodann ist er bei den gesellschaftlichen Kontakten und beim Reisen vollständig auf Hilfe angewiesen. Bei der Tätigkeit Mobilität draussen ist hingegen zu beachten, dass er immerhin alleine zum Metzger gehen kann. Dies entspricht dem Vergleichstatbestand "kann nur ganz wenige, kurze Wegstrecken selbständig bewältigen; braucht sonst immer Anleitung und Begleitung" der Stufe 3 gemäss FAKT2. Gerechtfertigt ist hier folglich die Stufe 3 mit einem Hilfebedarf von 8 Minuten pro Tag.

 

Damit ergibt sich ein Hilfebedarf der Stufe 3 von 58 Minuten pro Tag bzw. 29.39 Stunden im Monat. Insgesamt beträgt der Hilfebedarf für die Bereiche gemäss Art. 39c lit. a-c IVV 182.91 Stunden, was unter dem Maximalwert von 240 Stunden (6 x 40 Stunden, vgl. Art. 39e Abs. 2 lit. a Ziff. 3 IVV) liegt.

 

6.5

6.5.1 Unbestritten ist sodann, dass beim Beschwerdeführer mangels Erziehungsaufgaben kein Hilfebedarf im Bereich Erziehung und Kinderbetreuung besteht. Strittig ist hingegen, ob ein solcher für den Bereich Ausübung einer gemeinnützigen oder ehrenamtlichen Tätigkeit anzuerkennen ist.

 

Der Hilfebedarf umfasst jene Hilfeleistungen, welche die versicherte Person benötigt, um eine gemeinnützige oder ehrenamtliche Tätigkeit auszuüben (KSAB, Rz. 4037). Damit der Hilfebedarf anerkannt wird, muss die versicherte Person den Nachweis für die gemeinnützige oder ehrenamtliche Tätigkeit erbringen. Es wird keine Mindestdauer verlangt. Das Engagement muss aber regelmässig sein, d.h. er muss sich über mindestens drei Monate erstrecken (KSAB, Rz. 4039 i.V.m. Rz. 3004). Bei der gemeinnützigen Tätigkeit muss nachvollziehbar sein, dass sie nicht nur dem Unternehmen und der Person, welche die Arbeit ausübt, dienlich ist, sondern auch der Öffentlichkeit. In den meisten Fällen muss deshalb die Tätigkeit in einem gemeinnützigen Unternehmen erfolgen.

 

6.5.2 Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, dass seine Tätigkeit auf einem Bauernhof in […], wo er zweimal pro Woche unentgeltlich im Einsatz steht, sowie das Verpacken von Mailings für die […], welches etwa dreimal pro Jahr anfällt, als gemeinnützige Tätigkeiten anzuerkennen seien.

 

Dem ist nicht zu folgen. Bei der Arbeit auf dem Bauernhof handelt es sich offensichtlich nicht um eine gemeinnützige Tätigkeit, dient der Einsatz doch einzig dem Betreiber des Bauernhofs und dem Beschwerdeführer selbst. Das Verpacken der Schreiben der […] kann ebenfalls nicht zu einem anerkannten Hilfebedarf führen, da es diesem an der erforderlichen Regelmässigkeit fehlt.

 

6.6 Ebenfalls entfällt ein Hilfebedarf im Bereich berufliche Aus- und Weiterbildung. Näher zu prüfen ist hingegen, ob ein solcher für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf dem regulären Arbeitsmarkt anzuerkennen ist.

 

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist ihm in diesem Bereich kein Hilfebedarf zuzuerkennen. Dies liegt darin begründet, dass er eine volle ausserordentliche Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 100 % bezieht. Damit kann seine Tätigkeit in der Firma seines Vaters von 10.5 Stunden pro Woche nicht berücksichtigt werden (KSAB, Rz. 4060). In den Bereichen gemäss Art. 39c lit. d-g IVV besteht beim Beschwerdeführer folglich kein Hilfebedarf.

