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Geschäftsnummer: ZG.2010.00646 (ZG.2015.13)
Instanz: KGR
Entscheiddatum: 19.03.2015
Publiziert am: 01.09.2015
Aktualisiert am: 11.01.2017
Titel: Forderung

Resümee:

Verantwortlichkeitsklage gegen Organe und Angestellte einer Bank
 

Beschreibung: Fridolin

 

Kanton Glarus

 

Kantonsgericht

 

I. Zivilkammer

 

 

Urteil vom 19. März 2015

 

 

Verfahren

ZG.2010.00646, ZG.2010.00721 und ZG.2010.00728

 

 

 

 

J.______

klagende und

widerbeklagte Partei

vertreten durch M.______

 

 

gegen

 

 

1. A.______

 

2. B.______

 

1. und 2. vertreten durch N.______

 

3. C.______

 

4. D.______

 

5. E.______

 

4. und 5. vertreten durch Q.______

 

6. F.______

widerklagende Partei

im Verfahren ZG.2010.00721

 

7. G.______

 

vertreten durch O.______

 

8. H.______

 

vertreten durch R.______

 

9. I.______

 

vertreten durch P.______

widerklagende Partei

im Verfahren ZG.2010.00728

 

10. K.______

Litisdenunziatin

 

11. L.______

Litisdenunziatin

 

 

 

 

Gegenstand

 

 

 

Forderung

 

 

 

 

 

Rechtsbegehren der klagenden Partei zur Hauptklage (gemäss Klageschein des Vermittleramtes [...] über die Schlichtungsverhandlung vom 27. Mai 2010, abgeändert mit Eingaben vom 19. Oktober 2011 und vom 27. März 2013):

 

1.    Es seien die Beklagten 1 – 5 (Bankräte), 6 – 8 (Geschäftsleitungsmitglieder) sowie die Beklagte 9 (Revisionsstelle) je unter solidarischer Haftbarkeit zu verpflichten, der Klägerin CHF 35'751'315.— zu bezahlen – der Beklagte 8 allerdings nicht mehr als CHF 18'387'315.— und die Beklagte 9 nicht mehr als CHF 24'387'315.—, jeweils zuzüglich Zins zu 5 % p.a. seit dem 27. August 2009.

 

2.    Eventualiter seien die Beklagten 1 – 5 (Bankräte), 2 – 3 (Geschäftsleitungsmitglieder) sowie die Beklagte 3 (Revisionsstelle) je unter solidarischer Haftbarkeit zu verpflichten, der Klägerin CHF 34'774'164.— sowie EUR 650'507.— zu bezahlen, der Beklagte 3 allerdings nicht mehr als CHF 17'410'163.— sowie EUR 650'507.— und die Beklagte 9 nicht mehr als CHF 23'410'163.— sowie EUR 650'507.—, jeweils zuzüglich Zins zu 5 % p.a. seit dem 27. August 2009.

 

3.    Mehrforderungen bleiben vorbehalten.

 

4.     Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der beklagten Partei.

 

Antrag der Beklagten 1 und 2 zur Hauptklage (gemäss Eingabe vom 28. Juni 2012):

 

1.    Es sei die Klage vollumfänglich abzuweisen.

 

2.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich MWST) zu Lasten der klagenden Partei.

 

Antrag der Beklagten 3 – 5 zur Hauptklage (gemäss Eingabe vom 29. Juni 2012):

 

1.    Es sei die Klage vollumfänglich abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann.

 

2.    Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der klagenden Partei.

 

Antrag der Beklagten 6 zur Hauptklage (gemäss Eingabe vom 12. Juli 2012, abgeändert mit Eingabe vom 20. Dezember 2013):

 

1.    Die Klage sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

 

2.    Unter Kosten und Entschädigungsfolgen (zuzüglich MWST) zu Lasten der klagenden Partei.

 

Antrag des Beklagten 7 zur Hauptklage (gemäss Eingabe vom 29. Juni 2012):

 

1.    Die Klage sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

 

2.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich MWST von 8 %).

 

Antrag des Beklagten 8 zur Hauptklage (gemäss Eingabe vom 29. Juni 2012):

 

1.    Es sei die Klage vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

 

2.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich MWST) zu Lasten der klagenden Partei.

 

Antrag der Beklagten 9 zur Hauptklage (gemäss Eingabe vom 31. Mai 2012):

 

1.    Es sei die Klage vollumfänglich abzuweisen.

 

2.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der klagenden Partei.

 

Rechtsbegehren des Beklagten 6 zur Widerklage ZG.2010.00721 (gemäss Eingaben vom 23. August 2010 und vom 19. Oktober 2011):

 

1.    Es sei die Klägerin und Widerbeklagte zu verpflichten, dem Beklagten 6 und Widerkläger den Betrag von CHF 955.85 samt Zins zu 5 % seit dem
14. Januar 2010 zu bezahlen.

 

2.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (Parteientschädigung zzgl.
Mehrwertsteuer) zu Lasten der Klägerin und Widerbeklagten.

 

Antrag der Klägerin und Widerbeklagten zur Widerklage ZG.2010.00721 (gemäss Eingabe vom 13. Januar 2012):

 

1.    Es sei die Widerklage – unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Widerklägers – abzuweisen.

 

2.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der klagenden Partei.

 

Rechtsbegehren der Beklagten 9 zur Widerklage ZG.2010.00728 (gemäss Eingaben vom 25. August 2010 und vom 19. Dezember 2011):

 

1.    Die Klägerin und Widerbeklagte sei zu verpflichten, der Beklagten 9 und Widerklägerin den Betrag von CHF 192'819.20 zuzüglich 5 % Verzugszins seit dem 25. August 2010 zu bezahlen.

 

2.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Klägerin und
Widerbeklagten.

 

Antrag der Klägerin und Widerbeklagten zur Widerklage ZG.2010.00728 (gemäss Eingabe vom 15. Februar 2012):

 

1.    Es sei die Widerklage abzuweisen.

 

2.    Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beklagten 9 und Widerklägerin.

 

 

____________________

 

Inhaltsverzeichnis

 

I.   Prozessgeschichte..................................................................................................

II.  Zu den Parteivorbringen........................................................................................

III. Erwägungen.............................................................................................................

1. Situation der Klägerin.................................................................................................

2. Vorbringen der Klägerin in der Hauptklage................................................................

3. Vorbringen der Beklagten 1 und 2, A.______ und B.______.....................................

4. Vorbringen der Beklagten 3 – 5, C.______, D.______ und E.______.......................

5. Vorbringen des Beklagten 6, F.______......................................................................

6. Vorbringen des Beklagten 7, G.______.....................................................................

7. Vorbringen des Beklagten 8, H.______.....................................................................

8. Vorbringen der Beklagten 9, I.______........................................................................

9. Vorbehalt von Mehrforderungen................................................................................

10. Klageänderung in der Replik....................................................................................

11. Beweismittel und neue Tatsachen...........................................................................

12. Schriftlichkeit des Verfahrens..................................................................................

13. Anwendbares Recht.................................................................................................

14. Voraussetzungen der Haftung für Geschäftsführung nach Art. 754 OR................

15. Organe der Klägerin im Sinne von Art. 754 OR......................................................

16. Voraussetzung Schaden im Sinne von Art. 754 OR................................................

16.1. Schadenbegründung der Klägerin.........................................................................

16.2. Forderungsausfall Kreditengagement S.______...................................................

16.3. Forderungsausfall Kreditengagement T.______...................................................

16.4. Forderungsausfall Kreditengagement U.______..................................................

16.5. Forderungsausfall Kreditengagement V.______...................................................

16.6. Forderungsausfall Kreditengagement W.______..................................................

16.7. Forderungsausfall Kreditengagement X.______...................................................

16.8. Nachgewiesener Schaden total............................................................................

16.9. Vorteilsanrechnung................................................................................................

17. Voraussetzung Pflichtverletzung im Sinne von Art. 754 OR...................................

17.1. Pflichtverletzungen Bankrat..................................................................................

17.1.1. Regelung Ausserrayongeschäft.........................................................................

17.1.2. Nichterkennen Fehlentwicklungen bei Kreditvergabe.......................................

17.1.3. Personell unausgewogene Zusammensetzung Kreditausschuss......................

17.1.4. Pflichtverletzungen Bankrat - Fazit....................................................................

17.2. Pflichtverletzungen Geschäftsleitung....................................................................

17.2.1. Regelung Ausserrayongeschäft.........................................................................

17.2.2. Fehler bei Kreditvergaben..................................................................................

17.2.3. Pflichtverletzungen Geschäftsleitung - Fazit......................................................

18. Verschulden im Sinne von Art. 754 OR...................................................................

19. Adäquater Kausalzusammenhang im Sinne von Art. 754 OR................................

20. Aktienrechtliche Verantwortlichkeit nach Art. 754 OR - Fazit.................................

21. Voraussetzungen der Revisionshaftung nach Art. 755 OR.....................................

22. Voraussetzung Schaden im Sinne von Art. 755 OR................................................

23. Voraussetzung Pflichtverletzung im Sinne von Art. 755 OR...................................

24. Verschulden im Sinne von Art. 755 OR...................................................................

25. Adäquater Kausalzusammenhang im Sinne von Art. 755 OR................................

26. Aktienrechtliche Verantwortlichkeit nach Art. 755 OR - Fazit.................................

27. Voraussetzungen der Haftung aus Arbeitsvertrag nach Art. 321e OR....................

28. Anspruchskonkurrenz..............................................................................................

29. Décharge..................................................................................................................

30. Schadenszurechnung und differenzierte Solidarität................................................

31. Schadenersatzbemessung.......................................................................................

32. Verjährung................................................................................................................

33. Eventualverrechnung mit Schadenersatzforderung................................................

34. Zur Widerklage des Beklagten 6 (ZG.2010.00721).................................................

34.1. Zulässigkeit der Widerklage..................................................................................

34.2. Verrechnungseinrede der Klägerin........................................................................

35. Zur Widerklage der Beklagten 9 (ZG.2010.00728)..................................................

35.1. Entschädigung der bankengesetzlichen Revisionsstelle.......................................

35.2. Rechnungstellung der Beklagten 9.......................................................................

35.3. Einrede der unsorgfältigen Auftragserfüllung........................................................

35.4. Fazit Widerklage ZG.2010.00728..........................................................................

36. Abschliessendes Gesamtfazit..................................................................................

IV. Kosten......................................................................................................................

Dispositiv......................................................................................................................

Rechtsmittelbelehrung................................................................................................

 

Das Gericht zieht in Betracht:

 

 

I. Prozessgeschichte

 

Mit Eingabe vom 16. Juli 2010 machte die Klägerin ihre Klage beim Kantonsgericht Glarus anhängig und reichte den Klageschein vom 31. Mai 2010 des Vermittleramtes [...]ein.

Am 23. August 2010 erhob der Beklagte 6, F.______, Widerklage und reichte dazu Beilagen ein.

Ebenfalls ab 23. August 2010 erklärte der Beklagte 8, H.______, Verrechnung mit einer Gegenforderung aus Arbeitsvertrag.

Am 25. August 2010 erklärten die Beklagten 1 und 2, A.______ und B.______, Eventualverrechnung.

Mit Eingabe vom 25. August 2010 erhob die Beklagte 9, I.______, Widerklage und reichte dazu Beilagen ein.

Am 26. August 2010 erklärten die Beklagten 3 – 5, C.______, D.______ und E.______ Verrechnung in voller Höhe der eingeklagten Forderung und reichten eine Beilage ein.

In der Folge erklärte auch der Beklagte 7, G.______, Verrechnung mit
einer Gegenforderung aus Arbeitsrecht.

Da beide Kantonsgerichtspräsidenten in den Ausstand getreten waren, wählte der Landrat des Kantons Glarus in seiner Sitzung vom 22. Oktober 2010 [...] zum ausserordentlichen Kantonsgerichtspräsidenten für das vorliegende Verfahren und die damit zusammenhängenden Nebenverfahren.

Nachdem die Beklagten 1, 2, 3, 4 und 5 die Einrede der Unzuständigkeit des Kantonsgerichts Glarus erhoben hatten und nachdem die Klägerin dazu Stellung nehmen konnte, entschied der a.o. Kantonsgerichtspräsident mit Entscheid vom 7. Januar 2011, dass das Kantonsgericht Glarus für das vorliegende Verfahren sachlich nicht zuständig sei. Die dagegen erhobene Berufung hiess das Obergericht des Kantons Glarus mit Entscheid vom 1. Juli 2011 gut, hob den Entscheid des Kantonsgerichtspräsidenten vom 7. Januar 2011 auf und stellte fest, dass das Kantonsgericht Glarus sachlich zuständig ist zur Behandlung der gesamten Klage der J.______ gemäss Klageschein des Vermittleramtes [...] vom 31. Mai 2010. Dieser Entscheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Nachdem der a.o. Kantonsgerichtspräsident am 26. September 2011 Frist angesetzt hatte, reichte die Klägerin am 19. Oktober 2011 ihre schriftliche Klagebegründung samt Beilagen ein.

Mit Schreiben je vom 14. März 2012 verkündeten die Beklagten 1 und 2
K.______ und L.______ gemäss Art. 104 Abs. 1 ZPO GL den Streit. Mit Verfügung vom 19. März 2012 zeigte das Kantonsgericht den Streitberufenen und den Beklagten 1 und 2 die Streitverkündung an und bestimmte, dass es Sache der streitverkündenden Partei ist, die Streitberufenen über den Stand des Verfahrens zu informieren und dass Zustellungen durch das Gericht alleine an die streitverkündende Partei erfolgt.

Mit Verfügung vom 4. Mai 2012 wies der a. o. Kantonsgerichtspräsident den Antrag des Beklagten 6 um unentgeltliche Rechtspflege ab. Das Obergericht des Kantons Glarus bestätigte diesen Entscheid am 18. Januar 2013.

Nachdem der a.o. Kantonsgerichtspräsident am 15. Dezember 2011 Frist angesetzt hatte, reichte die Beklagte 9, I.______, am 31. Mai 2012 ihre schriftliche Klageantwort samt Beilagen ein. Mit Eingabe vom 28. Juni 2012 reichten die Beklagten 1 und 2, A.______ und B.______, ihre schriftliche Klageantwort samt Beilagen und weiteren Beweisanträgen ein. Am 29. Juni 2012 folgten die schriftliche Klageantwort der Beklagten 3 – 5, C.______, D.______ und E.______, samt Beilagen sowie die schriftliche Klageantwort des Beklagten 7, G.______, samt Beilagen und weiteren Beweisanträgen. Ebenfalls am 29. Juni 2012 reichte der Beklagte 8, H.______, seine Klageantwort samt Beilagen und weiteren Beweisanträgen ein. Am 12. Juli 2012 folgte die schriftliche Klageantwort des Beklagten 6, F.______, samt Beilagen.

Nachdem der a.o. Kantonsgerichtspräsident anzeigt hatte, dass er ohne Widerspruch der Beklagten davon ausgehe, dass diese auf eine mündliche Verhandlung für Replik und Duplik verzichten würden, setzte er der Klägerin Frist für die schriftliche Replik.

Mit Verfügung vom 12. September 2012 nahm der a.o. Kantonsgerichtspräsident der Klägerin hinsichtlich der Beklagten 9, I.______, die Frist ab und forderte jene auf, den von der Klägerin verlangten Editionen zu entsprechen bzw. ihre Gründe für eine Verweigerung oder Unmöglichkeit der Edition darzulegen, was die Beklagte 9 mit Schreiben vom 12. November 2012 denn auch tat.

Am 27. März 2013 erstattete die Klägerin ihre schriftliche Replik hinsichtlich sämtlichen Beklagten samt Beilagen. Am 28. März 2013 reichte sie ein zusätzliches Schreiben ein samt weiteren Beilagen, welche sie aus Gründen des Geschäfts- und Bankgeheimnisses und zum Schutz der Persönlichkeit Dritter in ein abgeschlossenes Kartonbehältnis abpackte. Diese Beilagen hatte die Klägerin bislang nur auszugsweise eingereicht. Für den Fall, dass das Kantonsgericht einen Beizug dieser Unterlange zur Wahrung des rechtlichen Gehörs für erforderlich erachten sollte, beantragte die Klägerin, dieses Behältnis mittels Verfügung unter Anordnung geeigneter Schutzmassnahmen gemäss Art. 179 ZPO GL zu öffnen. Mit Verfügung vom 2. April 2013 verfügte der a.o. Kantonsgerichtspräsident, dass er die Beilagen im verschlossenen Kartonbehältnis ungeöffnet zu den Akten nimmt. Sollte das Kantonsgericht es dereinst für nötig erachten, diese Beilagen einzusehen, wird – so die damalige Mitteilung des Gerichts – gemäss Art. 179 ZPO GL über das Vorgehen der Öffnung des Behältnisses zu entscheiden sein. Zusätzlich reichte die Klägerin mit Schreiben vom 12. April 2013 eine weitere Beilage ein.

Mit Verfügung vom 15. April 2013 setzte der a.o. Kantonsgerichtspräsident den Beklagten Frist für die schriftliche Duplik. Zugleich setzte er der Klägerin Frist, die originalen und vollständigen Kreditdossiers betreffend die Schuldner S.______, T.______, U.______, V.______, W.______ und X.______ einzureichen. Am 6. Juni 2013 kam die Klägerin dem nach und reichte die Kreditdossiers ein, in welche die Beklagten Einsicht erhielten.

Nachdem der a.o. Kantonsgerichtspräsident am 6. August 2013 tödlich verunglückt war, übernahm der im Jahr 2011 neu gewählte Kantonsgerichtspräsident [...] den Vorsitz im vorliegenden Verfahren und in den Nebenprozessen.

Am 20. Dezember 2013 reichte der Beklagte 6, F.______, seine schriftliche Duplik samt Beilage ein. Die schriftliche Duplik der Beklagten 9, I.______, folgte am 23. Dezember 2013 samt Beilagen und weiteren Beweisanträgen. Die Beklagten 3 – 5, C.______, D.______ und E.______ reichten am 3. Januar 2014 ihre schriftliche Duplik samt Beilagen ein. Ebenfalls am 3. Januar 2014 folgten die schriftliche Duplik des Beklagten 7, G.______ und die schriftliche Duplik des Beklagten 8, H.______, samt Beilage und weiteren Beweisanträgen. Am selben Tag reichten auch die Beklagten 1 und 2, A.______ und B.______, ihre schriftliche Duplik samt Beilagen und weiteren Beweisanträgen ein.

Mit Schreiben vom 11. April 2014 reichte die Klägerin eine Triplik ein, samt weiteren Beilagen. Mit Verfügung vom 19. Mai 2014 bewilligte der Kantonsgerichtspräsident den Beizug von Akten, welche die Genehmigung der Geschäftsberichte der Klägerin und die Entlastung der Bankorgane für die Jahre 2005 und 2006 betreffen. Am 26. Mai 2014 stellte das Sekretariat des Landrates dem Gericht die entsprechenden Dokumente zu. Mit Schreiben vom 17. Juli 2014 legte
Rechtsanwalt X.______, der Rechtsvertreter des Beklagten 6, sein Mandat nieder. Am 23. Oktober 2014 stellte das Gericht den Parteien die Triplik der Klägerin und Kopien der edierten Unterlagen zur Kenntnis zu. Zugleich forderte das Gericht die Klägerin auf, den Abschreibungsentscheid des Handelsgerichts [...] in Sachen J.______ gegen die [...] betreffend Feststellung Organhaftpflichtversicherung einzureichen, was die Klägerin am 10. November 2014 denn auch tat. Das Gericht kündigte den Parteien am 23. Oktober 2014 auch an, dass es ab Februar 2015 über die Sache beraten werde. In der Folge reichten die Beklagten 9, der Beklagte 6, die Beklagten 1 und 2 und der Beklagte 7 Quadruplikschriften ein. Am 18. Februar 2015 erklärte der Rechtsvertreter der Klägerin, dass er die Quadruplikschriften nicht mehr erwidern werde.

Das Kantonsgericht fällte am 19. März 2015 das Urteil; es wird begründet eröffnet.

 

 

II. Zu den Parteivorbringen

 

Auf die ausführliche Wiedergabe der Parteivorbringen wird verzichtet und diesbezüglich auf die Eingaben der Parteien verwiesen. Soweit notwendig wird jedoch in den folgenden Erwägungen darauf eingegangen.

 

 

III. Erwägungen

 

1. Situation der Klägerin

Zur Zeit der vorliegend zu beurteilenden Geschehnisse in den Jahren 2005 bis 2007 war die Klägerin (J.______) gemäss Art. 1 Abs. 1 altKantonalbankgesetz (GS IX 3/31/1, aKBG) eine selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit. Sie tätigte als Universalbank die banküblichen Geschäfte (Art. 2 Abs. 1 aKBG). Hinsichtlich des Geschäftsgebietes bestimmten Art. 3 aKBG und Art. 4 Geschäfts- und Organisationsreglement der J.______ GOR übereinstimmend:

1 Das Geschäftsgebiet der Bank umfasst hauptsächlich den Kanton Glarus und die angrenzenden Gebiete.

2 Geschäfte in der übrigen Schweiz und im Ausland [Anm.: sog. Ausserrayongeschäfte] sind zulässig, soweit der Bank daraus keine besonderen Risiken erwachsen und die Zweckerfüllung im Kanton Glarus und den angrenzenden Gebieten nicht beeinträchtigt wird. 

 

Primäres Geschäftsgebiet der Bank war somit der Kanton Glarus und die angrenzenden Gebiete, schützte der Kanton doch die Einlagen der Sparer mit einer Staatsgarantie.

Organe der Klägerin waren gemäss Art. 12 aKBG der Bankrat, die Geschäftsführung und die externe Revisionsstelle.

Dem Bankrat stand die nicht delegierbare Oberleitung der Bank sowie die oberste Aufsicht und Kontrolle der Geschäftsführung zu. Er besorgte alle Angelegenheiten, die nicht nach Gesetz oder Reglement einem anderen Organ der Bank übertragen waren (Art. 15 aKBG und Art. 50 Abs. 1 GOR). Er bestand aus dem Präsidenten und sechs weiteren Mitgliedern (Art. 13 Abs. 1 aKBG). Der Bankpräsident überwachte die Tätigkeit der Geschäftsführung und leitete die dabei erhaltenen Informationen an den Bankrat weiter. Er leitete die Sitzungen des Bankrates (Art. 18 Abs. 1 aKBG und Art. 69 GOR). Die Beklagten 1 – 5 waren ab dem vorliegend massgebenden Jahr 2005 wie folgt Mitglieder des Bankrates):

A.______

B.______

C.______

D.______

E.______

Der Geschäftsführung oblag die gesamte Führung der Geschäfte und die Vertretung der Bank nach aussen. Sie entschied über alle Geschäfte, welche nicht durch die Gesetzgebung oder Reglemente einem andern Organ zum Entscheid übertragen waren (Art. 19 Abs. 1 aKBG). Sie stand unter der unmittelbaren Aufsicht des Bankpräsidenten (Art. 73 Abs. 2 GOR). Zumindest ab dem vorliegend massgebenden Jahr 2005, bis im März 2008, war der Beklagte 6, F.______, Vorsitzender der Geschäftsleitung. Weitere Mitglieder der Geschäftsleitung waren u.a. der Beklagte 7, G.______, und der Beklagte 8, H.______. G.______ war vom vorliegend massgebenden Jahr 2005 bis zu seinem Ausscheiden am 31. März 2009 Mitglied der Geschäftsleitung als Leiter Privatkunden und ab 10. März 2008 bis 1. August 2008 Vorsitzender der Geschäftsleitung a.i.. H.______ wurde von der Klägerin per 1. Oktober 2004 als Leiter Geschäftskundenberatung angestellt. Ab 1. August 2006 bis Ende 2008 war er als Mitglied der Geschäftsleitung Leiter Geschäftskunden. F.______, G.______ und H.______ waren zudem Mitglied des Kreditausschusses der Klägerin.

Als externe Revisionsstelle gemäss Art. 20 Abs. 1 aKBG und Art. 111 f. GOR war in den vorliegend massgeblichen Jahren 2005 bis 2007 die Beklagte 9, I.______, eingesetzt. Sie war zugleich bankengesetzliche Revisionsstelle gemäss Art. 21 Abs. 1 aKBG.

Die Funktion des internen Inspektorats als eine von der Geschäftsleitung unabhängige, interne Revisionsstelle gemäss Art. 22 Abs. 1 aKBG und Art. 113 ff. GOR, war der L.______ (vorliegend Litisdenunziatin) übertragen.

 

2. Vorbringen der Klägerin in der Hauptklage

Die Klägerin behauptet, dass das Ausleihvolumen unter dem Vorsitz des Beklagten 6, F.______, überwiegend mit riskanten Ausserrayonkrediten insbesondere an Unternehmen mit Sitz oder Geschäftsstätigkeit ausserhalb des Kantons Glarus und des angrenzenden Wirtschaftsraums in Form von kommerziellen Blankokrediten massiv ausgeweitet worden sei (Ausserrayongeschäfte). Dieses Vorgehen habe allein in der Jahresrechnung 2008 ein Wertberichtigungsbedarf von CHF 96.8 Mio. verursacht, wovon die Klägerin vorliegend einen Teil geltend mache. Es handle sich um Kreditausfälle von folgenden ausserkantonalen Schuldnern, an welche in den Jahren 2005 bis 2007 Blankokredite, d.h. ohne oder ohne bewertbare Sicherheiten, gegeben worden seien:

S.______

T.______

U.______

V.______

W.______

X.______

Diese Kredite seien unter Missachtung von Art. 3 Abs. 2 aKBG und unter Verletzung der Grundsätze der Blankokreditvergabe gesprochen worden.

Der damalige Bankrat habe sich für eine Strategie des ausserkantonalen Wachstums entschieden, jedoch keine Massnahmen zur Kontrolle der daraus resultierenden erhöhten Risiken getroffen und Ausserrayongeschäfte nicht adäquat geregelt. Es hätten in den Reglementen und Weisungen der Klägerin Leitplanken gefehlt zur Konkretisierung der damit verbundenen „besonderen Risiken“ gemäss Art. 3 aKBG und Art. 4 GOR. Mit ihrer unkritischen und passiven Einstellung hätten die Mitglieder des Bankrates ihre Aufsichts- und Oberleitungspflichten nicht erfüllt und es auch sonst an elementaren Regeln sorgfältiger Unternehmensführung fehlen lassen.

Weiter habe der Bankrat das rasante Wachstum in Form von Ausserrayongeschäften in Missachtung seiner Sorgfaltspflicht nicht kritisch hinterfragt und damit die Einhaltung von Art. 3 aKBG und Art. 4 GOR nicht wirksam überwacht.

Dieses Regelungsdefizit und das Fehlen einer wirksamen Überwachung hätten dazu beigetragen, dass die Beklagten 6 – 8, F.______, G.______ und H.______, als Mitglieder der Geschäftsleitung und des Kreditausschusses gesetzeswidrige Ausserrayongeschäfte mit unzulässig hohen Risiken eingegangen seien. Sie hätten bei den Kreditentscheiden elementare Sorgfaltspflichten und bankübliche Grundsätze verletzt. Insbesondere habe F.______ als Vorsitzender der Geschäftsleitung einen dominanten Führungsstil gepflegt und weitgehend die Geschehnisse der Bank bestimmt, wobei ihn der Bankrat habe gewähren lassen. Dass die Beklagten 7 und 8 als Mitglieder des Kreditausschusses bei den vorliegend massgeblichen Kreditentscheiden jeweils nicht auch die Meinung des CEO vertreten hätten, sei nicht, wie in Art. 83 Abs. 1 GOR vorgesehen, protokolliert. Für den Beklagten 8, H.______, macht die Klägerin Schadenersatz allein für die Zeit ab 1. August 2006, als er Organ der Klägerin gewesen sei, geltend.

Der Bankrat habe zu lange die offenkundigen Fehlentwicklungen und deren Anzeichen nicht erkannt. Auch der vorerwähnte Bericht der internen Revision Nr. hätte den Bankrat alarmieren müssen. Nur die damalige Bankrätin [...], [Anm.: die hernach aus dem Bankrat ausgetreten ist], sei deswegen stark beunruhigt gewesen. Erst am 28. August 2007, am 18. März 2008 und am 16. Dezember 2008 habe der Bankrat in drei Schritten adäquate Regelungen geschaffen, nachdem er – wenn auch zu spät und erst nach kritischen Hinweisen der Eidgenössischen Bankenkommission (nachfolgend „EBK“) – eine Verbesserung selber für notwendig erachtet habe.

Hinsichtlich der personellen Zusammensetzung des Kreditausschusses sei zu erwähnen, dass der Beklagte 6, F.______, weder Führungserfahrung in einer Bank noch Erfahrung im landesüblichen Firmenkreditgeschäft gehabt habe. Er habe dazu geneigt, Risiken zu unterschätzen, was eine enge Kontrolle nahegelegt hätte. Der Beklagte 7, G.______, sei keinem Assessment unterzogen worden. Der Beklagte 8, H.______, habe ein solches erst nach einem Jahr Zugehörigkeit zum Kreditausschuss, vor seiner Ernennung zum Geschäftsleitungsmitglied, durchlaufen. Damit hätten es der Strategie- und Personalausschuss und der Bankrat versäumt sicherzustellen, dass der Kreditausschuss in persönlicher, fachlicher und hierarchischer Hinsicht Gewähr für eine verlässliche Umsetzung der Strategie des ausserkantonalen Wachstums geboten habe. Ein ausgewogen besetzter Kreditausschuss hätte die vorliegend relevanten Kredite jedenfalls nicht gesprochen.

Die damalige Revisionsstelle (Beklagte 9) habe weder das Regelungsdefizit noch die riskante gesetzeswidrige Kreditpraxis erkannt bzw. beanstandet. Sie habe auch zu prüfen versäumt, ob der Bankrat den in Art. 3 Abs. 2 aKBG allgemein formulierten Risikogrundsatz hinreichend konkretisiert hatte. Im Gegenteil habe Sie stets vorbehaltlos bestätigt, dass seitens der Bank alle Gesetze und Reglemente eingehalten würden und dass die Organisation und die verfolgte Risikopolitik angemessen seien. Eine riskante Umsetzung der Strategie stelle jedoch eine Verletzung der Gewähr einer ordnungsgemässen Geschäftstätigkeit bzw. von Art. 3 Abs. 2 aKBG dar. Gesetzesverletzungen seien aber sowohl nach den Vorschriften des OR wie auch des BankG im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Prüfung explizit zu prüfen, was die Beklagte 9 unterlassen habe. Damit habe sie positive, aber grob falsche Prüfurteile abgegeben. Auch habe der Bericht der internen Revision Nr. [...] vom 16. Januar 2006, Bonitätsprüfungen, welcher im Anhang bei etlichen geprüften Kreditpositionen Mängel aufgezeigt habe, bei der externen Revisionsstelle keine Reaktion ausgelöst. Nur schon aufgrund dieses Berichts hätte sie sich Gewissheit darüber verschaffen müssen, ob das Wachstum gesund gewesen sei oder durch Engagements mit erhöhten Risiken erzielt worden sei. Erst mit dem Revisionsbericht vom 7. November 2007 habe sich dies geändert, als der Schaden bereits weitestgehend angerichtet gewesen sei. Hätte die Revisionsstelle sämtliche Vorgaben, insbesondere die beiden Rundschreiben der EBK zum Vorgehen bei der Prüfung von Banken- und Effektenhändlern (EBK-RS 05/1) und zur Berichterstattung (EBK-RS 05/2) eingehalten, hätte sie die Verletzung von Art. 3 aKBG und Art. 4 GOR und den markant höheren Wertberichtigungsbedarf frühzeitig erkennen können und müssen. Auch habe sie das Kreditausfallrisiko nicht als spezifisches Risiko identifiziert, die Wirksamkeit der Kontrollmechanismen falsch beurteilt und daher mit einer falschen Prüftiefe gearbeitet. Das mangelhafte Limitensystem habe sie ebenso leichtfertig nie beanstandet. Die Prüfurteile seien zu positiv formuliert gewesen. Die erforderlichen Abklärungen hätten ihnen jedenfalls nicht zugrunde gelegen. Damit sei die Beklagte 9 ihren Sorgfaltspflichten bei der Planung und Durchführung der Prüfungen nicht nachgekommen. Zudem sei den Beklagten für die ihnen vorgeworfenen Pflichtverletzungen keine Décharge erteilt worden. Ein solcher Entlastungsbeschluss wirke nämlich nur für bekannt gegebene Tatsachen, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Die von einigen Beklagten erhobene Eventualverrechnung sei abzuweisen, da die Mitglieder des Bankrates der Klägerin gegenüber keine berechtigte Erwartung haben konnten, dass die Organhaftpflicht-Versicherung in jedem Fall leisten werde. Eine Garantie, dass die Versicherung auch leisten würde, habe sie [die Klägerin] jedenfalls nicht abgegeben.

Hinsichtlich der Widerklage ZG.2010.00721 anerkenne sie [die Klägerin] wohl die Forderung des Beklagten 6, halte jedoch an ihrer Verrechnungseinrede fest.

 

3. Vorbringen der Beklagten 1 und 2, A.______ und B.______

Die Beklagten 1 und 2 erklären, dass die von der Klägerin ab Beginn der 2000er-Jahre verfolgte Wachstumsstrategie dem Regierungsrat und dem Landrat des Kantons Glarus bekannt gewesen sei und von diesen auch gutgeheissen worden sei. Dadurch seien der Klägerin in den Jahren 2005 bis 2007 hohe Gewinne angefallen. Erst die nicht voraussehbare Finanzkrise ab dem Jahr 2007 und der daraus folgende allgemeine wirtschaftliche Abschwung hätten dazu geführt, dass die Klägerin auf eingegangenen Kreditengagements habe Wertberichtigungen vornehmen müssen.

Durch die nach ihrem Ausscheiden vorgenommene Änderung des Tätigkeitsfeldes, welches von da an nur noch den Kanton Glarus und die angrenzenden Gebiete umfasst habe, seien nahezu alle Kreditengagements in der übrigen Schweiz aufgelöst worden. Wer nicht habe zurückzahlen können, sei betrieben und in den Konkurs geschickt worden. Sorgfältige Kreditablösungen hätten nicht stattgefunden.

Inwiefern ihre vorgenommenen Handlungen im damaligen Zeitpunkt ungenügend gewesen sein sollten, lege die Klägerin nicht dar. Insbesondere den spezifischen bankenrechtlichen Hintergrund mit seinen umfangreichen gesetzlichen Vorgaben der Aufsichtsbehörde und die unmittelbare Überwachung der Tätigkeiten durch spezialisierte, anerkannte Prüfgesellschaften, blende die Klägerin völlig aus.

Ihre Tätigkeit als Bankräte habe sich auf die Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle sowie auf Grundsatzentscheide zu beschränken gehabt. Als strategisches Organ sei es dem Bankrat und seinen Mitgliedern nämlich verboten gewesen, in die operationelle Geschäftsführung einzugreifen.

Die ihnen gesetzlich und reglementarisch obliegenden Pflichten hätten sie jedenfalls stets nachweislich erfüllt. Solange weder die Geschäftsleitung, die interne Revision noch die bankengesetzliche Revisionsstelle den Bankrat auf Missstände hingewiesen hätten, sei es diesem nicht möglich gewesen, selbst Missstände zu erkennen und entsprechende Massnahmen zu ergreifen, zumal bei Kreditvergaben Fehlentwicklungen nicht sofort offensichtlich seien. Diesen Instanzen und deren Berichten hätten sie vertrauen dürfen. Jedenfalls hätten sie, als erstmals Missstände signalisiert worden sind, sofort reagiert und die erforderlichen Massnahmen ergriffen.

Ein Regelungsdefizit habe jedenfalls nicht bestanden. Insbesondere für das Ausserrayongeschäft habe ein mit Unterstützung von Experten der internen und externen Revisionsstellen erarbeitetes, dichtes Regelwerk von Reglementen und Weisungen bestanden.

Durch ihr Verhalten sei ohnehin kein Schaden entstanden. Im Zusammenhang mit der Regelung des Ausserrayongeschäfts hätten sie auch keine Pflichtverletzungen begangen und treffe sie kein Verschulden. Auch fehle ein Kausalzusammenhang zwischen einem – bestrittenen – pflichtwidrigen Verhalten und einem angeblichen Schaden. Ohnehin sei den Bankorganen für die Jahre 2005 und 2006 Décharge erteilt worden, was allfällige Schadenersatzansprüche der Klägerin für die Geschäftstätigkeit dieser Jahre ausschliesse. Jedenfalls sei die vorliegende Klage nicht genügend substantiiert. Zudem sei die Forderung der Klägerin aufgrund der öffentlich-rechtlichen Natur des Rechtsverhältnisses verjährt. Schliesslich brächten sie bei ganz oder teilweiser Gutheissung der Klage eine Gegenforderung in entsprechender Höhe zur Verrechnung.

 

4. Vorbringen der Beklagten 3 – 5, C.______, D.______ und E.______

Die Beklagten 3 – 5 erklären, sämtliche Beweisofferten seien völlig unsubstantiiert und würden den von der Glarner Zivilprozessordnung gestellten Anforderungen nicht genügen. Auch seien weder ein Schaden noch ein Kausalzusammenhang substantiiert behauptet und nachgewiesen. Die mit der Replik neu eingereichten Beweismittel seien verspätet und daher aus dem Recht zu weisen oder nicht zu beachten. Jedenfalls anerkenne selbst die Klägerin, dass in der Bildung von Rückstellungen noch lange kein Schaden liege.

Der von der Klägerin behauptete Wertberichtigungsbedarf von CHF 96.8 Mio. habe nicht allein aus dem Ausserrayongeschäft resultiert. Ein Regelungsdefizit bezüglich der Ausserrayongeschäfte habe nicht bestanden, zumal der Annex Geschäftskunden zur Risikopolitik zahlreiche weitere Vorgaben der Kreditgewährung auch für Ausserrayonkredite enthalten habe. Insbesondere habe Art. 3 Abs. 2 aKBG keiner besonderen Konkretisierung bedurft. Weder die Eidgenössische Bankenkommission EBK noch die Revisionsstellen oder der Landrat als Aufsichtsinstanz hätten solches verlangt. Diese hätten im Gegenteil weder die Strategie der Klägerin noch die Kompetenzordnung je beanstandet oder etwaige Mängel festgestellt. Nach dem nachgewiesenen Willen des Gesetzgebers habe die Kreditgewährung vielmehr in der ganzen Schweiz nach einheitlichen Kriterien erfolgen dürfen. Jedenfalls sei die Kreditvergabe wirksam überwacht worden. Gesetzeswidrige Ausserrayongeschäfte seien nicht eingegangen worden.

Weiter habe in den betreffenden Jahren keinerlei Veranlassung bestanden, die Berichte und Stellungnahmen der bankenrechtlichen Revisionsstelle (Beklagte 9) und der internen Revision anzuzweifeln. Sie hätten im Gegenteil darauf vertrauen dürfen, zumal die bankenrechtliche Revisionsstelle noch im Jahre 2007 ausgedehnte Bonitätsprüfungen vorgenommen habe. Allfällige Fehlentwicklungen seien für sie nicht erkennbar gewesen.

Jedenfalls seien mit dem Ausbau des Ausserrayongeschäfts in den Jahren 2004 bis 2006 Rekordergebnisse erzielt worden. Dabei sei in den Geschäftsberichten klar auf die Ausdehnung und Erhöhung des ausserkantonalen Engagements, welches im Übrigen nicht grundsätzlich problematisch sei, hingewiesen worden.

Ferner hätten der Kreditausschuss und das Reporting ordnungsgemäss funktioniert. Der Vorwurf, dass der Kreditausschuss unausgewogen zusammengesetzt gewesen sei, stimme nicht. Sämtliche Mitglieder hätten über eine höhere allgemeine kaufmännische Ausbildung und über Erfahrung verfügt. Ihre einschlägigen Qualifikationen seien über alle Zweifel erhaben gewesen. Mit dem Kreditausschuss als Gremium sei gerade das ausgeschlossen worden, was die Klägerin stets behaupte, nämlich, dass der Beklagte 6, F.______, eine dominante Stellung hätte ausüben können. Sämtliche Mitglieder des Kreditausschusses seien gleichberechtigt gewesen.

Der Bankrat habe jeweils sämtliche Monats- und Quartalsabschlüsse besprochen. Von Ahnungslosigkeit könne somit keine Rede sein. Die interne Revision habe jedoch in keiner Art und Weise Alarm geschlagen, sondern gezielt Verbesserungsvorschläge gemacht. Insbesondere habe sie in den Jahresberichten 2005 vom 16. Januar 2006 und 2006 vom 8. Januar 2007 bestätigt, dass die Risikokonzentration im Kreditgeschäft angemessen gewesen sei, überwacht und rapportiert werde und dass die getätigten Rückstellungen angemessen seien. Die Bankräte hätten sich in guten Treuen darauf verlassen dürfen, dass die bankengesetzliche Revisionsstelle (Beklagte 9) ihre Prüftätigkeit lege artis und unter uneingeschränkter Beachtung sämtlicher einschlägiger Vorschriften und Regeln ausübe und sich auf deren Beurteilungen verlassen dürfen, zumal irgendeine Fehlerhaftigkeit in keiner Art und Weise erkennbar gewesen sei. Auch seien sie in keiner Weise einfach passiv gewesen. Erst mit dem Bericht der Beklagten 9 vom 9. November 2007 habe der Bankrat erstmals davon Kenntnis erhalten, dass Kreditengagements in einem Missverhältnis zur Ertragslage stehen würden, worauf der Bankrat unverzüglich reagiert habe, indem er die Limite für Ausserrayonkredite von CHF 10 Mio. auf CHF 7 Mio. gesenkt habe.

Weiter bestreiten die Beklagten 3 – 5 den Vorwurf der Sorgfaltspflichtverletzung bzw. der Missachtung anerkannter Grundsätze der Kreditvergabe. Sie hätten sich darauf verlassen dürfen, dass die Mitglieder der Geschäftsleitung auch bei der Kreditvergabe stets die gebotene Sorgfalt walten lassen würden, zumal die Kreditvergabe eine operative Tätigkeit sei und keine strategische Aufgabe des Bankrates. Sie selbst hätten jederzeit und in allen Belangen die zumutbare Sorgfalt und Aufmerksamkeit walten lassen.

Schliesslich sei das interne Verhältnis zwischen der Klägerin und den Beklagten 3 – 5 zweifellos öffentlich-rechtlicher Natur gewesen, womit weder das Obligationenrecht noch das Bankgesetz direkt gelte. Dabei habe der Gesetzgeber in Art. 2 Abs. 1 lit. d Staatshaftungsgesetz des Kantons Glarus (GS II F/2), welches auch auf die J.______ Anwendung finde, die Haftung auf grobfahrlässige Pflichtverletzung begrenzt (Art. 16), bei grober Fahrlässigkeit die Solidarität ausgeschlossen (Art. 18) und eine einjährige Verwirkungsfrist seit Kenntnis des Schadens festgelegt (Art. 22 Abs. 1). Kenntnis des Schadens habe bei der Klägerin spätestens Ende des Jahres 2008 bestanden. Da sie das Vermittlungsbegehren erst am 4. Februar 2010 gestellt habe, habe sie allfällige Ansprüche verwirkt.

Auch habe der Landrat den verantwortlichen Organen gemäss Art. 23 lit. g aKBG Décharge für die Jahre 2005 und 2006 erteilt und die betreffenden Jahresrechnungen und Geschäftsberichte genehmigt. Damit seien allfällige Verantwortlichkeitsansprüche gegen die Beklagten 3 – 5 betreffend die Geschäftsjahre 2005 und 2006 ohnehin untergegangen.

Ferner würden sie Eventualverrechnung erklären mit einer Schadenersatzforderung von je CHF 20 Mio. Sie hätten nämlich davon ausgehen können, dass sie als damalige Organe der Klägerin bei der [...] für eine Versicherungssumme von je CHF 20 Mio. versichert gewesen seien (Organhaftpflicht). Der Untergang der Ansprüche aus diesem Versicherungsvertrag habe ausschliesslich die Klägerin zu vertreten.