 

6.7

6.7.1 Der Überwachungsbedarf wird grundsätzlich nur anerkannt, soweit dieser auch für die Hilflosenentschädigung zu berücksichtigen ist. Dies ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden und entspricht der gesetzlichen Vorgabe (Art. 42quater Abs. 1 lit. a IVG). Die persönliche Überwachung als Leistungskategorie ist namentlich von indirekter Hilfe in den verschiedenen Bereichen alltäglicher Lebensverrichtungen und lebenspraktischer Begleitung abzugrenzen (BGE 140 V 543 E. 3.2.2.3). Darunter ist eine medizinische und pflegerische Hilfeleistung zu verstehen, welche infolge des physischen und/oder psychischen Gesundheitszustands der versicherten Person notwendig ist. Eine solche persönliche Überwachung ist beispielsweise dann erforderlich, wenn eine versicherte Person wegen geistiger Absenzen nicht während des ganzen Tages allein gelassen werden kann. Um als anspruchsrelevant gelten zu können, muss die persönliche Überwachung eine gewisse Intensität erreichen (BGer-Urteil 9C_825/2014 vom 23. Juni 2015 E. 4.1.1, mit Hinweisen). Davon geht auch das KSAB aus, gemäss welchem es wichtig sei, dass die Überwachung nicht nur eine reine Präsenz beinhalte, sondern mit aktiven Handlungen verbunden sei. Als aktive Handlungen seien auch reine Augenscheine und kurze Kontrollen zu berücksichtigen. Entschädigt werde nur der tatsächliche Zeitbedarf für diese Handlungen, nicht aber reine Präsenzzeiten oder passive Überwachungszeiten, die keiner Intervention bedürften und während denen beispielsweise noch andere Tätigkeiten erledigt werden könnten (Rz. 4067 f.).

 

6.7.2 Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer der persönlichen Überwachung bedarf. Strittig ist hingegen, in welche Stufe er diesbezüglich einzuordnen ist.

 

Der Gutachter ordnet den Hilfebedarf in Stufe 4 ein und führt hierzu aus, beim Beschwerdeführer liege während des Tages ein durchgängiger persönlicher Überwachungsbedarf vor, der aufgrund des Bestehens des Risikos von Selbst- oder Fremdgefährdung als Zeit aktiver Überwachung/Intervention zu verstehen sei. Unterstützende Rahmenbedingungen und Massnahmen vermöchten dieses Risiko deutlich zu senken, jedoch lasse sich das Auftreten von erhöhten Spannungszuständen, aus denen heraus selbstverletzendes oder gegen Personen bzw. Gegenstände gerichtetes fremdaggressives Verhalten auftreten könne. Hinzu komme eine eingeschränkte Fähigkeit, Gefahren abschätzen zu können. Da der Beschwerdeführer vielfach nicht in der Lage sei, sich bei einem wachsenden Spannungszustand rechtzeitig eigenaktiv zu beruhigen oder die benötigte Hilfe zu holen, sei eine zeitnahe, fremdgesteuerte Unterstützung erforderlich. Die durchgängige Anwesenheit einer Betreuungsperson müsse in diesem Sinne aktuell so engmaschig organisiert sein, dass die Wahrnehmung des Spannungszustands und seiner Entwicklung angemessen verfolgt werden könne. Dies mache eine räumliche Nähe, einen regelmässigen Kontakt, die ständige Aufmerksamkeit und eine Einschätzung der vorhandenen Stressoren in der konkreten Situation notwendig.

 

Im FAKT2 sind für den Bedarf der Stufe 4 unter anderem folgende Vergleichstatbestände hinterlegt: "Die versicherte Person kann keinen Moment alleine gelassen werden, d.h. es ist permanent die Anwesenheit einer Drittperson im selben Raum erforderlich, da eine überdurchschnittlich hohe Aufmerksamkeit und ständige Interventionsbereitschaft notwendig ist." / "Die versicherte Person kann nie alleine im Zimmer gelassen werden".

 

Die Mutter des Beschwerdeführers führt in ihrer schriftlichen Stellungnahme beispielsweise aus, dass dieser bei der Wohnungspflege manchmal auch allein kleinere Arbeiten erledige, sie aber immer in Hörnähe sei, dass er alleine zum Metzger im Dorf gehe, kleinere Wege alleine mit dem Fahrrad bewältige sowie weitgehend alleine dusche, wobei jemand in Hörnähe sei. Damit erweist sich der Bedarf an persönlicher Überwachung kleiner als bei den beschriebenen Vergleichstatbeständen. Namentlich ist es offensichtlich nicht erforderlich, dass jemand permanent im selben Raum wie der Beschwerdeführer ist, andernfalls würde es nicht einleuchten, dass dieser beispielsweise selber beim Metzger einkaufen kann.