Erkenne das Kantonsgericht vorliegend einen Schadenersatzanspruch der Klägerin, sei dieser in Ausübung pflichtgemässen Ermessens im Sinne von Art. 4 ZGB vollständig herabzusetzen, sei doch ihre Bankratstätigkeit zumindest bis in das Jahr 2006 de facto ein blosses Ehrenamt mit einer äusserst bescheidenen Entschädigung gewesen. Auch der aus der angeblich unzulässigen Strategie angefallenen Gewinne der Vorjahre, welche die vorliegend geltend gemachte Klagesumme sicher überschritten, müssten dem vorliegend geltend gemachten Schaden angerechnet werden.

 

5. Vorbringen des Beklagten 6, F.______

Der Beklagte 6 erklärt, die Klägerin habe die verlangte Aktenedition grösstenteils unterlassen, obwohl sie mit Verfügung des a.o. Kantonsgerichtspräsidenten vom 26. Juni 2012 explizit dazu aufgefordert worden sei. Die edierten Kreditdossiers stellten zudem lediglich eine unvollständige Zusammenstellung von Kopien dar und keine Originale, wie verlangt. Die Edition sämtlicher Berichte der internen und externen Revision verweigere sie ganz. Damit seien das rechtliche Gehör, der Grundsatz der Waffengleichheit und die Mitwirkungspflichten verletzt, was im Ergebnis einer Beweisvereitelung gleichkomme.

Weiter habe die [...] selbst im Jahre 2003 mit der Totalrevision des Gesetzes über die J.______ eine neue Ära eingeleitet, um weiter wachsen zu können. Diese neue Strategie habe auch auf die Erschliessung neuer, ausserkantonaler Märkte gezielt. Entsprechend sei denn auch in Art. 3 aKGB das Geschäftsgebiet neu formuliert worden (s. Kap. III. Ziff. 1 vorstehend).

Von Anbeginn seiner Anstellung an als Vorsitzender der Geschäftsleitung (CEO) sei die geschäftspolitisch einzuschlagende Richtung vorgegeben gewesen: Der Tenor habe auf Expansion und Wachstum gelautet. Da innerhalb des Kantons Glarus kein grosses Wachstumspotential zu vertretbaren Risiken mehr vorhanden gewesen sei, habe die Klägerin anfangs des Jahres 2003 basierend auf dem neuen Kantonalbankgesetz „bottom up“ eine neue Strategie erarbeitet. In diesen Prozess seien sowohl der Bankrat, als auch die Geschäftsleitung und die Mitarbeiter der einzelnen Geschäftsbereiche involviert gewesen. Dieser, auch durch den Bankrat abgesegneten Strategie, habe er sich als Arbeitnehmer verpflichtet gefühlt und stets danach gehandelt. Er habe dabei seine schwierige Aufgabe als neuer CEO in guten Treuen angetreten und nach bestem Wissen und Gewissen wahrgenommen. Unter seiner Leitung habe der Bankrat gemäss Art. 15 lit. a KBG und Art. 19 Abs. 2 aKBG ein Organisationsreglement (GOR) erlassen, welches am 1. Januar 2004 in Kraft getreten sei. Damit seien bestehende Lücken und Unzulänglichkeiten in der bisherigen Organisations- und Führungsstruktur der Klägerin behoben worden.

Die damalige Kreditpolitik habe im Einklang mit den damals geltenden gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen gestanden und sei von der Geschäftsleitung, vom Bankrat, von der internen Revision und der bankenrechtlichen Revisionsstelle mitgetragen und für einwandfrei befunden worden. Vom gesamten Kreditvolumen der Bank seien lediglich eine Minderzahl sogenannte Blankoengagements gewesen. Aber selbst diese seien zulässig und im Ermessen der Bank gewesen.

Er selbst sei in die Kreditgeschäfte einzig durch seine Mitgliedschaft im Kreditausschuss involviert gewesen und habe sich stets im Rahmen seiner Kompetenzen bewegt, als CEO aber keine unmittelbare Kompetenzen im Bereich der Kreditrisikopolitik gehabt. Im Kreditausschuss selbst habe stets eine kritische Diskussionskultur geherrscht, wobei sich auch die weiteren Mitglieder zu ihm ebenbürtig eingebracht hätten. Von Dominanz seiner selbst habe keine Rede sein können.

K.______ habe als leitende Risikomanagerin der Klägerin laufend sämtliche Organe mit aktuellen Zahlen und Statistiken über Erträge und Risiko orientiert. Dabei sei stets zum Ausdruck gekommen, dass die ausserkantonalen Geschäfte ein kleines Risiko darstellen würden, aber höhere Erträge brächten als die kantonalen Geschäfte. Diese Berichte seien jeweils von der internen und der bankenrechtlichen Revisionsstellen geprüft und nie beanstandet worden.

Ein regulatorisches Defizit, wie es die Klägerin behauptet, habe nicht bestanden. Mit dem Grundsatzpapier Kreditrisikopolitik der J.______ vom 15. September 2003, der Kompetenzordnung der L.______ vom 1. Mai 2005 und den entsprechenden Weisungen seien die Kompetenzen eingehend geregelt gewesen, zumal auch die EBK in den Jahren 2002 bis 2007 nie wegen erhöhten Risiken eingeschritten sei. Aber auch wenn ein Regelungsdefizit bestanden haben sollte, wäre eine Pflichtverletzung zu verneinen, habe er im fraglichen Zeitraum nie Anlass dazu gehabt, von einer nicht genügenden Regelung des Ausserrayongeschäfts auszugehen. Im Übrigen hätten er und auch die übrigen Verantwortungsträger sich im Kreditgeschäft stets an die gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Bestimmungen gehalten.

Weiter habe der Landrat den verantwortlichen Organen der Klägerin für die Geschäftsjahre 2005 und 2006 Décharge erteilt, im Wissen um die Strategie der Bank und das Anwachsen des Kreditvolumens ungedeckter Kredite. Dadurch seien allfällige Schadenersatzansprüche aufgrund seiner Handlungen oder Unterlassungen in diesen Jahren untergegangen.

Auch sei der Bericht der Revisionsgesellschaft Y.______ vom 3. Juli 2008 zur Prüfung einzelner, von der Klägerin willkürlich gewählter Kreditgeschäfte, gerade in einer Zeit erfolgt, als der neue Bankrat sich von der damaligen Wachstumsstrategie abgewendet habe und den Fokus wieder auf das Kantonsgebiet gerichtet habe. Dabei habe sich die Y.______ genötigt gesehen, neu zu Beanstandendes finden zu müssen und die Geschäftspolitik der ehemaligen Bankleitung zu diskreditieren, zumal sie unter hohem politischen Druck seitens der Regierung des Kantons Glarus gestanden habe. Es handle sich dabei um ein reines Gefälligkeitsgutachten, zumal bezeichnenderweise die aufgrund dieses Berichts vorgenommenen Rückstellungen nur wenige Jahre darauf praktisch wieder vollständig aufgelöst worden seien.

Der Umstand, dass sein Name in den lokalen und nationalen Medien derart verbreitet und mit dem überhöhten Rückstellungsbedarf erwähnt worden sei, habe ihm einen hohen finanziellen Schaden und auch einen Reputationsschaden zugefügt. Sein wirtschaftliches Fortkommen sei dadurch stark erschwert, ein neuer Stellenantritt praktisch unmöglich.

Schliesslich sei gar kein Schaden entstanden, zumal in den Jahren 2010 und 2011 ein bedeutender Teil der Rückstellungen wieder hätten aufgelöst werden können und auch die angefallenen Vorteile der Expansionsstrategie anzurechnen seien. Überhaupt habe die unerwartete Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2007 und 2008 massgeblich zum behaupteten Schaden beigetragen, was gebührend zu berücksichtigen sei. Eine Pflichtverletzung könne ihm jedenfalls nicht vorgeworfen werden, stellten doch Geschäftsführungsentscheide, die auf einer angemessenen Informationsbasis beruhen und denen eine ernsthafte Entscheidfindung vorausgeht, selbst dann keine Pflichtverletzung dar, wenn sie sich im Nachhinein als ungünstig erweisen. Zudem seien weder ein Verschulden noch ein adäquater Kausalzusammenhang nachgewiesen.

 

6. Vorbringen des Beklagten 7, G.______

Der Beklagte 7 erklärt, die Klage sei bei der Darstellung des Sachverhaltes einseitig. Insbesondere sei das Umfeld, in dem die Klägerin seit Beginn der 2000er-Jahre tätig gewesen sei, komplett ausgeblendet. Auch habe die Klägerin nur selektiv und auszugsweise die ihr dienlichen Unterlagen eingereicht und zum Teil auch falsch zitiert. Während die Klägerin freien Zugang zu massgebenden Akten habe, habe er, welcher längst nicht mehr bei der Klägerin arbeite, keine Möglichkeit mehr, auf diese Akten zuzugreifen. Damit sei der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art. 29 Abs. 2 BV bzw. Art. 80 ZPO GL verletzt. Von Waffengleichheit könne damit vorliegend nicht die Rede sein.

Auch sei die Klage mangelhaft substantiiert und mache die Klägerin mangelhafte Beweisanträge. Insbesondere zeige sie nicht auf, welche Beiträge zum Schaden die einzelnen Beklagten in zeitlicher und sachlicher Hinsicht geleistet hätten. Wie sich die einzelnen behaupteten Pflichtwidrigkeiten der Beklagten unterscheiden, sei nicht dargelegt. Die Klage sei unzureichend individualisiert und substantiiert, weshalb auf die Klage gar nicht erst eingetreten werden könne.

Überhaupt sei er vorliegend gar nicht passivlegitimiert, da er weder formelles noch faktisches Organ der Klägerin gewesen sei.

Die Wahl der Wachstumsstrategie der Klägerin sei dem [...] und dem [...] bekannt gewesen und von diesen gutgeheissen worden. Daraus hätten denn auch erhebliche Gewinne von bis zu CHF 19.4 Mio. pro Jahr erzielt werden können.

Für den Erlass der Kreditrisikopolitik und für die Regelung des Ausserrayongeschäfts seien ohnehin der Bankrat bzw. die Ausschüsse des Bankrats und nicht er als Leiter Privatkunden zuständig gewesen. Ohnehin habe die Klägerin in den Jahren 2005-2007 über eine angemessene Regelungspolitik mit einer detaillierten Regelung des Ausserrayongeschäfts verfügt, zumal ein professionelles Ratingsystem vorhanden gewesen sei. Weder die interne noch die externe Revision hätten hinsichtlich des damaligen Geschäftsganges irgendwelche Einwände erhoben bzw. geltend gemacht, die Kreditrisikopolitik der Klägerin sei nicht angemessen.

Weiter habe der Kanton Glarus als Eigner der Klägerin die Handlungen der Beklagten genehmigt und den Bankorganen für ihre Tätigkeit in den Jahren 2005 und 2006 Décharge erteilt, was allfällige Schadenersatzansprüche der Klägerin im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Beklagten von vornherein habe untergehen lassen.

Durch seine Handlungen sei der Klägerin gar keinen Schaden entstanden. Jedenfalls stellten Wertberichtigungen oder Rückstellungen noch keinen Schaden dar. Eine Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Regelung des Ausserrayongeschäfts und der Kreditvergabe habe er nicht begangen. Die Klägerin habe nirgends substantiiert dargetan, dass die betreffenden Kredite in Verletzung der damals bestehenden internen Regelungen ergangen seien, zumal die damalige Sicht der Dinge massgebend sein m.se und nicht die nachträgliche Betrachtung von heute. Die Gerichte müssten Zurückhaltung üben und insbesondere darauf verzichten, ihr eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen von Bankrat und Geschäftsleitung zu setzen. Das Ausserrayongeschäft sei jedenfalls nicht mangelhaft geregelt gewesen, ein Regelungsdefizit habe nicht bestanden. Aber auch wenn dem so gewesen wäre, wäre dafür sicher nicht er als Leiter Privatkunden verantwortlich gewesen, sondern der Bankrat. Auch fehle es an einem Kausalzusammenhang und fehle ein wie auch immer geartetes Verschulden seinerseits, welches von der Klägerin weder substantiiert noch bewiesen worden sei. So beruhten die von der Klägerin vorgenommenen Wertberichtigungen nicht auf pflichtwidrigen Handlungen der Bankorgane, sondern auf Ausfällen, welche jedem Kreditgeschäft inhärent seien.

Eine im Rahmen der differenzierten Solidarität gemäss Art. 759 OR notwendige Unterscheidung der verschiedenen Haftungsvoraussetzungen je Solidarschuldner habe die Klägerin nicht vorgenommen. So seien die angeblichen Schadensbeiträge der insgesamt neun Beklagten nicht substantiiert und individualisiert.

Im Falle einer ganzen oder teilweisen Gutheissung der Klage bringe er eventualiter eine Gegenforderung aus Arbeitsrecht in der Höhe von CHF 20 Mio. zur Verrechnung. Da keine gültige Organhaftpflichtversicherung bestehe, obwohl es die Pflicht der Klägerin gewesen wäre, eine solche abzuschliessen, habe sie im Arbeitsverhältnis mit ihm ihre Fürsorgepflicht verletzt.

 

7. Vorbringen des Beklagten 8, H.______

Der Beklagte 8 erklärt, dass die in der Replik erfolgte Klageänderung unzulässig sei, wolle die Klägerin damit doch lediglich ein offensichtliches Versäumnis nachholen.

Die derzeitige allgemeine Wirtschaftslage im Kanton Glarus habe schon zu Beginn der 2000er-Jahre zur Strategie des ausserkantonalen Wachstums geführt. Die Wahl dieser neuen Strategie sei vom damaligen Bankrat in einem engen Austausch [...] und dem [...] beschlossen worden und sei auch der Öffentlichkeit ohne weiteres bekannt gewesen.

Zu Beginn der 2000er-Jahre habe bei der Klägerin im Bereich der Risikopolitik ein erhebliches Regelungsdefizit bestanden, welches in der Folge aber sukzessive behoben worden sei. Danach sei das Kreditgeschäft angemessen geregelt gewesen. In jener Zeit sei insbesondere auch das Kreditrisikomanagement den modernen Grundsätzen angepasst worden, welche noch heute Anwendung fänden. So seien Grundsätze der Kreditrisikopolitik, ein Geschäfts- und Organisationsreglement sowie ein Annex Geschäftskunden zur Kreditrisikopolitik erarbeitet worden, ergänzt durch ein professionelles Ratingsystem. Jedenfalls hätten weder die interne noch externe Revision oder die EBK irgendwelche Einwände erhoben oder geltend gemacht. Entsprechend habe auch er zu keiner Zeit die Veranlassung gehabt, an der Kreditrisikopolitik der Klägerin zu zweifeln.

Die Beschlüsse zur Kreditvergabe seien anlässlich der Sitzungen des Kreditausschusses gefällt worden. Dieser habe sich an den Vorgaben orientiert, welche der Bankrat zur Kreditrisikopolitik gemacht habe. Mit der Kreditrisikopolitik selbst habe sich der Kreditausschuss hingegen nicht befasst.

Als er seine Stelle bei der Klägerin angetreten habe, seien die Wachstumsstrategie und die Kreditrisikopolitik längst verabschiedet und umgesetzt gewesen. Er habe lediglich die bestehende Strategie im Rahmen der Anordnungen des CEO umzusetzen gehabt. Als er schliesslich per 1. August 2006 zum Bereichsleiter Geschäftskunden ernannt worden sei, seien die vorliegend im Streit liegenden Kredite im Grundsatz bereits gesprochen gewesen. Überdies sei er als Bereichsleiter nie Mitglied der Geschäftsleitung gewesen.

Bereits zu Beginn seiner Tätigkeit bei der Klägerin habe er erfahren, dass gewisse Kredite zur Finanzierung von Start-Up-Gesellschaften und zur Sanierung in einem besonderen Verfahren, unter Auslassung des übrigen Kreditteams, zugesprochen worden seien. Dabei habe der CEO für sich in Anspruch genommen, Unternehmen in solch besonderen Situationen besonders kompetent beurteilen zu können. Obwohl ihm auch in diesen Fällen die Kreditvorlagen wie üblich zur Genehmigung vorgelegt worden seien, habe er aber keine eigentliche Entscheidkompetenz gehabt, sondern sei die Finanzierung bei Widerspruch vom CEO „befohlen“ worden, was im Übrigen im Einklang mit dem GOR gestanden habe. Dennoch habe er zahlreiche Verbesserungen bei der Organisation des Kreditwesens vorgeschlagen und gegen die umstrittene Geschäftsführung interveniert.

Der Umstand, dass bei der Klägerin Stützmassnahmen notwendig geworden seien, sei zudem nicht auf den Anstieg der Kreditausfälle zurückzuführen, sondern auf die Finanzkrise in den Jahren 2007 und 2008.

Als Arbeitgeberin habe die Klägerin zudem ihre Fürsorgepflicht verletzt. So habe er darauf vertrauen dürfen, dass für die Abwehr von Forderungen eine Versicherungsdeckung bestehen würde, falls er wider Erwarten mit Verantwortlichkeitsansprüchen konfrontiert werden sollte. Dies habe ihm die Klägerin schriftlich bestätigt.

Weiter richte sich gemäss Art. 28 aKBG im Innenverhältnis die Haftung der Angestellten nach Art. 321e OR, was auch für ihn gelte, habe er doch in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zur Klägerin gestanden, was sogar dann gälte, wenn er Mitglied der Geschäftsleitung gewesen wäre. Sein geringes Verschulden habe dabei den Wegfall oder zumindest eine erhebliche Reduktion der Schadenersatzpflicht zur Folge.

Zudem sei er bei der Klägerin weder formelles noch materielles oder faktisches Organ gewesen, habe auch keine Geschäftsleitungsfunktionen ausgeübt und sei deshalb vorliegend gar nicht passivlegitimiert. Die Klägerin beweise in keiner Art und Weise, dass ihm Aufgaben und Kompetenzen im Bereich der Geschäftsleitung übertragen worden wären und dass er solches wissentlich und willentlich angenommen hätte. Ein Bestellungsakt durch den Bankrat habe die Klägerin weder eingereicht noch angerufen.

Aber selbst wenn er Mitglied der Geschäftsleitung gewesen wäre, wäre er nicht befugt gewesen, Reglemente zu erlassen. Diese Kompetenz sei dem Bankrat vorbehalten gewesen. Und selbst wenn diese Kompetenz an die Geschäftsleitung delegiert worden wäre, hätte die alleinige Entscheidkompetenz beim CEO gelegen, welcher gemäss GOR abschliessend habe entscheiden können.

Weiter habe der Kanton Glarus als Eigner der Klägerin die Handlungen der Beklagten genehmigt und den Bankorganen für ihre Tätigkeit in den Jahren 2005 und 2006 Décharge erteilt, was allfällige Schadenersatzansprüche der Klägerin im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Beklagten von vornherein habe untergehen lassen. Die Gleiche Wirkung habe gehabt, dass der Kanton Glarus als Eigner Organhandlungen toleriert habe, welche normalerweise Schadenersatzansprüche nach Art. 754 OR begründen würden, zumal der Kanton Glarus mit mehreren Vertretern im Bankrat vertreten gewesen sei und die Bankprüfungskommission aus Landräten bestanden habe.

Selbst wenn er dem aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsrecht unterläge, könnte ihm keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden. Weder habe es zu seinen Pflichten gehört, das Ausserrayongeschäft zu regeln noch habe er gegen bankinterne Richtlinien verstossen oder Unsorgfalt bei der Kreditvergabe walten lassen, zumal er sich gegen sämtliche vorliegend in Frage stehenden Kredite zur Wehr gesetzt habe. Zudem sei der Klägerin gar kein eigentlicher Schaden entstanden, da in jedem Fall auch die Vorteile der ausserkantonalen Wachstumsstrategie, nämlich die Vorteile aus den kritisierten Kreditgeschäften und auch aus den weiteren Geschäften, anzurechnen seien. Jedenfalls würden Wertberichtigungen noch lange kein Schaden bedeuten. Auch ein allfälliger Kausalzusammenhang zwischen einer angeblichen Pflichtverletzung und dem angeblichen Schaden habe die Klägerin nicht bewiesen. Ein allfälliges Verschulden habe die Klägerin auch nicht individualisiert und substantiiert nachgewiesen. Auch die angeblich differenzierte solidarische Haftbarkeit begründe die Klägerin nicht.

Sollte schliesslich eine Schadenersatzpflicht bejaht werden, brächte ihn dies in eine finanzielle Notlage, weshalb der dann zuzusprechende Schadenersatz nach Art. 44 Abs. 2 OR auf zwei Monatslöhne zu beschränken wäre. Richtigerweise müsste gar das grobe Selbstverschulden des Landrats und des Bankrats zur Unterbrechung des Kausalzusammenhangs führen. Eventualiter mache er zudem die Verrechnung mit einer Gegenforderung aus Arbeitsvertrag wegen Verletzung der Fürsorgepflicht der Klägerin in der Höhe von mindestens CHF 20 Mio. geltend.

 

8. Vorbringen der Beklagten 9, I.______

Die Beklagte 9 erklärt, sie sei am 28. April 2004 als aktienrechtliche und bankengesetzliche Revisionsstelle der Klägerin gewählt worden zu einem Zeitpunkt, als die Klägerin ihre Wachstumsstrategie im angrenzenden Wirtschaftsraum und die Neuregelung der Kreditvergaben bereits verabschiedet habe. Der Leitende Revisor, [...], sei bereits damals ein erfahrener Bankenrevisor gewesen. Er habe den CEO der Klägerin zuvor nicht gekannt.

Den Umfang der Prüfungen habe sie aufgrund der gesetzlichen Vorschriften festgelegt. Hinsichtlich Art. 3 Abs. 2 aKBG [Geschäftsgebiet] hätte sie nur eine sehr summarische Prüfung durchzuführen gehabt, d.h. nur ganz krasse und offensichtliche Verstösse zu rügen. Die Risikoanalyse habe sie jeweils vor Beginn der Revisionsarbeiten mit der internen Revision abgesprochen, deren entsprechenden Arbeiten in die Risikoüberlegungen einbezogen worden seien.

Im Jahre 2003 habe die EBK den im GOR geregelten Kreditvergabeprozess genehmigt. Die Gesamtbankweisung Nr. 2.2.1.03 habe die exakten Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Bereich Geschäftskunden weiter geregelt. Zudem hätten weitere Arbeitsanweisungen, eine Kompetenzordnung sowie eine formulierte Kreditrisikopolitik und dazu ein Annex Geschäftskunden bestanden. Ein separates Team von Spezialisten mit einer breiten Erfahrung habe die Geschäftskunden betreut. Zudem habe die Klägerin mit einem Kreditrating-System gearbeitet, welches den Kreditgewährungs-, Kreditüberwachungs- und auch den Risikomanagementprozess unterstützt habe. All dies habe auch für das Ausserrayongeschäft gegolten, welches damit adäquat geregelt gewesen sei, was die EBK auch nicht beanstandet habe.

Weiter habe sie ihre Arbeit auftragsgemäss erfüllt, wobei zwischen ihr und der internen Revision keine Meinungsunterschiede bestanden hätten. Dabei sei die Klägerin intensiv in alle Prüfungen eingebunden und auch sehr gut informiert gewesen.

Das Kreditgeschäft habe sie gemeinsam mit der internen Revision stets einer vollen Prüfung unterzogen, wobei sie sich schwerpunktmässig der Organisation gewidmet habe und die interne Revision die Bonitätsprüfungen von Einzelkrediten durchgeführt habe. In den Jahren 2006 und 2007 habe sie zudem Schwerpunktprüfungen gemacht.

Bereits am 13. Januar 2006 habe sie in ihrem Management Letter, welcher auch dem Bankrat zugestellt worden sei, auf die bedeutenden Neugeldzahlungen hingewiesen und die Einführung eines Credit Office vorgeschlagen, was der Bankrat im Anschluss an seiner Sitzung vom 24. Januar 2006 besprochen habe. In ihrem Bericht über die Rechnungsprüfung an den Bankrat vom 27. April 2006 habe sie das Thema wieder aufgegriffen und auf die bedeutenden Engagements ausserhalb des Kerngebietes der Bank hingewiesen, worauf der Bankrat am 22. August 2006 seine Strategie ergänzt habe. Auch im Risikobericht per 31. Dezember 2006 habe sie nochmals auf die massive Zunahme in den Ausleihungen hingewiesen, ebenfalls im Management Letter vom 3. Januar 2007. Der Bankrat sei sich damit des Wachstums des Ausserrayongeschäfts in Umsetzung seiner Strategie sehr wohl bewusst gewesen und habe dafür auch die Verantwortung getragen.

Die Kreditlimiten in den Jahren 2005 und 2006 seien den damaligen Umständen angepasst gewesen. Erst als der Kreditbereich stark expandiert habe, seien die Limiten anzupassen gewesen, was jedoch eine strategische Aufgabe des Bankrats gewesen sei und nicht der Revisionsstelle.

Als das Wachstum weiter angehalten habe, habe sie zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Geschäftszweig im Sinne einer Schwerpunktprüfung näher angeschaut werden müsse. Dies sei zeitlich mit den Erkenntnissen der EBK zusammengefallen, welche festgestellt habe, dass verschiedene Kantonalbanken ihre Kreditvergaben stark ausgeweitet hätten und welche die damit verbundene Problematik näher habe untersucht haben wollen.

Noch im Jahre 2007 habe der Bankrat zwar die Kreditlimiten geändert, aber an seiner Expansionspolitik festgehalten. Erst im Jahre 2008, als die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung einen anderen Kurs genommen habe, habe der Bankrat seine Strategie geändert, was jedoch weder für sie noch für den Bankrat oder für die interne Revisionsstelle vorauszusehen gewesen sei.

 

9. Vorbehalt von Mehrforderungen

Die Klägerin macht vor Kantonsgericht nur einen Teil ihres angeblichen Anspruchs geltend, ohne auf den restlichen Anspruch verzichten zu wollen (Rechtsbegehren).

Die Zivilprozessordnung des Kantons Glarus erwähnt die Teilklage nicht. Aus der Dispositionsmaxime ergibt sich, dass einer Partei weder mehr noch anderes zugesprochen werden darf, als sie selbst verlangt, noch weniger, als die Gegenpartei anerkennt (Art. 76 Abs. 1 ZPO GL). Daraus ergibt sich die Zulässigkeit der Teilklage ohne weiteres. Somit bestimmt die Klägerin allein, was und wie viel sie einklagt. Die materielle Rechtskraft des Urteils erstreckt sich nur auf den eingeklagten Teil. Der Vorbehalt einer Nachklage ist deshalb grundsätzlich nicht erforderlich, im einzelnen Fall aber zwecks Vermeidung von Unklarheit, ob auf den Rechtsanspruch verzichtet wird, empfehlenswert (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 1997, N. 18 zu § 54).

 

10. Klageänderung in der Replik

Nach Art. 89 Abs. 1 ZPO GL kann die klagende Partei bis zum Abschluss des Hauptverfahrens im Rahmen der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts einen andern oder weiteren Anspruch stellen, sofern der neue Anspruch mit dem bisher geltend gemachten in engem Zusammenhang steht. Das Gericht kann die Änderung der Klage ablehnen, wenn durch sie die Rechtsstellung der beklagten Partei wesentlich beeinträchtigt oder das Verfahren ungebührlich verzögert wird (Abs. 2).

Eine Klageänderung wird ermöglicht nicht nur, wenn sich während des Verfahrens neue Tatsachen ereignet haben, sondern auch, damit der Kläger eine während des Verfahrens gewonnene bessere Einsicht in das Streitverhältnis einbringen kann. Es dient der Prozessökonomie, dass ein ergänzter oder berichtigter Tatbestand im gleichen Verfahren beurteilt und die Durchführung einer zweiten Klage vermieden wird. Das Gesetz ermöglicht eine Klage zu ändern, sofern der neue Anspruch mit dem bisher geltend gemachten in engem Zusammenhang steht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Ansprüche dem gleichen Rechtsverhältnis entstammen oder das gleiche Objekt betreffen. Alsdann kann gestützt auf den gleichen Lebensvorgang ein weiterer oder anderer Anspruch als Haupt- oder Eventualbegehren verlangt werden. Eine Klageänderung ist grundsätzlich während des ganzen erstinstanzlichen Verfahrens zulässig (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3 Auflage, Zürich 1997, § 61 N. 1 ff.). Keine Klageänderung bedeutet hingegen die Einschränkung des Rechtsbegehrens. Wie der Kläger das Rechtsbegehren im Sinne eines Verzichts auf den geltend gemachten Anspruch ganz zurückziehen kann, ist es ihm auch erlaubt, das Rechtsbegehren zum Teil fallenzulassen (Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, Zürich 1979, S. 235).

Im Vergleich zur Eingabe beim Vermittleramt [...] reduzierte die Klägerin mit der Klagebegründung bei Kantonsgericht ihre Forderung gegenüber den Beklagten 1 – 9 insgesamt um pauschal CHF 169'000.— und setzte für den Beklagten 8, H.______, und für die Beklagte 9, I.______, je eine Haftungsobergrenze.

Mit ihrer Replik reduzierte die Klägerin ihre Forderung nochmals um pauschal CHF 2'875'383.— und damit auch die Haftungsobergrenzen für die Beklagten 8 und 9. Mit einem zusätzlichen Eventualbegehren teilte sie zudem die Forderungssummen in Schweizerfranken und EURO auf.

Mit der (mehrfachen) Reduktion der Klagesumme liess die Klägerin einen Teil ihres geltend gemachten Anspruchs fallen, was im Sinne der vorstehenden Ausführungen nicht als Klageänderung, sondern als teilweiser Klagerückzug zu werten ist. 

Das mit der Replik gestellte zusätzliche Eventualbegehren ist als zulässiger anderer Anspruch gemäss Art. 89 ZPO GL zu sehen, zumal es sich auf den gleichen Lebensvorgang und die gleiche Rechtsgrundlage stützt, mithin sich lediglich durch die angegebene Währung und die damit erfolgte Umrechnung vom Hauptbegehren unterscheidet.

Das zusätzliche Eventualbegehren der Klägerin und auch die damit nachträglich erfolgte Aufteilung der Klagesumme in Schweizerfranken und in EURO an sich sind somit zulässig.

 

11. Beweismittel und neue Tatsachen

Nach Art. 194 ZPO GL ist jede Urkunde vollständig vorzulegen. Ein Abdecken von Stellen und damit sinngemäss auch das Erstellen von Auszügen ist nur zulässig, soweit die Stellen für den Prozess unerheblich sind. Eine Geheimhaltung erheblicher Aktenstellen lässt sich nicht auf diese Vorschrift stützen und ist nur zulässig, soweit diesbezüglich eine richterliche Schutzmassnahme angeordnet wird (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 1997, S. 538).

Als Bank im Sinne von Art. 1 BankG (SR 952.0) untersteht die Klägerin dem Bankgeheimnis nach Art. 47 BankG. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer vorsätzlich ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Organ, Angestellter, Beauftragter oder Liquidator einer Bank anvertraut worden ist oder das er in dieser Eigenschaft wahrgenommen hat.

Mit Blick auf diese Bestimmung war die Klägerin verpflichtet, in gewissen Beilagen teilweise Stellen abzudecken oder gewisse Dokumente nur auszugsweise einzureichen. Um zum vorliegenden Ergebnis zu gelangen (vgl. Ziffer 36 nachfolgend), waren diese abgedeckten Stellen jedoch unerheblich und daher die Abdeckung zulässig. Bei den von der Klägerin eingereichten Protokollen ist zudem das protokollierte jeweilige Traktandum vollständig abgedruckt, was kein Raum für unsachgemässe Schlüsse des Gerichts lässt. Im Speziellen bei den massgeblichen Protokollen des Kreditausschusses wären damit protokollierte abweichende Meinungen einzelner Mitglieder gut ersichtlich. Auch das von der Klägerin vorsorglich eingereichte verschlossene und nachträglich nicht geöffnete Behältnis änderte – geöffnet – am Ergebnis der Klage nichts, ebenso wie die von der Klägerin am 11. April 2014 nachträglich eingereichte Stellungnahme mit den damit nachgereichten Beilagen.

Nach Art. 50 ZPO GL haben die Parteien mit der Klagebegründung bzw. mit der Klageantwort die Urkunden einzulegen und sonstige Beweisanträge zu stellen. Nach dem ersten Schriftenwechsel können neue Tatsachenbehauptungen und Beweismittel gemäss Art. 87 ZPO GL nur noch dann eingebracht werden, wenn die Gegenpartei zustimmt, es sich um Tatsachen oder Beweismittel handelt, von denen die Partei glaubhaft macht, dass sie trotz angemessener Tätigkeit nicht rechtzeitig eingebracht werden konnten oder wenn die Tatsachen oder Beweismittel von Amtes wegen zu beachten sind.

Unter weiterer Geltung der Glarner Zivilprozessordnung hätten die Parteien die Möglichkeit gehabt, in einem allfälligen Rechtsmittelverfahren vor Obergericht sämtliche verspäteten Tatsachenbehauptungen und Beweismittel neu einzureichen (Art. 301 Abs. 3 ZPO GL). Vorliegend ist für ein allfälliges Rechtsmittelverfahren jedoch die schweizerische Zivilprozessordnung (CH ZPO) mit Geltung ab 1. Januar 2011 anwendbar (Art. 404 Abs. 1 CH ZPO und Art. 405 Abs. 1 CH ZPO). Gemäss Art. 317 Abs. 1 CH ZPO können im Berufungsverfahren neue Tatsachen und Beweismittel nur noch in Ausnahmefällen berücksichtigt werden, nämlich wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten. Um beim Übergang vom alten zum neuen Recht Härten zu mildern, lässt das Kantonsgericht vorliegend grundsätzlich nach Art. 33 ZPO GL verspätete Tatsachenbehauptungen und Beweiseingaben dennoch zu. Entsprechend verfügte der a.o. Kantonsgerichtspräsident am 26. Juli 2012 und am 15. April 2013, dass vorliegend praxisgemäss Noven bis und mit der Duplik zugelassen sind. Ebenfalls mit Verfügung vom 26. Juli 2012 forderte das Gericht die Klägerin auf, den von den Beklagten jeweils verlangten Editionen, insbesondere mit Bezug auf die einzelnen Kreditgeschäfte, aus Gründen der Prozessökonomie bereits im Rahmen der Replik zu entsprechen bzw. ihre Gründe für eine Verweigerung oder Unmöglichkeit der Edition jeweils einzeln darzulegen. Auch forderte das Gericht die Beklagte 9 auf, den von der Klägerin verlangten Editionen zu entsprechen. Diese Aufforderungen erfolgten unter dem generellen Hinweis, dass eine allfällig ungenügend begründete Verweigerung gemäss Art. 181 Abs. 1 ZPO GL im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden könne.

Wohl mag das von der Klägerin offerierte Einsichtsrecht die Pflicht zur Edition nicht zu ersetzen. Das Prozessrecht begründet nämlich eine umfassende prozessuale Editionspflicht zu Beweiszwecken. Die Editionspflicht findet jedoch ihre Schranken, wenn die betreffenden Urkunden nicht erheblich sind und wenn deren Einreichung nicht tunlich ist oder berechtigte Interessen verletzt würden. Dazu gehört auch das Bankgeheimnis. Erforderlich ist stets eine Abwägung des Einsichtsinteresses einerseits und des Geheimhaltungsinteresses andererseits, wobei zur Wahrung des Geheimhaltungsinteresses Schutzmassnahmen angeordnet werden können (vgl. Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Auflage, Zürich 1997, N. 4 zu vor § 183 ff., N. 1 zu § 183 und N. 2 f. zu § 184). 

Die Klägerin erklärte, grundsätzlich bereit zu sein, den Akteneinsichtsgesuchen nachzukommen, soweit das Bankkundengeheimnis gewahrt werde. Sie forderte die Rechtsvertreter der Beklagten auf, sich dazu direkt an den Leiter ihres Rechtsdienstes zu wenden. Dieser Aufforderung kamen namentlich die Beklagten 1 und 2 samt Rechtsvertreter nach. Anstatt die Akten zu edieren, offerierte die Klägerin Einsicht. Die Beklagte 9 ihrerseits erklärte, dass sich das Editionsbegehren der Klägerin als unbegründet erweise, weshalb deren Gesuch abzuweisen sei. Am Ergebnis (vgl. Ziffer 36 nachstehend) hätten die korrekt erfüllten Editionen der verlangten originalen Kreditdossiers, der Berichte der internen und externen Revision sowie der übrigen verlangten Akten unter den gegebenen Umständen jedoch nichts geändert, zumal die Klägerin den Beklagten zugestanden hat, die entsprechenden Akten persönlich einzusehen. Damit können die Fragen nach der korrekten Erfüllung der Editionspflicht, der Waffengleichheit, des rechtlichen Gehörs und der Verletzung der Mitwirkungspflicht im Prozess offenbleiben.

Die von der Klägerin am 11. April 2014 nachträglich eingereichte Triplik samt Beilagen enthält keine neuen Tatsachen. Die Frage, ob sie zulässig ist und ob die dabei eingereichten Beilagen verspätet sind, kann deshalb offenbleiben. Das gilt auch für die daraufhin eingegangenen Quadrupliken der Beklagten 1, 2, 6, 7 und 9. Das in der Quadruplik des Beklagten 6 formulierte zusätzliche Rechtsbegehren ist als weitere Widerklage zu verstehen. Diese ist jedoch verspätet (Art. 31 Art. 1 ZPO GL), weshalb auf sie nicht einzutreten ist.

 

12. Schriftlichkeit des Verfahrens

Gemäss Art. 47 Abs. 1 ZPO GL i.V.m. Art. 53 und Art. 54 ZPO GL kann das schriftliche Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amtes wegen angeordnet werden. Replik und Duplik sowie allfällige weitere Vorträge erfolgen in einer mündlichen Verhandlung. Ausnahmsweise kann das Gericht auf Antrag einer Partei oder von Amtes wegen statt der Ansetzung einer mündlichen Verhandlung das schriftliche Verfahren fortsetzen.

Mit Einreichung der Klage am 16. Juli 2010 beantragte die Klägerin fristgerecht das schriftliche Verfahren. Nachdem sich die Beklagten 1 – 5 und 7 – 9 diesem Antrag angeschlossen hatten, setzte das Gericht der Klägerin Frist zur schriftlichen Klagebegründung. Nach Abschluss des ersten Schriftenwechsels teilte das Gericht den Parteien mit, dass es, ohne ihren Widerspruch bis am 31. August 2012, davon ausgehe, dass sie auf ihr Recht (gemäss EMRK) für eine mündliche Verhandlung für Replik und Duplik verzichten würden und damit einverstanden seien, dass das Verfahren schriftlich fortgesetzt werde, mit Ausnahme allfälliger mündlicher Beweisverfahren. Bis zum erwähnten Datum liessen sich weder die Klägerin noch die Beklagten dazu vernehmen, weshalb davon auszugehen war, dass sämtliche am Verfahren Beteiligten auf eine mündliche Replik und Duplik verzichteten.

 

13. Anwendbares Recht

Hinsichtlich des anwendbaren Rechts kann vollumfänglich auf die Erwägungen im rechtskräftigen Entscheid des Obergerichts vom 1. Juli 2011 (OG.2011.00004, insb. Ziffer 3.2.) verwiesen werden. Im Ergebnis richtet sich somit das vorliegend massgebende Verantwortlichkeitsrecht der Organe für die Geschäftsführung, Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle sowie der von der Bank ernannten Revisionsstellen nach Art. 39 BankG, welcher integral auf Art. 752 – 760 OR (aktienrechtliches Verantwortlichkeitsrecht) und damit auf privates Recht verweist, auch für Banken mit anderen Rechtsformen als Aktiengesellschaft. Die Mitglieder der Geschäftsleitung unterstehen zudem der arbeitsvertraglichen Haftung nach Art. 321e OR.

Aus Art. 39 BankG ergibt sich, dass auch die von der Bank ernannte aufsichtsrechtliche Revisionsstelle der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit, namentlich Art. 755 OR, untersteht. Die Art. 754 ff. OR sind Teil des allgemeinen Haftpflichtrechts, das aber vom Gesetz einer gesonderten Ordnung unterworfen wird. Deshalb sind die Regeln des allgemeinen Haftpflichtrechts auch im Bereich der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit anzuwenden, sofern das Gesetz nicht eine Ausnahme vorsieht oder sich eine solche aus der Natur der geregelten Materie ergibt (Gericke/Waller, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 2 zu Vor Art. 754 – 761 und N. 4 zu Art. 755 OR).

 

14. Voraussetzungen der Haftung für Geschäftsführung nach Art. 754 OR

Nach Art. 754 Abs. 1 OR sind die Mitglieder des Verwaltungsrates [hier: des Bankrates] und alle mit der Geschäftsführung befassten Personen der Gesellschaft für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen.

Aktivlegitimiert ist die Gesellschaft selbst, vorliegend die Klägerin, passivlegitimiert sind die formellen und materiellen Organe (vgl. Ziffer 15 nachstehend).

Für die Voraussetzung der Verantwortlichkeit der Organe einer Bank gelten die gleichen Grundsätze wie für die Verantwortlichkeit der Organe jeder Aktiengesellschaft (BGE 4C.201/2001). Voraussetzungen einer Haftung nach Art. 754 Abs. 1 OR sind ein Schaden als Folge der Verletzung einer aktienrechtlichen Pflicht eines Gesellschaftsorganes. Pflichtverletzung ist dabei die besondere Form der Widerrechtlichkeit von Art. 41 OR, welche das Recht der Organverantwortlichkeit beherrscht. Unterlassungen sind dann pflichtwidrig, wenn eine spezifische Pflicht zum Handeln besteht. Weitere Voraussetzung ist ein Verschulden. Die Mitglieder des Bankrates und der Geschäftsführung haften für jedes Verschulden, d.h. auch für leichte Fahrlässigkeit, wobei ein objektiver Massstab anzulegen ist. Voraussetzung einer Haftung ist weiter, dass das widerrechtliche und schuldhafte Verhalten des Organs den Schaden verursacht hat, ein adäquater Kausalzusammenhang. Die Bemessung des Schadenersatzes unterliegt den Regeln des allgemeinen Haftpflichtrechts (Gericke/Waller, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 13 ff. zu Art. 754 OR).

Sind für einen Schaden mehrere Personen ersatzpflichtig, so ist nach Art. 759 Abs. 1 OR auch im Aussenverhältnis jede von ihnen insoweit mit den anderen solidarisch haftbar, als ihr der Schaden aufgrund ihres eigenen Verschuldens und der Umstände persönlich zurechenbar ist (sog. differenzierte Solidarität). Der Kläger kann mehrere Beteiligte gemeinsam für den Gesamtschaden einklagen und verlangen, dass der Richter im gleichen Verfahren die Ersatzpflicht jedes einzelnen Beklagten festsetzt (Abs. 2).

 

15. Organe der Klägerin im Sinne von Art. 754 OR

Im Lichte der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit stellt sich die Frage, ob die vorliegend Beklagten überhaupt Organe der Klägerin waren.

Gemäss [...] Abs. 1 OR gehören die Mitglieder des Verwaltungsrates und alle mit der Geschäftsführung oder mit der Liquidation befassten Personen zum Kreis der möglichen Haftpflichtigen, damit die formellen und materiellen Organe. Formelle Organe sind die Mitglieder des Verwaltungsrates, unabhängig davon, ob sie sich mit der Geschäftsführung befassen und ob sie im Handelsregister eingetragen sind. Materielle Organe sind durch gesellschaftsinterne Akte eingesetzte Personen mit üblicherweise reglementarisch umschriebenen, durch Delegation übertragenen Organfunktionen. Faktische Organe hingegen üben ohne entsprechende Delegation Organaufgaben einfach aus. Sie stehen in einem Sonderverhältnis zur Gesellschaft und erfüllen die sich daraus ergebenden Pflichten in eigener Entscheidungsbefugnis. Nur wer an Entscheidungen in einer Weise mitwirkt, die wesentlich über die Vorbereitung der Grundlagenbeschaffung hinausgeht, kann faktisches Organ sein (Gericke/Waller, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 4 ff. zu Art. 754 OR).