 

Beim Bedarf der Stufe 3 sind im FAKT2 beispielsweise folgende Vergleichstatbestände hinterlegt: "Die versicherte Person kann nicht verbal kommunizieren und gerät bereits bei verhältnismässig geringen Anlässen in grossen Stress/Angst/Panik (z.B. schreit dann laut); es muss daher viertelstündlich nachgesehen und gegebenenfalls beruhigt werden; eine permanente Anwesenheit von Drittpersonen im selben Zimmer ist jedoch nicht erforderlich." / "Die versicherte Person hat gelegentlich Absenzen und es besteht die Gefahr von Fehlhandlungen; sie kann nicht um Hilfe rufen; der Umgang mit fremden Personen muss immer überwacht/angeleitet werden, sie kann aber kurz im Zimmer alleine gelassen werden."

 

Berücksichtigt man die Aussagen der Mutter des Beschwerdeführers und des Gutachters ist beim Beschwerdeführer von einer ähnlichen Situation auszugehen wie sie in den Vergleichstatbeständen der Stufe 3 beschrieben wird. Damit ist von einem Bedarf der Stufe 3 auszugehen. Dies führt zu einem anerkannten Hilfebedarf von 120 Minuten pro Tag bzw. 60 Stunden pro Monat (vgl. Art. 39e Abs. 2 lit. c IVV, welcher in diesem Bereich von 30 Tagen pro Monat ausgeht).

 

6.8 Insgesamt ergibt sich in den Bereichen gemäss Art. 39c Abs. 1 lit. a-h IVV ein Hilfebedarf von monatlich 242.91 Stunden (Art. 39c Abs. 1 lit. a-c IVV: 182.91 Stunden; Art. 39c Abs. 1 lit. d-g: 0 Stunden; Art. 39c Abs. 1 lit. h: 60 Stunden). Davon ist gemäss Art. 42sexies Abs. 1 lit. a IVG die Hilflosenentschädigung im Umfang von 57.07 Stunden (Fr. 1'872.-./. Fr. 32.80; vgl. KSAB, Rz. 4107) pro Monat abzuziehen. Somit ergibt sich ein Assistenzbedarf von monatlich 185.84 Stunden.

 

6.9

6.9.1 Strittig ist schliesslich, welcher Ansatz für den <Assistenzbeitrag> zu verwenden ist. Der Beschwerdeführer geht davon aus, dass die Assistenzperson über besondere Qualifikationen verfügen müsse, weshalb von einem <Assistenzbeitrag> von Fr. 49.15 pro Stunde anstatt von Fr. 32.80 pro Stunde auszugehen sei (vgl. Art. 39f Abs. 1 und 2 IVV; in der bis am 31. Dezember 2014 gültigen Fassung).

 

6.9.2 Der erhöhte Ansatz von Fr. 49.15 pro Stunde kommt gemäss Art. 39f Abs. 2 IVV nur in den Bereichen nach Art. 39c lit. e-g IVV in Frage. Da in diesen Bereichen kein Hilfebedarf anzuerkennen ist, entfällt der höhere Ansatz von vornherein.

 

Damit sind die gesamten 185.84 Stunden zum Ansatz von Fr. 32.80 pro Stunde zu entschädigen, was Fr. 6'095.55 entspricht.

 

7.

7.1 Zu prüfen bleibt der Hilfebedarf für den Nachtdienst gemäss Art. 39c lit. i IVV. Hier wird unterschieden zwischen punktuellem Hilfebedarf in wenigen Nächten (Stufe 1), Hilfebedarf mindestens viermal pro Woche/mindestens 16 Nächte pro Monat (Stufe 2), Hilfebedarf mindestens einmal jede Nacht (Stufe 3) sowie Hilfebedarf mindestens zwei Stunden jede Nacht (Stufe 4; vgl. zum Ganzen KSAB, Anhang 3).

 

7.2 Es ist unbestritten, dass ein Hilfebedarf für den Nachtdienst ausgewiesen ist. Strittig ist hingegen, ob mit dem Beschwerdeführer der Ansatz der Stufe 4 anzuwenden ist, oder ob derjenige der Stufe 3 zutreffend ist, wovon die Beschwerdegegnerin ausgeht.

 

Der Gutachter geht davon aus, dass das am Tage bestehende Risiko von Selbst- und Fremdgefährdung auch in der Nacht vorhanden sei. Das beschriebene Schlafverhalten lasse einerseits erkennen, dass in den gelegentlichen Wachphasen und Toilettengängen des Beschwerdeführers aus diesem Grund eine Überwachung notwendig sei. Der genaue Zeitumfang habe jedoch nicht ermittelt werden können. Er liege den Schilderungen zufolge je nach Verlauf der Nächte bei einer bis mehreren Stunden.

 

Grundsätzlich sind damit die Voraussetzungen für die Stufe 4, welche von einem Hilfebedarf von mindestens zwei Stunden jede Nacht ausgeht, nicht erfüllt. Mit der Beschwerdegegnerin ist von der Stufe 3 auszugehen, was auch den Vergleichstatbeständen gemäss FAKT2 "es ist mindestens ein Toilettengang jede Nacht notwendig, bei welchem die versicherte Person auf Hilfe angewiesen ist" und "versicherte Person wacht jede Nacht auf und muss beruhigt oder wieder ins Bett gebracht werden (Zeitaufwand weniger als 96 Minuten)" entspricht. Damit kommt der Ansatz von Fr. 54.65 pro Tag bzw. Fr. 1'661.35 pro Monat zu tragen.

 

8.

8.1 Zusammenfassend ergibt sich ein <Assistenzbeitrag> von Fr. 7'756.90 (Fr. 6'095.55 + Fr. 1'661.35) pro Monat. Gemäss Art. 39g Abs. 2 lit. b IVV beträgt der <Assistenzbeitrag> pro Jahr das Elffache des Assistenzbeitrags pro Monat, wenn die versicherte Person mit der Person, mit der sie verheiratet ist oder in eingetragener Partnerschaft lebt oder eine faktische Lebensgemeinschaft führt oder in gerader Linie verwandt ist, im selben Haushalt lebt (Ziff. 1), und die Person, mit der sie im selben Haushalt lebt, volljährig ist und selber keine Hilflosenentschädigung bezieht. Diese Voraussetzungen sind beim Beschwerdeführer, der bei seinen Eltern lebt, erfüllt. Der <Assistenzbeitrag> pro Jahr beträgt daher Fr. 85'325.90 (11 x Fr. 7'756.90).

 

8.2 Der Anspruch auf einen <Assistenzbeitrag> beginnt mit dem Zeitpunkt der Anmeldung im Dezember 2014 (Art. 42septies Abs. 1 IVG). Auszurichten ist der <Assistenzbeitrag> aber freilich nur für die tatsächlich durch eine Assistenzperson geleisteten Stunden (Art. 39i Abs. 2 IVV; vgl. aber auch Art. 39h Abs. 1 IVV), welche im Rahmen eines Arbeitsvertrags durch den Beschwerdeführer bzw. dessen gesetzlichen Vertreter angestellt wurde (Art. 42quinquies lit. a IVG).

 

8.3 Demgemäss ist die Beschwerde im Sinne der Erwägungen teilweise gutzuheissen. Die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 17. November 2015 ist dahingehend abzuändern, als dem Beschwerdeführer ein <Assistenzbeitrag> von Fr. 7'756.90 pro Monat bzw. maximal Fr. 85'325.90 pro Jahr zuzusprechen ist. Hinzuweisen bleibt darauf, dass ab dem 1. Januar 2015 die erhöhten Ansätze von Fr. 32.90 pro Stunde und von Fr. 54.85 pro Tag für den Nachtdienst der Stufe 3 anzuwenden sind.

 

III.

1.

1.1 Der Beschwerdeführer beantragt die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung. Gemäss Art. 139 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Mai 1986 (VRG) befreit die Behörde eine Partei, der die Mittel fehlen, um neben dem Lebensunterhalt für sich und ihre Familie die Verfahrenskosten aufzubringen, auf Gesuch hin ganz oder teilweise von der Kosten- und Vorschusspflicht, sofern das Verfahren nicht aussichtslos ist. Unter denselben Voraussetzungen weist sie der Partei auf Gesuch hin oder von Amtes wegen einen Anwalt als Rechtsbeistand zu, sofern ein solcher für die gehörige Interessenwahrung erforderlich ist (Art. 61 lit. f ATSG und Art. 139 Abs. 2 VRG). Der Nachweis der Bedürftigkeit obliegt nach Art. 139 Abs. 3 VRG der gesuchstellenden Partei.