Vorliegend entspricht der Bankrat der Klägerin dem aktienrechtlichen Verwaltungsrat. So definieren auch Art. 12 lit. a aKBG und Art. 43 Abs. 1 GOR den Bankrat explizit als formelles Organ für die Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle der Bank. Entsprechend waren die Beklagten 1 – 5 als gewählte Bankräte formelle Organe der Bank und unterstanden damit der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit nach Art. 754 ff. OR.

Art. 12 lit. b GOR und Art. 73 Abs. 1 GOR bestimmen die Geschäftsleitung ausdrücklich als Organ der Bank für die Geschäftsführung. Die Geschäftsleitung bestand gemäss Art. 74 Abs. 1 GOR aus dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung (CEO) und den weiteren, vom Bankrat gewählten Geschäftsleitungsmitgliedern.

Es ist gerichtsnotorisch, dass der Beklagte 6, F.______, in den vorliegend relevanten Jahren 2005 bis 2007, Vorsitzender der Geschäftsleitung (CEO) der Bank war. Zudem weisen sämtliche Geschäftsberichte der vorliegend relevanten Jahre den Beklagten 7, G.______, und den Beklagten 8, H.______, letzteren ab 1. August 2006 bis 1. Januar 2008, als Mitglieder der Geschäftsleitung aus. Auch führte die aufsichtsrechtliche Revisionsstelle in ihrem Bericht über die Aufsichtsprüfung an den Bankrat vom 3. Januar 2007 aus, dass H.______ per 1. August 2006 in die Geschäftsleitung der Klägerin berufen worden sei. In Anbetracht dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die Beklagten 6 – 8 als Mitglieder der Geschäftsleitung zur vorliegend relevanten Zeit materielle Organe der Bank waren und damit – H.______ ab 1. August 2006 – der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit nach Art. 754 ff. OR unterstanden.

 

16. Voraussetzung Schaden im Sinne von Art. 754 OR

Als Schaden gilt die eingetretene Verminderung des Reinvermögens. Er kann in einer Verminderung der Aktiven, einer Vermehrung der Passiven, in entgangenem Gewinn oder in eingetretenem Verlust bestehen und entspricht nach allgemeiner Auffassung der Differenz zwischen dem tatsächlichen Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis (Pflichtverletzung) hätte. Zu berücksichtigen sind der positive Schaden und der entgangene Gewinn (Gericke/Waller, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 13 zu Art. 754 OR; Forstmoser, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, Zürich 1987, S. 73; Böckli, Schweizer Aktienrecht, 3. Auflage, Zürich 2004, § 18 N. 360; Müller/Lipp/Plüss, Der Verwaltungsrat, 4. Auflage, Zürich 2014 S. 337 f.; BGE 4C.292/2003).

In der eigentlichen Verantwortlichkeitsklage nach Art. 754 OR geht es um den sogenannten indirekten Schaden. Das Vermögen der Klägerin hat sich dadurch vermindert, dass das ins Recht gefasste Organmitglied seine rechtlichen Pflichten gegenüber der Gesellschaft als juristischer Person verletzt und dadurch deren Vermögen geschädigt hat. Der relevante Schaden besteht hier in der negativen Veränderung des Gesellschaftsvermögens, wobei die verantwortungsrechtliche Ersatzpflicht nicht für die ganze Vermögensminderung, sondern nur für den vermeidbaren Schaden besteht. Das Organmitglied haftet nie für mehr als den Teil eines Schadens, der bei seiner Pflichterfüllung vermieden worden wäre (Böckli, Schweizer Aktienrecht, 3. Auflage, Zürich 2004, § 18 N. 365 ff.). 

Behauptungs- und Beweislast treffen die Klägerin. Es ist ihre Sache, nicht nur den Schaden zu substantiieren und zu beweisen, sondern vor allem den für die Bestimmung der Ersatzpflicht rechtlich relevanten Schaden herauszuarbeiten. Sie hat den Schaden grundsätzlich zu substantiieren und zu beziffern. Wie weit die anspruchsbegründenden Tatsachen dabei inhaltlich zu substantiieren sind, damit sie unter die massgeblichen Bestimmungen des materiellen Rechts subsummiert werden können, bestimmt das materielle Bundesrecht. Die jeweiligen Anforderungen ergeben sich einerseits aus den Tatbestandsmerkmalen der angerufenen Norm, vorliegend aus Art. 754 OR und Art. 759 OR, und anderseits aus dem prozessualen Verhalten der Gegenpartei. Tatsachenbehauptungen müssen schon im ersten Tatsachenvortrag so korrekt formuliert sein, dass ein substantiiertes Bestreiten möglich ist oder der Gegenbeweis angetreten werden kann. Ein allzu strenger Massstab darf aber an die Substantiierung nicht gestellt werden. Es genügt, wenn die Tatsachen in einer den Gewohnheiten des Lebens entsprechenden Weise in ihren wesentlichen Zügen oder Umrissen behauptet worden sind. Bestreitet der Prozessgegner – wie vorliegend – das an sich schlüssige Vorbringen der behauptungsbelasteten Partei, kann diese gezwungen sein, die rechtserheblichen Tatsachen nicht nur in den Grundzügen, sondern so umfassend und klar darzulegen, dass darüber Beweis abgenommen und die Gegenpartei dagegen ihren Gegenbeweis antreten kann. Es besteht somit die Möglichkeit, Lücken in der Klage in einem zweiten Vortrag zu schliessen, was vorliegend die Klägerin in ihrer schriftlichen Replik vom 27. März 2013 denn auch getan hat. Das Bundesgericht hat sich immer wieder gegen übertriebene Substantiierungsanforderungen der kantonalen Gerichte gewendet und eine vernünftig detaillierte und schlüssige Sachverhaltsdarstellung als genügend erachtet. So sollen die Substantiierungsanforderungen dazu dienen, einen fairen Prozess zu ermöglichen und den Parteien zu ihrem Recht zu verhelfen, und nicht, berechtigte Forderungen mit übertriebenen Anforderungen an die Substantiierung abzuwürgen (BGE 4C.292/2003 und 136 III 322; Fellmann/Kottmann, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bern 2012, Rz 1418 ff.; Dolge, in: Substantiieren und Beweisen, Praktische Probleme, Zürich 2013, S. 22 f. und S. 35).

Bei der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit ist nur der vom einzelnen Beklagten persönlich verursachte Schaden relevant. Entsprechend ist für jeden Beklagten einzeln ein Sockel solidarischer Haftung und allenfalls ein zusätzlicher Betrag individueller Schadenersatzpflicht festzustellen (Gericke/Waller, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 7 zu Art. 759 OR). Die Klägerin muss im Prinzip mindestens den relevanten Schaden für jedes einzelne der haftpflichtigen Organmitglieder gesondert bestimmen und prozessual nachweisen. Gemäss Art. 759 Abs. 2 OR kann die Klägerin jedoch bei mehreren Beklagten einen Gesamtschaden einklagen und vom Gericht verlangen, dass es im gleichen Verfahren für jeden einzelnen Beklagten die Ersatzpflicht – und damit den relevanten Schaden – festsetzt. Dies entbindet die Klägerin davon, die je individuellen Pflichtverletzungen und Schadensbeiträge jedes Beklagten zu bestimmen und zu substantiieren. Die Klägerin hat nach dem „Grobstrahl-Prinzip“ zwar den Gesamtschaden darzustellen und das Zumutbare zur Individualisierung der Schadensbeiträge von Anfang an zu tun, aber die Bestimmung der individuellen Solidaritätsplafonds im „Feinstrahl“ – und damit die vor allem der individuellen Schadensverursachung und Pflichtversäumnisse – ist Sache des Gerichts. An der für die Verhandlungsmaxime kennzeichnenden Substantiierungslast der Klägerin für das Prozessthema als solches und an der Beweislastverteilung ändert das Gesetz dadurch jedoch nichts. Die Klägerin hat nach wie vor in erster Linie den Gesamtschaden zu substantiieren und dafür Beweis anzubieten. Dann liegt es am Gericht, die Mitwirkung sowohl der Klägerin wie im sachlich gebotenen Umfange auch der Beklagten für die Beschaffung der Prozessunterlagen insoweit zu fordern, als die Substantiierung und Beweisanträge für die weitere Entscheidung über die individuelle Ersatzpflicht jedes einzelnen Beklagten nicht ausreichen (Böckli, Schweizer Aktienrecht, 3. Auflage, Zürich 2004, § 18 N. 371 ff. und N. 496 ff.).

Soweit sich Ansprüche – wie vorliegend – auf das Bundeszivilrecht stützen, ergibt sich das anwendbare Beweismass primär aus dem bundesrechtlichen Regelbeweismass, wonach ein Beweis als erbracht gilt, wenn das Gericht von der Richtigkeit einer Sachbehauptung so überzeugt ist, dass allfällige Zweifel als unerheblich erscheinen. Das Bundesgericht spricht von der vollen Überzeugung nach objektiven Gesichtspunkten (Fellmann/Kottmann, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bern 2012, Rz 1442). Nach Art. 42 Abs. 2 OR ist der Schaden grundsätzlich ziffernmässig, also auf Franken und Rappen genau, zu beweisen. Jeder Schaden ist somit nach Art, Umfang und Zeit präzis zu beschreiben und es sind die Grundlagen dieses Schadens im Einzelnen genau zu nennen. Die Klägerin hat dem Gericht in der Regel eine Berechnung des behaupteten Schadens vorzulegen (Fellmann/Kottmann, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bern 2012, Rz 1447 und Rz 1451).

 

16.1. Schadenbegründung der Klägerin

Vorliegend begründet die Klägerin ihren Schaden mit Forderungsausfällen aus Kreditengagements in den Jahren 2005 – 2007 mit der S.______, der T.______, der U.______, der W.______, der X.______ und mit V.______.

 

16.2. Forderungsausfall Kreditengagement S.______

Die Klägerin hat mit der S.______ nachweislich die folgenden Rahmenkreditverträge abgeschlossen:

Rahmenkredit vom 1. Juli 2005 über CHF 0.5 Mio.

Rahmenkredit vom 12. resp. 13. Dezember 2005 über CHF 5.3 Mio.

Rahmenkredit vom 13. März 2006 über CHF 11.7 Mio.

Rahmenkredit vom 25. Oktober 2006 über CHF 16.5 Mio.

wobei der jeweils nachfolgende Rahmenkreditvertrag den vorangehenden ersetzte (siehe Ziffer 13 des jeweiligen Vertrages).

Die ihr daraus gewährten Kredite konnte die S.______ jeweils nach ihrer Wahl wie folgt beanspruchen (siehe Ziffer 2 des jeweiligen Vertrages):

als feste Vorschüsse,

als variable Darlehen und Festdarlehen,

als Margenlimiten (Devisentermingeschäfte) oder Kautionslimiten sowie

in laufender Rechnung (Kontokorrent) in CHF oder in Fremdwährungen.

Im Konkursverfahren über die S.______ machte die Klägerin am 16. Juli 2009 eine detaillierte Forderungseingabe über insgesamt:

CHF          16'000'574.40,

EUR               200'919.96 und

USD            1'788'520.60.

 Diese Forderungseingabe weist die Saldi der verschiedenen Bezüge im Rahmen der beanspruchten Rahmenkredite, aufgelaufene Zinsschulden und Gebühren, detailliert und in den jeweiligen Währungen aus. Sie stimmt zudem überein mit den entsprechenden, von der Klägerin eingereichten Posten- resp. Kontoauszügen. Auch die in ihrer Buchhaltung ausgewiesenen Saldi stimmen damit überein. Nach ständiger Praxis sind die kaufmännische Buchführung und ihre Bestandteile (Belege, Bücher, Buchhaltungsauszüge über Einzelkonten, Bilanzen oder Erfolgsrechnungen) geeignet, Tatsachen von rechtlich erheblicher Bedeutung zu beweisen (BGE 129 IV 130 S. 135). Deshalb und in Anbetracht der vorgenannten Umstände kann nachfolgend davon ausgegangen werden, dass die S.______ die mit der Klägerin geschlossenen Rahmenkreditverträge auch beansprucht hat.

Mit Verfügung vom 15. Januar 2009 wurde über die S.______ der Konkurs eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. Das Konkursverfahren wurde am 6. Juli 2009 mangels Aktiven> eingestellt. Juristische Personen gehen nach einem Konkurs unter, bei ihnen ist grundsätzlich nach Schluss des Konkurses nichts mehr zu holen. Daher werden in der Praxis gegen sie meist auch gar keine Verlustscheine ausgestellt (Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Auflage, Bern 2013, N. 31 zu § 48). Folglich ist nach Schluss des Konkurses über die S.______ von der Uneinbringlichkeit oder Endgültigkeit der Kreditauszahlungen auszugehen. Der Umstand, dass vorliegend am 4. August 2009 der Konkurs über die S.______ wieder eröffnet wurde, ändert daran im Grundsatz nichts. Auch ist davon auszugehen, dass unter den gegebenen Umständen die zur Sicherstellung der Kredite gewährte Solidarbürgschaft von [...] uneinbringlich ist, zumal die Klägerin auch gegen ihn eine Forderung über EUR 359'525.28 offen hat (vgl. Ziffer 16.5 nachstehend).

Der vorliegend behauptete Schaden entstand somit durch die Auszahlung von Geldern in Erfüllung vorgängig vereinbarter Rahmenkredite. Indem diese Gelder bei der S.______ uneinbringlich geworden sind, hat sich das Vermögen der Klägerin im Sinne der vorgenannten Differenztheorie um diese Beträge vermindert.

Die vorliegende Klage ist genügend substantiiert. Nach Art. 39 Ziff. 1 ZPO GL hat die Klagebegründung die bestimmte und vollständige Anführung der rechtserheblichen Tatsachen zu enthalten. Weitere Vorschriften zur Substantiierung der Klagebegründung enthält die Zivilprozessordnung des Kantons Glarus nicht. Auch wenn vorliegend die Klagebegründung auf die Forderungseingabe an das Konkursamt verweist, lässt sich der Streitgegenstand genügend festlegen, zumal die Klägerin vorliegend eine Kopie dieser Forderungseingabe eingereicht hat.

In Anbetracht aller Umstände hat die Klägerin somit aus ihrem Kreditengagement mit der S.______ ein Gesamtschaden von CHF 16'000'574.40, EUR 200'919.96 und USD 1'788'520.60 rechtsgenügend substantiiert nachgewiesen.

 

16.3. Forderungsausfall Kreditengagement T.______

Die Klägerin hat mit der T.______ nachweislich die folgenden Rahmenkreditverträge abgeschlossen:

Rahmenkredit vom 14. November 2005 über CHF 3.5 Mio.

Rahmenkredit vom 22. November 2006 über CHF 4.35 Mio.

wobei der zweite Rahmenkreditvertrag den ersten ersetzte (siehe Ziffer 13 des Rahmenkreditvertrages vom 22. November 2006).

Im Konkursverfahren über die T.______ machte die Klägerin am 16. Juli 2009 eine detaillierte Forderungseingabe über CHF 5'326'944.23.

Mit den entsprechenden von der Klägerin eingereichten Posten- resp. Kontoauszügen ist diese Forderung der Klägerin gegenüber der T.______ im Betrag von CHF 5'061'920.34 nachgewiesen, inklusive aufgelaufene Zinsschulden und Gebühren. Mit der Klägerin ist davon auszugehen, dass sie in der Forderungseingabe die Kapitalschuld mit CHF 5'016'919.49 anstatt CHF 5'061'919.49 falsch beziffert hatte. Die von der Klägerin in der Forderungseingabe zusätzlich geltend gemachten Schuldzinsen von CHF 263'181.49 und die Kreditkommission von CHF 46'843.25 sind nicht ausgewiesen und sind daher nachfolgend auch nicht zu berücksichtigen.

In Anbetracht dieser Umstände kann nachfolgend davon ausgegangen werden, dass die T.______ die mit der Klägerin geschlossenen Rahmenkreditverträge auch beansprucht hat.

Mit Verfügung vom 11. November 2008 wurde über die T.______ der Konkurs eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. Das Konkursverfahren wurde am 29. Januar 2009 <mangels Aktiven> eingestellt. Juristische Personen gehen nach einem Konkurs unter: bei ihnen ist grundsätzlich nach Schluss des Konkurses nichts mehr zu holen. Daher werden in der Praxis gegen sie meist auch gar keine Verlustscheine ausgestellt (Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Auflage, Bern 2013, N. 31 zu § 48). Folglich ist nach Schluss des Konkurses über die T.______ von der Uneinbringlichkeit oder Endgültigkeit der Kreditauszahlungen auszugehen. Der Umstand, dass vorliegend am 18. Februar 2009 der Konkurs über die T.______ wieder eröffnet wurde, ändert daran im Grundsatz nichts, wurde doch das wiedereröffnete Konkursverfahren mit Verfügung vom 26. Januar 2010 wieder als geschlossen erklärt und die Gesellschaft von Amtes wegen gelöscht. Auch ist davon auszugehen, dass unter den gegebenen Umständen die zur Sicherstellung der Kredite bei der Klägerin hinterlegten Rechte und Patente und die von [...] gewährte Solidarbürgschaft sowie das von diesem verpfändete Wertschriftendepot uneinbringlich sind.

Der vorliegend behauptete Schaden entstand somit durch die Auszahlung von Geldern in Erfüllung vorgängig vereinbarter Rahmenkreditverträge. Indem diese Gelder bei der T.______ uneinbringlich geworden sind, hat sich das Vermögen der Klägerin im Sinne der vorgenannten Differenztheorie um diese Beträge vermindert.

Die vorliegende Klage ist genügend substantiiert (vgl. Ziffer 16.2 vorstehend). In Anbetracht aller Umstände ist der Klägerin somit aus ihrem Kreditengagement mit T.______ nachweislich ein Gesamtschaden von CHF 5'061'920.34 entstanden. Der geforderte Mehrbetrag ist nicht nachgewiesen.

 

16.4. Forderungsausfall Kreditengagement U.______

 Die Klägerin hat mit der U.______, vormals [...], am 19. Dezember 2007 nachweislich einen Rahmenkreditvertrag über CHF 1.0 Mio. abgeschlossen.

Im Konkursverfahren über die U.______ machte die Klägerin am 14. September 2009 eine detaillierte Forderungseingabe über CHF 1'121'114.50, inklusive aufgelaufene Zinsschulden und Gebühren.

Mit dem entsprechenden von der Klägerin eingereichten Posten- resp. Kontoauszug ist diese Forderung der Klägerin gegenüber der U.______ in der Höhe von CHF 1'060'911.65 nachgewiesen. Der von der Klägerin in der Forderungseingabe zusätzlich geltend gemachte Kostenvorschuss von CHF 2'000.—, die Forderung aus Kreditkartenbenützung von CHF 16'221'85 und die weiteren Kosten und Spesen von insgesamt CHF 96'736.80 sind nicht ausgewiesen und werden daher nachfolgend auch nicht berücksichtigt.

In Anbetracht dieser Umstände kann nachfolgend davon ausgegangen werden, dass die U.______ den Rahmenkreditvertrag auch beansprucht hat.

Mit Verfügung vom 27. August 2009 wurde über die U.______ der Konkurs eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. Das Konkursverfahren wurde am 4. Februar 2010 <mangels Aktiven eingestellt. Juristische Personen gehen nach einem Konkurs unter: bei ihnen ist grundsätzlich nach Schluss des Konkurses nichts mehr zu holen. Daher werden in der Praxis gegen sie meist auch gar keine Verlustscheine ausgestellt (Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Auflage, Bern 2013, N. 31 zu § 48). Folglich ist nach Schluss des Konkurses über die U.______ von der Uneinbringlichkeit oder Endgültigkeit der Kreditauszahlungen auszugehen. Der Umstand, dass vorliegend am 23. Februar 2010 der Konkurs über die U.______ wieder eröffnet wurde, ändert daran im Grundsatz nichts, wurde doch das wiedereröffnete Konkursverfahren mit Verfügung vom 10. September 2013 wieder als geschlossen erklärt und die Gesellschaft von Amtes wegen gelöscht. Auch ist davon auszugehen, dass unter den gegebenen Umständen die zur Sicherstellung der Kredite geleistete Globalzession sämtlicher gegenwärtiger und zukünftiger Forderungen aus dem Geschäftsbetrieb der U.______ vom 19. Dezember 2007 und auch die Rangrücktrittsvereinbarung vom 19. Dezember 2007 uneinbringlich sind.

Der vorliegend behauptete Schaden entstand somit durch die Auszahlung von Geldern in Erfüllung eines vorgängig vereinbarten Rahmenkreditvertrages. Indem dieses Geld bei der U.______ uneinbringlich geworden ist, hat sich das Vermögen der Klägerin im Sinne der vorgenannten Differenztheorie um diesen Betrag vermindert.

Die vorliegende Klage ist genügend substantiiert (vgl. Ziffer 16.2. vorstehend). In Anbetracht aller Umstände ist der Klägerin somit aus ihrem Kreditengagement mit der U.______ nachweislich ein Gesamtschaden von CHF 1'060'911.65 entstanden. Der geforderte Mehrbetrag ist nicht nachgewiesen.

 

16.5. Forderungsausfall Kreditengagement V.______

Die Klägerin hat mit V.______ am 18. Oktober 2007 nachweislich einen Darlehensvertrag über EUR 350'000.— abgeschlossen. Die Parteien vereinbarten die Rückzahlung zwölf Monate nach Auszahlung.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 mahnte die Klägerin den Darlehensnehmer V.______ und forderte ihn auf, das Darlehen, inklusive sämtlicher aufgelaufener Zinsen, zu diesem Zeitpunkt EUR 359'754.70, bis spätestens 31. Oktober 2008 zurück zu zahlen. Sie wies V.______ auch darauf hin, dass seit Fälligkeit der Forderung bis zur Rückzahlung der vertraglich vereinbarte Verzugszins von 10.5 %, berechnet auf dem gesamten Ausstand, zur Anwendung komme.

Am 25. November 2008 kündigte die Klägerin den Darlehensvertrag und wies V.______ drauf hin, dass damit das Darlehen per sofort zur Rückzahlung fällig sei. Im selben Schreiben wies die Klägerin V.______ eine Kapitalschuld von EUR 350'000.— und eine Zinsschuld von EUR 9'525.28 aus, insgesamt eine Schuld von EUR 359'525.28.

Auch der von der Klägerin eingereichte Posten- resp. Kontoauszug per 25. November 2008 weist als Forderung gegenüber V.______ EUR 359'525.28 aus, inklusive aufgelaufene Zinsschulden und Gebühren. Die restlichen EUR 229.42 sind nicht ausgewiesen und werden daher nachfolgend auch nicht berücksichtigt.

In Anbetracht dieser Umstände kann nachfolgend davon ausgegangen werden, dass die Klägerin EUR 350'000.— auch tatsächlich an V.______ ausbezahlt hat.

Der vorliegend behauptete Schaden entstand somit durch die Auszahlung von Geldern in Erfüllung eines vorgängig vereinbarten Darlehensvertrages. Indem dieses Geld bei V.______ uneinbringlich geworden ist, hat sich das Vermögen der Klägerin im Sinne der vorgenannten Differenztheorie um diesen Betrag vermindert.

Die vorliegende Klage ist genügend substantiiert (vgl. Ziffer 16.2. vorstehend). In Anbetracht aller Umstände ist der Klägerin somit aus dem Darlehensvertrag mit V.______ nachweislich ein Gesamtschaden von EUR 359'525.28 entstanden. Der geforderte Mehrbetrag ist nicht nachgewiesen.

 

16.6. Forderungsausfall Kreditengagement W.______

 Die Klägerin hat mit der W.______ nachweislich die folgenden Rahmenkreditverträge abgeschlossen:

Rahmenkredit vom 5. resp. 6. September 2006 über CHF 5.6 Mio.

Rahmenkredit vom 24. resp. 27. April 2007 über CHF 5.5 Mio.

wobei der zweite Rahmenkreditvertrag den ersten ersetzte (siehe Ziffer 13 des Vertrages vom 24. resp. 27. April 2007).

Die ihre daraus gewährten Kredite konnte die W.______ jeweils nach ihrer Wahl wie folgt beanspruchen (siehe Ziffer 2 des jeweiligen Vertrages):

als feste Vorschüsse,

als variable Darlehen und Festdarlehen,

als Margenlimiten (Devisentermingeschäfte) oder Kautionslimiten sowie

in laufender Rechnung (Kontokorrent) in CHF oder in Fremdwährungen.

Im Konkursverfahren über die W.______ machte die Klägerin am 9. Februar 2009 eine detaillierte Forderungseingabe über insgesamt:

CHF   9'589'021.75 und

EUR       83'424.85

Diese Forderungseingabe weist die Saldi der verschiedenen Bezüge im Rahmen des beanspruchten Rahmenkredites detailliert und in den jeweiligen Währungen aus und fasst sie auch zusammen, inklusive aufgelaufener Zinsschulden und Gebühren. Die von der Klägerin eingereichten Posten- resp. Kontoauszüge belegen Forderungen von insgesamt:

CHF   9'589'021.75 und

EUR       83'233.60

Auch die in ihrer Buchhaltung ausgewiesenen Saldi stimmen in ihrer Grössenordnung damit überein. In Anbetracht dieser Umstände kann nachfolgend davon ausgegangen werden, dass die W.______ die Rahmenkreditverträge auch beansprucht hat.

Mit Verfügung vom 2. Februar 2009 wurde über die W.______ der Konkurs eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. Das Konkursverfahren wurde mit Verfügung vom 30. August 2010 als geschlossen erklärt. Juristische Personen gehen nach einem Konkurs unter: bei ihnen ist grundsätzlich nach Schluss des Konkurses nichts mehr zu holen. Daher werden in der Praxis gegen sie meist auch gar keine Verlustscheine ausgestellt (Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Auflage, Bern 2013, N. 31 zu § 48). Folglich ist nach Schluss des Konkurses über die W.______ von der Uneinbringlichkeit oder Endgültigkeit der Kreditauszahlungen auszugehen. Auch ist davon auszugehen, dass unter den gegebenen Umständen die gewährten Sicherheiten uneinbringlich sind.

Der vorliegend behauptete Schaden entstand somit durch die Auszahlung von Geldern in Erfüllung vorgängig vereinbarter Rahmenkredite. Indem diese Gelder bei der W.______ uneinbringlich geworden sind, hat sich das Vermögen der Klägerin im Sinne der vorgenannten Differenztheorie um diese Beträge vermindert.

Die vorliegende Klage ist genügend substantiiert (vgl. Ziffer 16.2. vorstehend). In Anbetracht aller Umstände hat die Klägerin somit aus ihrem Kreditengagement mit der W.______ ein Gesamtschaden von CHF 9'589'021.75 und EUR 83'233.60 rechtsgenügend substantiiert nachgewiesen.

 

16.7. Forderungsausfall Kreditengagement X.______

 Die Klägerin hat mit der X.______ nachweislich die folgenden Rahmenkreditverträge abgeschlossen:

Rahmenkredit vom 7. resp. 9. Dezember 2005 über CHF 2.16 Mio.

Rahmenkredit vom 5. resp. 13. März 2007 über CHF 4.42 Mio.

wobei der zweite Rahmenkreditvertrag den ersten ersetzte (siehe Ziffer 13 des Vertrages vom 5. resp. 13. März 2007).

Die ihr daraus gewährten Kredite konnte die X.______ jeweils nach ihrer Wahl wie folgt beanspruchen (siehe Ziffer 2 des jeweiligen Vertrages):

als feste Vorschüsse

als variable Darlehen und Festdarlehen,

als Margenlimiten (Devisentermingeschäfte) oder Kautionslimiten sowie

in laufender Rechnung (Kontokorrent) in CHF oder in Fremdwährungen.

Im Konkursverfahren über die X.______ machte die Klägerin am 23. Mai 2008 eine detaillierte Forderungseingabe über insgesamt:

CHF    2'330'579.50 und

EUR    1'025'293.03

Diese Forderungseingabe weist die Saldi der verschiedenen Bezüge im Rahmen der beanspruchten Rahmenkredite detailliert und in den jeweiligen Währungen aus, inklusive aufgelaufene Zinsschulden und Gebühren und fasst sie auch zusammen. Die von der Klägerin eingereichten Posten- resp. Kontoauszüge belegen Forderungen von insgesamt:

CHF   2'210'820.34 und

EUR     753'391.03

Auch die in ihrer Buchhaltung ausgewiesenen Saldi stimmen in ihrer Grössenordnung damit überein. In Anbetracht dieser Umstände kann nachfolgend davon ausgegangen werden, dass die X.______ die Rahmenkreditverträge auch beansprucht hat.

Mit Verfügung vom 5. Mai 2008 wurde über die X.______ der Konkurs eröffnet. Das Konkursverfahren wurde mit Verfügung vom 7. September 2011 als geschlossen erklärt und die Gesellschaft von Amtes wegen gelöscht. Juristische Personen gehen nach einem Konkurs unter: bei ihnen ist grundsätzlich nach Schluss des Konkurses nichts mehr zu holen. Daher werden in der Praxis gegen sie meist auch gar keine Verlustscheine ausgestellt (Amonn/Walther, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Auflage, Bern 2013, N. 31 zu § 48). Folglich ist nach Schluss des Konkurses über die X.______ von der Uneinbringlichkeit oder Endgültigkeit der Kreditauszahlungen auszugehen. Auch ist davon auszugehen, dass unter den gegebenen Umständen die gewährten Sicherheiten uneinbringlich sind.

Der vorliegend behauptete Schaden entstand somit durch die Auszahlung von Geldern in Erfüllung vorgängig vereinbarter Rahmenkredite. Indem diese Gelder bei der X.______ uneinbringlich geworden sind, hat sich das Vermögen der Klägerin im Sinne der vorgenannten Differenztheorie um diese Beträge vermindert.

Die vorliegende Klage ist genügend substantiiert (vgl. Ziffer 16.2. vorstehend). In Anbetracht aller Umstände hat die Klägerin somit aus ihrem Kreditengagement mit der X.______ ein Gesamtschaden von CHF 2'210'820.34 und EUR 753'391.03 rechtsgenügend substantiiert nachgewiesen.

 

16.8. Nachgewiesener Schaden total

Somit ist insgesamt folgender Schaden von der Klägerin nachgewiesen:

CHF 33'923'248.48    (CHF 16'000'574.40 + CHF 5'061'920.34 + CHF 1'060'911.65 + CHF 9'589'021.75 + CHF 2'210'820.34),

EUR 1'397'069.87      (EUR 200'919.96 + EUR 359'525.28 + EUR 83'233.60 + EUR 753'391.03) und

USD 1'788'520.60.

Vorliegend besteht der Schaden aus diesen Forderungsausfällen und nicht aus als deren Folge notwendig gewordenen Wertberichtigungen.

 

16.9. Vorteilsanrechnung

Im schweizerischen Schadenersatzrecht gilt der Grundsatz, dass gegebenenfalls eine Vorteilsanrechnung stattzufinden hat, wenn sonst eine Bereicherung des Geschädigten entstehen würde, was nicht Zweck des Haftpflichtrechts ist. Die Schadensberechnung muss deshalb sämtliche Komponenten (negative und positive) berücksichtigen, die aus dem Schadenereignis entstanden sind. Damit die Vorteilsanrechnung vorgenommen werden kann, muss ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen der Schadensverursachung und dem entstandenen Vorteil bestehen. Zudem ist eine Vorteilsanrechnung dann gerechtfertigt, wenn neben dem Kausalzusammenhang zwischen Schaden und Vorteil eine Zusammengehörigkeit (sog. Kongruenz) gegeben ist (Brehm, Berner Kommentar Obligationenrecht, Bern 2013, N. 27 und N. 30 ff. zu Art. 42 OR). Doch ist es nicht als Vorteil zu betrachten, dass eine Organperson im Allgemeinen pflichtgemäss gehandelt und dadurch der Gesellschaft Erträge verschafft hat (Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, § 36 N. 64).

Vorliegend begründet die Klägerin ihren Schaden mit Forderungsausfällen aus sechs konkreten Kreditengagements (siehe Ziffern 16.2 – 16.7 vorstehend). Dass im Zuge dieser Forderungsausfälle der Klägerin zugleich irgendwelche messbaren Vorteile angefallen wären, ist nicht ersichtlich. Allfällige vorgängige Zinserträge haben als mit der jeweiligen Forderung der Klägerin im Sinne der Kontokorrentabrechnung als verrechnet zu gelten. Dass der Klägerin durch ihre Expansionsstrategie bei anderen Kreditengagements offenbar hohe Gewinne angefallen sind, ist wohl möglich, steht jedoch nicht in einem rechtsgenügenden adäquaten Kausalzusammenhang mit den vorliegend thematisierten Kreditausfällen. Irgendeine Bereicherung der Klägerin im Zusammenhang mit den sechs vorliegend thematisierten Forderungsausfällen ist jedenfalls nicht ersichtlich. An den unter Ziffer 16.8. vorstehend nachgewiesenen Schaden sind somit keine Vorteile anzurechnen.

 

17. Voraussetzung Pflichtverletzung im Sinne von Art. 754 OR

Aufgrund des allgemeinen Verweises in Art. 39 BankG auf das aktienrechtliche Verantwortlichkeitsrecht ist Art. 754 OR im Rahmen der Pflichten anzuwenden, welche durch die Organe zu erfüllen sind. Das sind einerseits die gesellschaftsrechtlichen Pflichten, inklusive die branchenspezifischen Vorschriften für Banken und andererseits die einschlägigen Gesetzes-, Verordnungs- und Selbstregulierungsbestimmungen, die Verlautbarungen der FINMA (vormals EBK), die Gesellschaftsstatuten, Weisungen und Reglemente der betreffenden Bank sowie die tatsächlichen Regeln und die anerkannten Grundsätze des Bankgeschäfts.

Im Vergleich zum Aktienrecht ist das Organisationsrecht im Bankenbereich stärker ausgeprägt und folglich ist ein Organisationsverschulden der Organpersonen hier leichter fassbar (Bertschinger, Basler Kommentar Bankengesetz, 2. Auflage, Basel 2013, N. 18 ff. zu Art. 39 BankG). Voraussetzung der Verantwortlichkeit ist stets ein pflichtwidriges Verhalten. Dabei werden an die Mitglieder des Verwaltungsrates einer Bank erhöhte Anforderungen gestellt, indem sie Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten müssen. Die den mit der Verwaltung und Geschäftsführung befassten Personen auferlegten Pflichten sind von vielerlei Umständen abhängig. Ein allgemeines Pflichtenheft lässt sich daher nicht aufstellen. Grundlegend ist jedoch die Generalklausel von Art. 717 Abs. 1 OR, wonach die geschäftsführenden Personen ihre Aufgaben mit aller Sorgfalt erfüllen und die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen wahren müssen. Für die Sorgfalt, welche der Bankrat bei der Führung der Geschäfte der Gesellschaft aufzuwenden hat, gilt ein objektiver Massstab. Die Bankräte sind zu aller Sorgfalt verpflichtet und nicht nur zur Vorsicht, die sie in eigenen Geschäften anzuwenden pflegen. Das Verhalten eines Bankratsmitgliedes wird deshalb mit demjenigen verglichen, das billigerweise von einer abstrakt vorgestellten, ordnungsgemäss handelnden Person in einer vergleichbaren Situation erwartet werden kann. Verfügt ein Bankratsmitglied in einem Fachbereich überdurchschnittliche Kenntnisse und ist dies der Gesellschaft bekannt, so ist für ihn in diesem Bereich ein höherer Massstab anzulegen (Forstmoser, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, Zürich, 1987, S. 238; BGE 4C.201/2001). Den mit der Verwaltung und der Geschäftsführung befassten Personen, und damit vorliegend auch den Mitgliedern der Geschäftsleitung, ist namentlich dann eine Pflichtverletzung anzulasten, wenn sie aus Geschäftsmitteln leichtfertige Investitionen von erheblichem Ausmass vornehmen (Forstmoser, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, Zürich, 1987, S. 244 f.). Auch eigentliche Geschäftsentscheide können damit Pflichtwidrigkeiten im Sinne von Art. 754 OR darstellen (vgl. Gericke/Waller, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 31 zu Art. 754 OR).

Zur Beurteilung von unternehmerischen (Fehl-)Entscheiden wird vermehrt auch die sogenannte Business Judgement Rule beachtet. Danach soll hauptsächlich auf formale Kriterien abgestellt werden, ob ein formeller Entscheid vorlag, ob die Betroffenen ausreichend informiert waren, ob Alternativen in Erwägung gezogen und geprüft wurden usw. (vgl. Müller/Lipp/Plüss, Der Verwaltungsrat, 4. Auflage, Zürich 2014, S. 339 f.).

Keine Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Kläger bzw. Geschädigte in das Tun bzw. Unterlassen des schädigenden Organs – ausdrücklich oder stillschweigend – eingewilligt hat. Solchen Einwilligungen sind allerdings Grenzen gesetzt, insbesondere auch durch zwingende Gesetzesbestimmungen und Kompetenzabgrenzungen zwischen den Organen. Auch das pflichtwidrige Verhalten muss der Kläger beweisen (Müller/Lipp/Plüss, Der Verwaltungsrat, 4. Auflage, Zürich 2014, S. 339 f. mit Hinweisen).

 

17.1. Pflichtverletzungen Bankrat

Die Klägerin wirft den Beklagten 1 – 5 als damalige Bankräte vor, sie hätten trotz der risikoreichen Strategie keine Massnahmen zur Kontrolle dieser Risiken ergriffen. Sie hätten insbesondere das Ausserrayongeschäft nicht adäquat geregelt und den Kreditausschluss personell unausgewogen zusammengesetzt. Weiter hätten sie die Fehlentwicklungen bei den Kreditvergaben oder deren Anzeichen offenkundig nicht erkannt und gegenüber dem CEO, F.______, ein zu unkritisches Urteil gehabt, ihm in Verkennung seiner Möglichkeiten zu viel zugemutet und zugetraut und dabei nicht gemerkt, wie sie die Kontrolle verloren hätten.

17.1.1. Regelung Ausserrayongeschäft

In Art. 716a Abs. 1 Ziffer 1 OR erklärt das Gesetz die Erteilung der nötigen Weisungen als unübertragbare Aufgabe des Bankrates. Unter diesen Begriff fallen die Festlegung der Strategie des Unternehmens innerhalb des statuarischen Zweckes sowie die Wahl der Mittel für die Zielerreichung und die Kontrolle der Zielkonformität der Handlungen der Geschäftsleitung. Die Durchsetzung der Strategie erfolgt durch den Erlass von Reglementen und Weisungen an die geschäftsführenden Organe (Watter/Roth/Pallanda, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 4 ff. zu Art. 716a OR).

In den vorliegend massgebenden Jahren 2005 – 2007 bildeten das Bankengesetz BankG (SR 952.0), konkretisiert durch die Bankenverordnung BAV (SR 952.02) und das damalige Kantonalbankgesetz des Kantons Glarus aKBG (GS IX B/31/1) den grundlegenden rechtlichen Rahmen der Klägerin. Dabei regelte Art. 3 aKBG das Geschäftsgebiet wie folgt:

1 Das Geschäftsgebiet der Bank umfasst hauptsächlich den Kanton Glarus und die angrenzenden Gebiete.

2 Geschäfte in der übrigen Schweiz und im Ausland [Anm.: sog. Ausserrayongeschäfte] sind zulässig, soweit der Bank daraus keine besonderen Risiken erwachsen und die Zweckerfüllung im Kanton Glarus und den angrenzenden Gebieten nicht beeinträchtigt wird. 

Innerhalb dieses rechtlichen Rahmens war es die im Sinne von Art. 716a Abs. 1 Ziffer 1 OR unübertragbare Aufgabe des Bankrates, die Geschäftstätigkeit der Klägerin zu organisieren und deren Strategie umzusetzen.

Dazu erliess der Bankrat, gestützt auf Art. 15 lit. a aKBG, am 23. Dezember 2003 das Geschäfts- und Organisationsreglement GOR. Dieses wiederholte in Art. 4 wörtlich das bereits in Art. 3 aKBG festgelegte Geschäftsgebiet. Zudem hielt es fest:

Art. 21

1 Die Bank kann Darlehen und Kredite ohne Deckung gewähren:

….

d. anderen juristischen und natürlichen Personen sowie Personengesellschaften, die Gewähr für die Verzinsung und Rückzahlung des
Kapitals bieten.

2 Blankokredite müssen jährlich von der nach der Kompetenzordnung zuständigen Stelle neu bewilligt bzw. genehmigt werden.

Art. 22

Für die Finanzierung erfolgsversprechender Projekte kann die Bank besondere Risiken übernehmen.

Zudem erliess der Bankrat, gestützt auf Art. 6 GOR, die Weisung „Risikopolitik der J.______“. Die vorliegend massgebenden verfügbaren Versionen datieren vom 19. April 2005 und vom 22. Dezember 2006. Darin machte der Bankrat allgemeine Ausführungen zur Risikostrategie, zu den risikopolitischen Grundsätzen, zur Risikoorganisation, zum Risikoprozess und zur Risikoberichterstattung.

Weiter erliess der Bankrat, gestützt auf Art. 6 GOR, die Weisung „Kreditrisikopolitik der J.______“. Die vorliegend massgebenden verfügbaren Versionen datieren vom 15. September 2003, vom 1. Oktober 2003 und vom 21. November 2006 und bestimmen übereinstimmend:

„Grundsatz 1 Kundensegmente

[….]

Wir unterstützen Firmen-Neugründungen und deren Weiterentwicklung …

Grundsatz 2 Marktgebiet

Die Bank gewährt Kredite insbesondere an Kunden im Kanton Glarus. Gestützt auf die Gesamtbankstrategie richtet die Bank ihren Fokus jedoch in gleicher Weise auf Kunden in den Regionen March, Gaster, See und Höfe. Diese vier Regionen bilden zusammen mit dem Kanton Glarus unser Stammeinzugsgebiet.

Aus Kreditportfolio- und Risikoüberlegungen können Kredite selektiv auch ausserhalb dieser Gebiete gewährt werden.

[….].“

Im „Annex der Geschäftsleitung zur Risikopolitik der J.______ für den Bereich Geschäftskunden“ vom 19. Juli 2005 begrenzte die Klägerin die maximale Grösse der Kundenpositionen pro verbundene Gegenpartei:

a) für KMU mit Domizil im Kanton Glarus und im angrenzenden Wirtschaftsraum auf CHF 15 Mio. und

b) für KMU mit Domizil ausserhalb des angrenzenden Wirtschaftsraums auf CHF 10 Mio.

Über Kredite, welche diese Limiten überschritten, hatte der Kreditausschuss auf Antrag des zuständigen Bereichsleiters über die Gewährung oder Antragstellung an den Bankrat zu entscheiden. Unter „Zusätzliche Bestimmungen“ war als zusätzliche generelle Anforderung lediglich offen bestimmt und daher im Ermessen der kreditsprechenden Instanz: „Bonität und Tragbarkeit haben hohen Ansprüchen zu genügen und sind prioritär auch bei der Beurteilung von Grössenrisiken“.

Zudem sah die „Kompetenzordnung der J.______“ vom 1. Mai 2005 auf Stufe Bereichsleiter eine maximale Kreditkompetenz pro verbundene Gegenpartei von CHF 5 Mio. vor, davon CHF 2 Mio. pro Gegenpartei und maximal CHF 0.2 Mio. blanko. Jeweilige Beträge darüber mussten dem Kreditausschuss zum Entscheid vorgelegt werden, Klumpen über 10 % dem Bankrat.