 

1.2 Die Beschwerdeführer empfängt Ergänzungsleistungen zu seiner Invalidenrente, weshalb seine Mittellosigkeit erwiesen ist und er daher als bedürftig im Sinne von Art. 139 Abs. 1 VRG zu gelten hat. Zudem kann das vorliegende Verfahren schon allein deshalb nicht als aussichtslos bezeichnet werden, weil die Beschwerde teilweise gutzuheissen ist. Folglich ist sein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung gutzuheissen. Da der Beschwerdeführer für das Verfahren auf eine rechtliche Vertretung angewiesen war, ist auch das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung gutzuheissen und ihm in der Person von Rechtsanwalt C.______ ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen. Letzterer ist mit pauschal Fr. 2'600.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) zu entschädigen. Daran anzurechnen ist die Parteientschädigung seitens der Beschwerdegegnerin.

 

2.

2.1 Nach Art. 134 Abs. 1 lit. c VRG i.V.m. Art. 69 Abs. 1bis IVG hat die Partei, welche im Beschwerdeverfahren unterliegt, die amtlichen Kosten zu tragen. Da der Beschwerdeführer die Zusprechung des gesetzlich höchstmöglichen Assistenzbeitrags beantragte, obsiegt er lediglich zu ungefähr einem Viertel. Ausgangsgemäss ist die pauschale Gerichtsgebühr von Fr. 800.- zu drei Vierteln dem Beschwerdeführer und zu einem Viertel der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen. Auf die Erhebung des Kostenanteils des Beschwerdeführers ist indessen zufolge Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung einstweilen zu verzichten. Der Beschwerdeführer ist darauf hinzuweisen, dass eine Partei, der die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt worden ist, für den Fall, dass sie später in günstige wirtschaftliche Verhältnisse gelangt, zur Nachzahlung der Verfahrens- und Anwaltskosten verpflichtet werden kann (Art. 139a VRG).

 

2.2 Ausgangsgemäss ist dem Beschwerdeführer eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 650.- zuzusprechen (Art. 1 Abs. 1 IVG i.V.m. Art. 61 lit. g ATSG e contrario), welche an die Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistands anzurechnen ist.

 

3.

Das Gutachten von Prof. Dr. E.______ wurde aufgrund der ungenügenden Sachverhaltsabklärung durch die Beschwerdegegnerin nötig (E. II/4.2.2). Die Gutachtenskosten sind ihr aufzuerlegen (BGE 139 V 225 E. 4.3). Folglich ist sie zu verpflichten, dem Verwaltungsgericht innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Entscheids die Gutachtenskosten in der Höhe von Fr. 10'800.- zu bezahlen.

Demgemäss beschliesst die Kammer:

1.

Die Gesuche des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung werden gutgeheissen. Ihm wird in der Person von Rechtsanwalt C.______ ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt.

2.

Der Rechtsbeistand wird zu Lasten der Gerichtskasse mit Fr. 2'600.- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) entschädigt. Daran angerechnet wird die Parteientschädigung seitens der Beschwerdegegnerin in der Höhe von Fr. 650.-.

3.

Die Nachzahlungspflicht gemäss Art. 139a VRG bleibt vorbehalten.

4.

Die Gerichtskasse wird beauftragt, spätestens im September 2021 zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Nachzahlung erfüllt sind.

und erkennt sodann:

1.

Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen. Die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 17. November 2015 wird dahingehend abgeändert, als dem Beschwerdeführer ein <Assistenzbeitrag von Fr. 7'756.90 pro Monat bzw. maximal Fr. 85'325.90 pro Jahr zugesprochen wird.

2.

Die pauschale Gerichtsgebühr von Fr. 800.- wird zu drei Vierteln dem Beschwerdeführer und zu einem Viertel der Beschwerdegegnerin auferlegt. Auf die Erhebung des Kostenanteils des Beschwerdeführers wird einstweilen verzichtet.

3.

Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Entscheids eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 650.- zu bezahlen.

4.

Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, dem Verwaltungsgericht innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Entscheids die Gutachtenskosten in der Höhe von Fr. 10'800.- zu bezahlen.

5.

Schriftliche Eröffnung und Mitteilung an:

 

[…]