Mit diesen vom Bankrat erlassenen Regelungen mögen die Voraussetzungen der Kreditvergabe im Stammeinzugsgebiet gemäss Art. 3 aKBG und Art. 4 GOR angepasst geregelt gewesen sein. Ausser einer gemäss „Annex“ grundsätzlich tieferen Kreditlimite für KMU mit Domizil ausserhalb des angrenzenden Wirtschaftsraums, über welche der Kreditausschuss jedoch hinweggehen konnte, waren spezielle Voraussetzungen für Kreditvergaben ausserhalb des Stammeinzugsgebietes, für sog. Ausserrayongeschäfte, wie ein notwendiges Mindestrating oder verbindlich tiefere Limiten, welche ein Risiko eingegrenzt hätten, nicht definiert. Für solche Kreditvergaben galten somit im Ergebnis die gleichen allgemeinen Voraussetzungen wie für Kunden im Stammeinzugsgebiet, obwohl sie gemäss Art. 3 aKBG und Art. 4 GOR nur soweit zulässig gewesen wären, als der Bank, erstens, daraus keine besonderen Risiken erwachsen würden und, zweitens, die Zweckerfüllung im Kanton Glarus und den angrenzenden Gebieten nicht beeinträchtigt würde. Diese Regelung basiert auf dem Gedanken der Staatsgarantie durch den Kanton. Die Bank soll mit einer Staatsgarantie gesicherte Mittel nicht ausserhalb des primären Geschäftsgebietes risikobehaftet anlegen dürfen.

Mit den damals geltenden Regelungen waren diese beiden letztgenannten Voraussetzungen nicht genügend spezifiziert und damit deren Auslegung und Befolgung weitestgehend im Ermessen der jeweils kreditsprechenden Instanz. Für die Vergabe von Ausserrayonkrediten galten grundsätzlich die gleichen Regelungen wie für Kreditvergaben im Stammeinzugsgebiet. Der Bankrat hatte es somit pflichtwidrig versäumt, die Voraussetzungen „keine besonderen Risiken“ und „keine Beeinträchtigung der Zweckerfüllung im Kanton Glarus“ gemäss Art. 716a Abs. 1 Ziffer 1 OR eingehend zu definieren und zu regeln und damit das gesetzlich und reglementarisch gewährte grosse Ermessen der Geschäftsleitung angemessen einzuschränken. Er liess ein bedeutendes Risikopotential offen respektive überliess ihm unübertragbar zustehende Regelungsaufgaben dem Ermessen der jeweils kreditsprechenden Instanzen respektive der Geschäftsleitung. Erst ab August 2007, als der Schaden bereits weitgehend angerichtet war, wurden diese Mängel beim Ausserrayongeschäft behoben. Es wurde für Ausserrayonkredite ein Mindestrating eingeführt, die Limite reduziert und für höhere Engagements ein notwendiger Entscheid des Bankrats zur Pflicht gemacht. Damit hat der damalige Bankrat, d.h. die in den vorliegend massgebenden Jahren 2005 bis 2007 gewählten Bankräte, d.h. die vorliegend Beklagten 1 – 5, ihre Sorgfaltspflicht verletzt.

Wohl bestimmt Art. 3 Abs. 3 BankG, dass die Bank der EBK ihre Statuten, Gesellschaftsverträge und Reglemente der Aufsichtsbehörde zur Genehmigung einzureichen sowie alle späteren Änderungen daran anzuzeigen hat, soweit diese den Geschäftszweck, den Geschäftsbereich, das Grundkapital oder die innere Organisation betreffen. Der Verantwortung über den Inhalt dieser Regelungen konnte sich die Klägerin mit dieser Genehmigung jedoch nicht entledigen, blieb die Festlegung der Organisation selbst nach einer Genehmigung durch die Bankenkommission gemäss Art. 716a Abs. 1 Ziffer 2 OR eine unübertragbare Aufgabe des Bankrates und somit auch in dessen Verantwortung.

Dasselbe hat auch für die Berichte der internen Revisionsstelle und der externen Revisionsstelle zu gelten. Wohl hat der Bankrat diese zur Kenntnis zu nehmen, darf und muss Informationen daraus verarbeiten. Die Aussagen und Meinungen der internen Revisionsstelle und externen Revisionsstelle haben beim Bankrat unbestrittenerweise grosses Gewicht. Dies entbindet den Bankrat jedoch nicht von der Pflicht, sich aufgrund von Rechnungsabschlüssen, Kennzahlen, Prüfungen und Lagebeurteilungen eigene Meinungen zur betriebswirtschaftlichen und finanziellen Situation der Gesellschaft zu bilden und entsprechende Schlüsse zu ziehen. 

 

17.1.2. Nichterkennen Fehlentwicklungen bei Kreditvergabe

Mit der Oberleitung der Gesellschaft gemäss Art. 716a Abs. 1 Ziffer 1 OR bzw. mit dem entsprechenden Weisungsrecht eng verbunden ist die Pflicht des Bankrates gemäss Art. 716a Abs. 1 Ziffer 5 OR, die Mitglieder der Geschäftsleitung – und damit auch den CEO – zu überwachen. Dies ist bei einer Bank umso wichtiger, zumal gemäss Art. 8 Abs. 2 BankV kein Mitglied des für die Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle verantwortlichen Organs der Bank der Geschäftsleitung angehören darf. Über die konkrete Handhabung dieser Überwachung schweigt sich das Gesetz aus. Diese ist jedoch so auszugestalten, dass eine optimale Unternehmensüberwachung möglich wird. Die Beaufsichtigung beinhaltet dabei sowohl die im Gesetz umschriebene Überwachung im Hinblick auf die Befolgung von Gesetz, Statuten, Reglementen und Weisungen als auch die Hinterfragung von Geschäftsführungshandlungen nach betriebswirtschaftlichen Kriterien, auf die Zweckmässigkeit der Handlungen und Unterlassungen der Geschäftsführung. Dabei wird sich der Bankrat als Diskutier- und Beschlussgremium auf die zweckmässig ausgestaltete Berichterstattung stützen und sich vor allem an finanziellen Kennzahlen orientieren müssen. Der Bankrat hat keineswegs jedes einzelne Geschäft der Geschäftsleitung zu überwachen. Er hat sich vielmehr über den laufenden Geschäftsgang zu unterrichten, Berichte der Geschäftsleitung zu verlangen und zu studieren, ein den Besonderheiten angepasstes System der internen Kontrolle einzurichten und sich um dessen Funktionieren und Ergebnisse zu kümmern sowie Fehlentwicklungen oder Unregelmässigkeiten abzuklären (Müller/Lipp/Plüss, Der Verwaltungsrat, 4. Auflage, Zürich 2014, S. 171 f.; Watter/Roth/Pellanda, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 24 zu Art. 716a OR; Böckli, Schweizer Aktienrecht, 3. Auflage, Zürich 2004, § 13 Rz 374 ff.).

In Erfüllung seiner Überwachungspflicht im Bereich des Kreditgeschäfts stützte sich der Bankrat vornehmlich auf die Berichte der internen und externen Revision, auf die quartalsweise erarbeiteten Risikoberichte des bankeigenen Risikomanagements und auf die Monatsabschlüsse des Rechnungswesens.

Im Management Letter zur Zwischenrevision im Bereich Kreditmanagement vom November 2005 schrieb die externe Revision:

„Bei unseren Prüfungen haben wir festgestellt, dass die Bank durch Vermittler bzw. durch das persönliche Beziehungsnetz der Kundenberater verschiedene bedeutende Engagements im Rahmen der vorgegebenen Strategie [ausserhalb des angrenzenden Wirtschaftsraums] eingegangen ist. Eine Analyse zeigt, dass sich Neugeldauszahlungen über CHF 500'000.— vom Januar bis Oktober 2005 auf CHF 199.7
Mio. belaufen, was mehr als die Hälfte der gesamten Neugeldauszahlungen oder knapp 7 % der gesamten Kundenausleihungen per Ende November 2005 entspricht. Aufgrund unserer Erfahrungen unterliegen Engagements ausserhalb des Kerngebietes der Bank tendenziell einem höheren Risiko.“

 

Im selben Zeitraum, zwischen September 2005 und November 2005 hat die interne Revisionsstelle Bonitätsprüfungen durchgeführt (Revisionsbericht Nr. [...]). Das Ziel dieser Prüfungen war es, eine Beurteilung ausgewählter Kreditengagements bezüglich Wertberichtigungen oder einen potentiellen Wertberichtigungsbedarf machen zu können, wobei auch 12 ausserkantonale Ausleihungen zur Prüfung ausgewählt wurden. Dabei hat die interne Revisionsstelle innerhalb der gewählten Stichproben etliche Kreditengagements mit erhöhten Risiken festgestellt, insbesondere bei den neu akquirierten Geschäften. Zudem hat sie etliche Schuldner mit Wertberichtigungsbedarf sowie Positionen mit erhöhten Risiken und damit mit einem engen Überwachungsbedarf aufgelistet.

 Sowohl die Zwischenrevision 2005 im Bereich Kreditmanagement als auch die Bonitätsprüfungen 2005 wurden an der Sitzung des Bankrates vom 21. März 2006 besprochen, letztere auch an der Sitzung des Bankrates vom 18. April 2006. Von den vorliegend beklagten Bankräten anwesend waren A.______, B.______ (an der Sitzung vom 18. April 2006 entschuldigt), C.______, E.______ und D.______. Einen konkreten Handlungsbedarf orteten die Genannten jedoch nicht. Einzig die in der Folge zurückgetretene Bankrätin [...] äusserte ihren Eindruck, dass die Hinweise in den Revisionsberichten und die ihrigen nicht ernst genug genommen würden und stellte die Frage, ob die Bank wirklich auf so hohe Risiken angewiesen sei. Der Bankrat begnügte sich schliesslich damit, den Risikoausschuss zu beauftragen, sich mit dem Bericht der internen Revision zu befassen. Dieser stellte hernach lediglich fest, dass „es bei der Beurteilung von Einzelpositionen …. immer leichte Differenzen zwischen der Bank und der Revision gebe“, weil die Bank „ein umfassenderes Bild des Kunden“ habe und bestimmte, dass fortan eine Berichterstattung der Ratingentwicklung getrennt nach Kanton und Ausserkanton erfolgen solle.

In der Folge führte die externe Revisionsstelle im September 2006 bei der Klägerin eine Schwerpunktprüfung im Bereich Kreditmanagement durch. Im Management Letter dazu vom 3. Januar 2007 schrieb sie:

„Die Ausleihungen gegenüber Kunden konnten im ersten Halbjahr 2006 um 30.34 % oder CHF 95.4 Mio., …. gesteigert werden. Zum Vorjahresvergleich: Im Jahr 2005 nahmen die Forderungen gegenüber Kunden insgesamt um 44.2 % oder CHF 96.4 Mio. zu, …. .“

 Die Ergebnisse dieser Prüfung wurden an der Sitzung des Bankrates vom 13. März 2007 besprochen. Von den vorliegend Beklagten Bankräten anwesend waren A.______, B.______, C.______, E.______ und D.______. Gemäss den Aussagen der Beklagten 3 – 5 habe generell ein genügendes Reporting vorgelegen und seien im Bankrat jeweils sämtliche Monats- und Quartalsabschlüsse traktandiert und behandelt worden.

In den quartalsweise erarbeiteten Risikoberichten, wurde ab März 2006 jeweils aufgeführt, dass auch ausserkantonal, insbesondere in den Kantonen St. Gallen, Graubünden, teilweise Thurgau und Zürich, Schuldner gewonnen werden konnten.

Der Risikobericht per 31. März 2007 informierte aber auch, dass der Wertberichtigungsbedarf (erstmals) von einer grösseren Position geprägt worden sei (CHF 4.4 Mio.), wobei sich die Bank jedoch noch im Bereich der Warnlimite bewegt habe.

Der darauffolgende Risikobericht per 30. Juni 2007 informierte, dass wiederum eine grössere Wertberichtigungsposition zu einer Bildung von Wertberichtigungen von CHF 6.2 Mio. geführt habe. Zusammen mit dem leicht höheren, aber noch immer geringen Zinsrisiko habe dies zu einer Limitenüberschreitung geführt.

Auch der Risikobericht per 30. September 2007 informierte über notwendig gewordene Wertberichtigungen auf zwei Positionen und über eine daraus erfolgten höheren Limitenüberschreitung.

Schliesslich stand im Risikobericht per 31. Dezember 2007 was folgt:

„Die Bildung von Einzelwertberichtigungen wurde bereits in der Januar 2008-Sitzung vom Risikoausschuss und Bankrat im Detail diskutiert. Brutto mussten CHF 21.4 Mio. Einzelwertberichtigungen gebildet werden, was dem höchsten Bedarf entspricht. Die Ursache liegt im Bereich Geschäftskunden. …. Grössere Kreditengagements wurden Ende Jahr als gefährdet eingestuft. Um in Zukunft solche Fälle einzugrenzen, werden die Blankoengagements limitiert. ….“    

In der Gesamtbetrachtung hatten somit bereits ab Anfang des Jahres 2006 sowohl die externe Revisionsstelle als auch die interne Revisionsstelle ausdrücklich auf erhöhte Risiken beim wachsenden Ausserrayongeschäft hingewiesen. Der Bankrat wollte diese Warnungen jedoch offensichtlich nicht wahrhaben. 

Auch die internen Monatsabschlüsse zeigten ein nahezu explodierendes Wachstum der Position „Forderungen gegenüber Kunden“, wozu auch die Ausserrayonkredite zu zählen waren, während die grundpfandrechtlich gesicherten Hypothekarforderungen anfänglich sogar leicht abnahmen:

 

(in CHF 1'000)

                                    Forderungen                      Hypothekarforderungen
                                    gegenüber Kunden

31.12.2004                  217'997      100.0 %             2'338'026    100.0 %

28.02.2005                  234'788      107.7 %             2'342'245    100.2 %

31.03.2005                  238'701      109.5 %             2'319'786      99.2 %

31.05.2005                  236'235      108.4 %             2'316'341      99.1 %

30.06.2005                  250'557      114.9 %             2'306'046      98.6 %

31.08.2005                  244'812      112.3 %             2'287'760      97.9 %

30.09.2005                  265'878      122.0 %             2'289'300     97.9 %

30.11.2005                  282'758      129.7 %             2'296'702      98.2 %

31.12.2005                  314'406      144.2 %             2'319'361      99.2 %

28.02.2006                  343'754      157.7 %             2'321'659      99.3 %

31.03.2006                  354'114      162.4 %             2'330'195      99.7 %

31.05.2006                  394'092      180.8 %             2'318'741      99.2 %

30.06.2006                  409'809      187.9 %             2'325'065      99.4 %

31.08.2006                  439'874      201.8 %             2'318'520      99.2 %

30.09.2006                  446'226      204.7 %             2'337'917    100.0 %

30.11.2006                  476'585      218.6 %             2'360'362    101.0 %

31.12.2006                  495'761      227.4 %             2'346'622    100.4 %

 

Diese Zahlen und diese Entwicklung mussten dem Bankrat bekannt gewesen sein, hatte er doch gemäss Art. 52 lit. e GOR die monatlich erstellte Bilanz und Erfolgsrechnung zu behandeln. Die warnenden Hinweise der internen Revision und der externen Revision vom November 2005, zusammen mit dem leicht erkennbaren unverhältnismässigen Wachstum der Kundenforderungen hätte ihn spätestens Anfang des Jahres 2006 zur Kurskorrektur veranlassen müssen, auch wenn die nachfolgenden Revisionsberichte die Lage bei den Kreditengagements nicht als besorgniserregend darstellten. Bildlich gesprochen die „Handbremse gezogen“ oder das „Steuer herumgerissen“, was in Anbetracht der Situation notwendig gewesen wäre, hat der Bankrat jedoch nicht. Stattdessen verliess er sich auf die stark relativierenden Aussagen des CEO und die weiterhin erstaunlich positiven Berichte der Revisionsstellen, liess sich – trotz Unbehagen – von vordergründigen hohen Gewinnen blenden und wollte nicht wahrhaben, wie diese Gewinne auf wackeligen Füssen standen. Unter diesen Umständen, insbesondere im Wissen um mehrere Warnsignale, hätte sich der Bankrat nicht unbesehen auf diese Berichte der Revisionsstellen verlassen dürfen. Offensichtlich fehlte dem Bankrat das für seine Aufgaben notwendige Risikobewusstsein. Stattdessen hat er die eingeschlagene Strategie weiter sich entwickeln lassen.

Wohl hat der Risikoausschuss, bei welchem auch der Bankrat B.______ als Präsident und der Bankratspräsident A.______ Einsitz hatten, in seiner Sitzung vom 20. Februar 2006 grössere Ungereimtheiten im Kreditportfolio erkannt und positionsbezogene Massnahmen angestossen. Auch hat Bankrat D.______ anlässlich einer Sitzung des Prüfungsausschusses vom 15. Februar 2007 sein Unbehagen zum Ergebnis der Bonitätsprüfungen im Revisionsbericht [...] der internen Revision zum Ausdruck gebracht. Ebenso an der Risikoausschuss-Sitzung vom 9. März 2007 war man sich bei der Besprechung dieses Berichts der problematischen, mehrheitlich ausserkantonalen Kreditengagements gewahr und es wurde festgestellt, dass der Prüfungsausschuss davon „echt verängstigt“ gewesen sei. Ebenfalls besprochen wurde dieser Bericht an der Sitzung des Bankrates vom 13. März 2007. Während sich Bankratspräsident A.______ und die Bankräte D.______ und E.______ von den Ergebnissen besorgt zeigten, beschwichtigten Bankrat B.______ und CEO F.______ die Situation mit dem generellen Verweis auf das richtige Funktionieren der Überwachung der betroffenen Kreditpositionen. Konsequenzen aufgrund der ernsten Situation wurden nicht gezogen.

In Anbetracht dieser Umstände hat der damalige Bankrat, d.h. die in den vorliegend massgebenden Jahren 2006 – 2007 gewählten Bankräte, d.h. die vorliegend Beklagten 1 – 5, ihre Pflichten gemäss Art. 716a Abs. 1 Ziffer 5 OR verletzt, die Mitglieder der Geschäftsleitung – und damit auch den CEO – und deren Geschäftsführungshandlungen adäquat zu überwachen und Fehlentwicklungen zu korrigieren.

 

17.1.3. Personell unausgewogene Zusammensetzung Kreditausschuss

Der Kreditausschuss ist ein Ausschuss auf der Ebene Geschäftsleitung (vgl. Art. 62, Art. 64 ff. und Art. 75 Abs. 3 Ziff. 2 lit. b GOR). Mitglieder des Kreditausschusses waren jeweils der Vorsitzende der Geschäftsleitung, der Leiter Bereich Privatkunden und der Leiter Bereich Geschäftskunden.

Es war gemäss Art. 716a Ziff. 4 OR, Art. 15 lit. c aKBG, Art. 50 Abs. 1 und Abs. 2 GOR sowie Art. 51 Ziff. 4 GOR die unübertragbare Aufgabe des Bankrates, den CEO und die Mitglieder der Geschäftsleitung zu ernennen, zu überwachen und gegebenenfalls abzuberufen. Dafür, dass die Bankräte das ihnen dabei zustehende Ermessen überschritten hätten, bestehen jedoch keine Hinweise.

Jedenfalls waren der Geschäftsgang und die Beschlussfassung auf Ebene Geschäftsleitung und damit auch im Kreditausschuss im GOR klar geregelt:

Art. 81

Die Geschäftsleitung ist beschlussfähig, wenn die Mehrheit der Mitglieder anwesend ist.

….

Art. 83

1 Die Beschlüsse werden auf dem Konsensualweg gefasst. Sollte keine Einigung erzielt werden können, entscheidet der CEO abschliessend. Diesfalls sind neben dem Entscheid die abweichenden Meinungen und deren Begründung im Protokoll festzuhalten.

….

2 Sofern sich ein Mitglied der Geschäftsleitung, aufgrund eines Entscheides in der Geschäftsleitung, in seinem Bereich und Aufgaben zu sehr eingeschränkt fühlt und sich in der Sache nicht einverstanden erklären kann, hat er das Recht, einen Gesprächstermin mit dem Bankpräsidenten zu verlangen und informiert die Geschäftsleitungsmitglieder vorgängig.

  

Durch diesen reglementarisch vorgeschriebenen Entscheidmechanismus war eine Machtkonzentration beim CEO zwingende Folge. Um daran etwas zu ändern, hätte das GOR revidiert werden müssen. Dem Bankrat eine allein personell unausgewogene Zusammensetzung des Kreditausschusses vorzuwerfen, kann unter diesen Umständen nicht gefolgt werden, auch wenn der CEO eine dominante Persönlichkeit gewesen sein mag. Eine diesbezügliche Pflichtverletzung des Bankrates ist hier nicht ersichtlich.

 

17.1.4. Pflichtverletzungen Bankrat - Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es der Bankrat und damit die Beklagten 1 – 5 pflichtwidrig versäumt haben, das Ausserrayongeschäft angemessen zu regeln (vgl. Ziffer 17.1.1 vorstehend). Auch haben sie es versäumt, die Geschäftsleitung – und damit auch den CEO – und deren Handlungen adäquat zu überwachen und haben dadurch relevante Fehlentwicklungen bei der Kreditvergabe pflichtwidrig nicht erkannt (vgl. Ziffer 17.1.2 vorstehend). Damit haben die Beklagten 1 – 5 ihre Sorgfaltspflichten mehrfach verletzt.

 

17.2. Pflichtverletzungen Geschäftsleitung

Die Klägerin wirft den Beklagten 6 – 8 als damalige Geschäftsleitungsmitglieder vor, sie hätten das Ausserrayongeschäft nicht angemessen geregelt. Es hätten Vorgaben zum Rating von ausserkantonalen Kreditnehmern gefehlt und sei die Limite für Kreditnehmer ausserhalb des Rayons zu hoch gewesen. Bei den vorliegend massgebenden Kreditvergaben (vgl. Ziffer 16.2 – 16.7 vorstehend) hätten sie zu Lasten der Bank „besondere Risiken“ in Kauf genommen und somit Art. 3 Abs. 2 aKBG zuwidergehandelt. Zugleich hätten sie elementare Grundsätze der Kreditvergabe missachtet, auch weil die Datenqualität mangelhaft gewesen sei, die gewährten Kredite in keinem angemessenen Verhältnis zum Eigenkapital der Kreditnehmer gestanden hätten und weil deren Blankowürdigkeit nicht hinreichend abgeklärt worden sei. Insgesamt habe es am Risikobewusstsein gemangelt.

 

17.2.1. Regelung Ausserrayongeschäft

Nach Art. 19 Abs. 1 aKBG obliegt der Geschäftsführung die gesamte Führung der Geschäfte und die Vertretung der Bank nach aussen. Die Geschäftsführung entscheidet über alle Geschäfte, die nicht durch die Gesetzgebung oder Reglemente einem anderen Organ zum Entscheid übertragen sind. Konkret sind die Aufgaben und Befugnisse der Geschäftsführung im Organisationsreglement geregelt (Abs. 2). Dieses wiederholt in Art. 75 Abs. 1, dass die Geschäftsleitung alle Aufgaben der Geschäftsführung erledigt, die nicht durch Gesetz oder Reglement anderen Organen übertragen sind. Hinsichtlich der hier interessierenden Organisation bestimmt Art. 75 Abs. 3 Ziff. 2, dass der Geschäftsleitung der Erlass aller Vorschriften für den Geschäftsbetrieb obliegt, soweit sich der Bankrat dieses Recht nicht vorbehalten hat und dass er eine geeignete Organisation und Führungsstruktur und eine reibungslose Abwicklung des Geschäftsganges sicherzustellen hat.

Vorschriften zu erlassen hat die Geschäftsleitung somit allein für den Zweck des geregelten Geschäftsbetriebs, im Sinne einer geeigneten Organisation und Führungsstruktur im operativen Bereich. Vom Geschäftsbetrieb zu unterscheiden sind jedoch strategische Vorgaben und Vorgaben betreffend die Risikopolitik. So weist Art. 51 GOR Entscheide über die Sicherheitspolitik, den Erlass und die Überprüfung des Reglements für die Risikopolitik und das Risikomanagement eindeutig dem Bankrat zu und nicht der Geschäftsführung.

Wohl gehört zum Pflichtenheft der Geschäftsleitung gemäss Art. 75 Abs. 3 Ziff. 5 lit. a GOR die „Formulierung und Umsetzung der Risikopolitik gemäss den Richtlinien der Schweizerischen Bankiervereinigung sowie Erlass der diesbezüglichen Weisungen gemäss Art. 19 Abs. 3 BEHV“. So hat denn auch die Geschäftsleitung, wie es die Betitelung schon sagt, den „Annex der Geschäftsleitung betreffend Vorgaben für das Kreditportfolio“ erarbeitet. Verantwortlich zum Erlass dieser Weisung im Rahmen der Risikopolitik war jedoch der Bankrat, der dieses Reglement an seiner Sitzung vom [...] denn auch genehmigt hat. An dieser Stelle kann wiederholt werden, dass es normal, wenn nicht gleich die Pflicht der Geschäftsleitung war, initiativ Strategien und Geschäfte zuhanden des Bankrates vorzubereiten. Entsprechend war es gemäss Art. 52 lit. h GOR die Pflicht des Bankrates, die Umsetzung der Risikopolitik zu überwachen. Rein schon von der Wichtigkeit her für das Risikomanagement der Bank müssen Vorschriften zu Limiten und Ratings für die Kreditvergabe auf Stufe Bankrat festgesetzt werden und nicht auf Stufe Geschäftsleitung. Jene hat sich vielmehr im operativen Geschäft innerhalb dieser Vorschriften zu bewegen und darf oder muss Unregelmässigkeiten und Verbesserungsvorschläge dem Bankrat zum Entscheid vorlegen.

In Anbetracht dieser Umstände war die Geschäftsleitung nicht in der Verantwortung, die Kreditrisikopolitik der Bank zu konkretisieren und dafür Weisungen oder Reglemente zu erlassen. Eine mangelnde Regelung des Ausserrayongeschäfts kann ihr deshalb nicht vorgeworfen werden.

 

17.2.2. Fehler bei Kreditvergaben

Zum Geschäftsgebiet der Bank bestimmten Art. 3 aKBG und Art. 4 GOR übereinstimmend:

1 Das Geschäftsgebiet der Bank umfasst hauptsächlich den Kanton Glarus und die angrenzenden Gebiete.

2 Geschäfte in der übrigen Schweiz und im Ausland [Anm.: sog. Ausserrayongeschäfte] sind zulässig, soweit der Bank daraus keine besonderen Risiken erwachsen und die Zweckerfüllung im Kanton Glarus und den angrenzenden Gebieten nicht beeinträchtigt wird.“ 

 

Das Geschäftsgebiet der Bank war damit festgelegt als Stammeinzugsgebiet auf den Kanton Glarus und die daran angrenzenden Gebiete. Geschäfte ausserhalb des Stammeinzugsgebietes waren zulässig. Die Bank durfte dabei aber keine besonderen Risiken eingehen. Diese Voraussetzung korrespondierte mit der besonderen Natur einer Kantonalbank (Eigentümer, Dotationskapital, Staatsgarantie, Leistungsauftrag; siehe Memorial für die Landsgemeinde des Kantons Glarus vom Jahre 2003 S. 44). Obwohl es der Bankrat unterlassen hatte, diese Bestimmung „ausserhalb des Primärraumes keine besonderen Risiken eingehen“ zu konkretisieren und damit das mögliche Ermessen einzuschränken (vgl. Ziffer 17.1.1 vorstehend), sind Art. 3 aKBG und Art. 4 GOR grundsätzlich direkt anwendbar, da genügend bestimmt.

Die vorliegend relevanten Kreditvergaben (Abschluss Rahmenkreditverträge) erfolgten an Gesellschaften mit jeweiligem Sitz zur Zeit der Kreditvergaben in den folgenden Kantonen:

S.______:                   Sitz in [...], Kanton [...]

T.______:                   Sitz in [...], Kanton [...]

U.______, vormals U.______: Sitz in [...], Kanton [...]

V.______:                   Wohnsitz in [...]

W.______:                  Sitz in [...], Kanton [...]

X.______:                   Sitz in [...], Kanton [...]

 

Damit erfolgten vorliegend die relevanten Kreditvergaben ausserhalb des Stammeinzugsgebietes der Bank und waren damit sogenannte „Ausserrayongeschäfte“. Einzig die Kreditnehmerin W.______ hatte ihren Sitz im Stammeinzugsgebiet der Bank. Die Kreditvergaben an die S.______, an die T.______, an die U.______, an die X.______ und an V.______ waren damit nur dann zulässig, „soweit der Bank daraus keine besonderen Risiken erwachsen und die Zweckerfüllung im Kanton Glarus und den angrenzenden Gebieten nicht beeinträchtigt wird“ (Art. 3 Abs. 2 aKBG und Art. 4 Abs. 2 GOR).

Die S.______ firmierte im Handelsregister des Kantons Zürich ursprünglich als [...], AG für Wirtschaftsberatung, mit dem Zweck der Wirtschafts- und Personalberatung. Mitte des Jahres 2004 wurde sie umbenannt in [...] AG mit dem neuen Zweck, Handel mit Produkten der Unterhaltungselektronik in Europa. Hatte die [...], AG für Wirtschaftsberatung ursprünglich ein Aktienkapital von CHF 50'000.—, wurde dieses Mitte 2005 erhöht auf CHF 200'000.—, welches jedoch über Aktivdarlehen der Gesellschaft faktisch wieder entzogen worden war. Betrug die ausgewiesene Eigenkapitalbasis Ende 2004 rund CHF 100'000.—, wuchs sie Ende 2005 an auf rund CHF 370'000.—, Ende 2006 auf rund CHF 540'000.— und Ende 2007 auf rund CHF 750'000.—. Zugleich wuchs auch das Fremdkapital an von rund CHF 220'000.— Ende 2004, sprunghaft auf rund CHF 5.4 Mio. Ende 2005, auf CHF 24.9 Mio. Ende 2006 und auf CHF 29.4 Mio. Ende 2007. Bei der S.______ handelte es sich somit um eine weitgehend durch die Klägerin fremdfinanzierte Gesellschaft mit einer relativ geringen Kapitalbasis (so auch die Revisionsgesellschaft Y.______ in ihrer Analyse der Risikosituation der J.______ sowie die externe Revisionsstelle im aufsichtsrechtlichen Revisionsbericht vom 9. November 2007). Bis am 25. Oktober 2006 wurde ihre Kreditlimite schrittweise bis auf CHF 16.5 Mio. erhöht, während eine Sicherheit von lediglich CHF 500'000.— in Form einer (sich im Nachhinein wertlos erweisenden) Solidarbürgschaft von V.______ bestand. Damit lag der Grossteil des unternehmerischen Risikos bei der Kreditgeberin, der Bank. So stellte auch die externe Revisionsstelle in ihrem aufsichtsrechtlichen Revisionsbericht über das Geschäftsjahr 2007 fest: „Es handelt sich um eine weitgehende Fremdfinanzierung, die in keiner Weise in einem gesunden Verhältnis zum Eigenkapital steht. …. Das ganze unternehmerische Risiko liegt bei der J.______ und nicht beim Kreditnehmer. Die Gesellschaft ist unseres Erachtens nicht blankowürdig.“ 

Die T.______ wurde am 12. April 2002 mit einem Aktienkapital von CHF 100'000.— im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragen. Sie bezweckte die Entwicklung und Distribution von Internet-Terminals (Hard- und Software). Bereits im Bericht der Revisionsstelle über das Geschäftsjahr 2004 führte diese aus, dass die Gesellschaft sowohl zu Fortführungs- als auch zu Liquidationswerten überschuldet gewesen sei. Diese Situation hat sich auch in den Geschäftsjahren 2005 und 2006 nicht verändert. Dennoch gewährte die Bank der T.______ am 14. November 2005 einen Rahmenkredit in der Höhe von CHF 3.5 Mio. und erhöhte diesen am 22. November 2006 auf CHF 4.35 Mio. Damit stand dem Aktienkapital von lediglich CHF 100'000.— ein ungleich höheres Fremdkapital gegenüber. Auch bei dieser Gesellschaft handelte es sich um eine weitgehende Fremdfinanzierung, die in keiner Weise in einem gesunden Verhältnis zum Eigenkapital stand. Das ganze unternehmerische Risiko lag auch hier bei der Bank und nicht bei der Kreditnehmerin, zumal diese bereits zum Zeitpunkt der ersten Rahmenkreditsprechung überschuldet gewesen war.

Die U.______ und vormalige U.______ wurde am 16. Januar 2007 mit einem Aktienkapital von CHF 100'000.— im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragen. Sie bezweckte die Teilnahme an und die Organisation von Rennveranstaltungen und Fahrsicherheitsveranstaltungen. Nur gerade elf Monate nach Eintragung im Handelsregister und lediglich aufgrund einer unsignierten und ungeprüften Bilanz, bewilligte die Bank der U.______ einen Rahmenkredit von CHF 1 Mio. Es war bekannt, dass die S.______ der U.______ bereits ein Darlehen von CHF 250'000.— zur Verfügung gestellt hatte, womit das Fremdkapital schon zur Zeit der Rahmenkreditgewährung zweieinhalb Mal so hoch gewesen war wie das Eigenkapital. Das unternehmerische Risiko trug damit auch hier massgeblich die Bank. So beurteilte auch die Y.______ in ihrem Bericht zur Risikosituation der J.______ vom 3. Juli 2008 die Kreditposition U.______ wie folgt:

„Aufgrund der für die Kredithöhe ungenügenden Ertragslage und fehlenden Nachweisen bezüglich zukünftiger Eingänge ist dieses Engagement mit äusserst hohen Risiken behaftet und entsprechend zu wertberichtigen.“

 

Am 15. resp. 18. Oktober 2007 sprach die Bank V.______ einen Rahmenkredit von EUR 350'000.— zur Refinanzierung eines Autokaufs. Der Rennwagen sollte im [...] Rennstall eingesetzt werden. Er wurde von der U.______ gekauft mit Mitteln aus dem Darlehen der Bank an V.______. Mit diesem Kreditengagement finanzierte die Klägerin indirekt wiederum die U.______.

Die X.______ wurde am 3. Juni 2005 mit einem Aktienkapital von CHF 150'000.— im Handelsregister des Kantons Thurgau eingetragen. Sie bezweckte die Produktion und den Vertrieb von Biogasanlagen sowie deren Wartung zur Sicherstellung des Betriebs. Nur gerade fünf Monate nach ihrer Gründung bewilligte ihr die Klägerin den ersten Rahmenkredit über CHF 2.16 Mio. In der Kreditvorlage vom 17. November 2005 schrieb die Klägerin unter Kreditwürdigkeit: „Bisher keine Erfahrungen“. Eine Bilanzanalyse konnte lediglich aufgrund von Planzahlen durchgeführt werden. Als Eigenfinanzierungsgrad wurde 5 % für das Jahr 2006 eingesetzt. Das unternehmerische Risiko trug damit auch hier massgeblich die Bank. Bereits im Bericht über das erste halbe Geschäftsjahr Juni bis Dezember 2005 erwähnt die Revisionsstelle, dass die X.______ überschuldet sei, der Verwaltungsrat jedoch auf die Benachrichtigung des Richters verzichte, da die finanzierende Bank im Betrag von CHF 1.4 Mio. Rangrücktritt erklärt habe. Am 5. resp. 13. März 2007 erhöhte die Bank den Rahmenkredit für die X.______ dennoch auf CHF 4.42 Mio. In der entsprechenden Kreditvorlage vom 12. Februar 2007 schrieb sie unter „Bilanzanalyse“:

„Eine Bilanzanalyse ergibt zum jetzigen Zeitpunkt noch ein negatives Bild, da es im Juni 2005 gegründet wurde. Das Jahr 2006 stand im Zeichen des Aufbaus des Unternehmens. Der uns ausgehändigte, revidierte Zwischenabschluss per 30.09.2006 ergibt ein Rating 10 [Anm.:von 12!], …. Das Unternehmen ist überschuldet, durch den Rangrücktritt auf Darlehen über CHF 1.7 Mio. konnte OR 725 abgewendet werden.“

 

Am 27. Februar 2007 wurde das Aktienkapital auf CHF 168'750.— und am 7. November 2007 noch auf CHF 412'500.— erhöht, bevor schliesslich am 6. Mai 2008 über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet wurde.

Die W.______ wurde am 11. August 2006 mit einem Aktienkapital von CHF 100'000.— im Handelsregister des Kantons Schwyz eingetragen. Sie bezweckte den Grosshandel mit Artikeln im In- und Ausland, welche für die Einrichtung und Ausstattung von Grossküchen aller Art bestimmt waren. Nachdem die W.______ ihren Sitz von Pfäffikon SZ nach Ziegelbrücke GL verlegt hatte, wurde die Gesellschaft am 26. Oktober 2007 im Handelsregister des Kantons Glarus eingetragen und am 7. November 2007 im Handelsregister des Kantons Schwyz gelöscht. Die W.______ hatte ihren Sitz somit stets im Stammeinzugsgebiet der Bank (vgl. Art. 3 Abs. 2 aKB und Art. 4 Abs. 2 GOR). Es ist jedoch davon auszugehen, dass die W.______ faktisch hauptsächlich zum Zwecke der Sanierung der Z.______ gegründet worden war (siehe Schreiben der Deutschen Bank AG vom 31. August 2006). Auch im Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses 2005 der Z.______ berichtete die Revisionsstelle von Sanierungsbemühungen. Mit den ihr von der Bank gewährten Krediten erwarb die W.______ nämlich Firmenanteile der Z.______ in Deutschland und finanzierte deren Umlaufvermögen, und dies mit Wissen der Bank. So schrieb die Bank bereits in der Kreditvorlage vom 11. August 2006:

3.1 Verwendungszweck (wozu dient der Kredit, das Darlehen oder der Erhöhungsbetrag)

EUR 1'500'000.00 stehen für den Kauf der Gesellschaft [...] durch die neu zu gründende W.______ (Kreditnehmer) zur Verfügung

EUR 2'000'000.00 stehen für die Finanzierung des Umlaufvermögens der [...] gegen Nachweis der vorhandenen Aufträge zur Verfügung“ 

 

Ausser bei der W.______ handelt es sich bei sämtlichen vorgenannten Krediten, beim Kredit an V.______ indirekt, um die Finanzierung von unlängst neu gegründeten oder neu aufgegleisten Unternehmen mit hohem Fremdkapitalanteil, um sogenannte Start-Up-Unternehmen und bei der W.______ faktisch um eine Sanierung einer Gesellschaft im Ausland (so auch der Bericht der Y.______ zur Risikosituation der J.______ vom 3. Juli 2008). Es ist gerichtsnotorisch, dass Start-Up-Investments grundsätzlich als Kapitalanlagen der höchsten Risikoklasse einzustufen sind, als sogenanntes Risikokapital. Angesichts des hohen Risikocharakters und der langen Beteiligungsdauer kann niemand im Vorfeld sagen, ob sich ein Investment in ein bestimmtes Start-Up-Unternehmen lohnt. Solche neu gegründete Unternehmen können wenig oder gar keine Sicherheiten bieten. Entsprechend erfolgten sämtliche vorliegend relevanten Kreditvergaben ungedeckt Unter „Blankokredite“ versteht man Kredite, die ohne Stellung von bewertbaren Kreditsicherheiten gewährt werden. Die Bank ist auf das ganze Vermögen des Kreditnehmers angewiesen, das aber auch all seinen übrigen Gläubigern haftet. Als banktechnische Faustregel gilt, dass ein Blankokredit etwa 25 – 30 % des auf seinen tatsächlichen Stand geprüften Eigenkapitals des Kreditnehmers betragen darf, wobei eine gute Ertragslage und einwandfreie Liquidität vorausgesetzt werden. Über diese sogenannte „Blankofähigkeit“ verfügten die vorliegend relevanten Kreditnehmer als Start-Up-Unternehmen im nicht primären Geschäftsgebiet der Bank allesamt nicht. Dieselben Überlegungen gelten auch für Unternehmenssanierungen und damit für das Engagement bei der W.______. Auch die Y.______ schrieb in ihrem Bericht zur Risikosituation der J.______ vom 3. Juli 2008 über die Kreditposition W.______ was folgt:

„Da keine verlässlichen Finanzinformationen vorliegen ist diese Position schwer beurteilbar, ist jedoch zweifellos mit sehr hohen Risiken behaftet. Faktisch wird insbesondere die operativ tätige [...] finanziert.“

              

Und die externe Revisionsstelle schrieb im aufsichtsrechtlichen Revisionsbericht vom 9. November 2007 zum Kreditengagement W.______:

„Weitgehende Finanzierung bei schwacher Ertragslage und tiefer
Eigenkapitalbasis. Wenn sich die Ertragslage nicht innert kurzer Zeit verbessert, ist die Gesellschaft innerhalb von einem Jahr überschuldet… Aufgrund des noch nicht nachgewiesenen Turnarounds sowie den Liquiditätsengpässen ist das Engagement stark gefährdet. Die Gesellschaft ist aufgrund dieser Umstände nicht blankowürdig. Aufgrund des erhöhten Risikos und der nicht beurteilbaren Werthaltigkeit der Garantie ist eine WB von CHF 4.5 Mio. …. zu bilden.“

 

Wohl konnte die Bank gemäss Art. 22 GOR für die Finanzierung erfolgversprechender Projekte besondere Risiken übernehmen. Diese Bestimmung galt jedoch nur für das primäre Geschäftsgebiet der Bank, nämlich den Kanton Glarus und die angrenzenden Gebiete. Bei Geschäften in der übrigen Schweiz und im Ausland war die Übernahme besonderer Risiken, welche die Zweckerfüllung im Kanton Glarus und den angrenzenden Gebieten beeinträchtigten gerade nicht zulässig und damit auch Finanzierungen nach Art. 22 GOR ausgeschlossen.

Die vorliegend relevanten Kreditvergaben an die S.______, an die T.______, an die U.______, an die X.______ sowie an V.______ waren allesamt, und dies nicht nur im Rückblick, sondern auch in der damaligen Sicht betrachtet und damit unter Ausschluss eines „Rückschaufehlers“, höchst risikobehaftete Engagements an Start-Up-Unternehmen und an eine mit diesen Unternehmen (ausser mit der X.______) eng verbundenen Privatperson, ausserhalb des Stammeinzugsgebietes der Bank. Die Kredite an die W.______ waren faktisch Sanierungskredite an eine Gesellschaft im Ausland, wobei die W.______ offensichtlich als Finanzierungsgehilfin oder „Katalysator“ für die Z.______ diente. Diese stark risikobehafteten Kreditengagements führten automatisch dazu, dass bei der Bank angelegte Spargelder, von der Staatshaftung abgesehen, an Einlagesicherheit und sämtliche anderen Kreditvergaben an Bestandessicherheit verloren. Diese Gelder standen dadurch auch zur Finanzierung anderer Unternehmen nicht mehr zur Verfügung. Daraus folgt, dass die vorliegend erfolgten, stark risikobehafteten Kreditengagements, zweifellos auch die Zweckerfüllung der Bank im Kanton Glarus und den angrenzenden Gebieten beeinträchtigt haben. Alle diese Kreditengagements widersprachen damit offensichtlich den Bestimmungen von Art. 3 Abs. 2 aKB und Art. 4 Abs. 2 GOR, was bereits zum Zeitpunkt der Rahmenkreditabschlüsse ohne weiteres erkennbar gewesen war. Bei diesen Kreditvergaben hatten die jeweils beteiligten und zustimmenden Geschäftsleitungsmitglieder das ihnen zustehende Ermessen klar überschritten. Es handelt sich dabei somit nicht lediglich um solche Geschäftsführungsentscheide im Sinne der eingeschlagenen Strategie und der Kreditpolitik, welche im Sinne der Business Judgement Rule zu beurteilen sind. Die vorliegenden Ermessensüberschreitungen sind vielmehr Rechtsverletzungen (vgl. Häfelin/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Zürich 2002, Rz 467).

Nachfolgend stellt sich die Frage, wem von den vorliegend beklagten Geschäftsleitungsmitgliedern die vorstehend festgestellten Pflichtwidrigkeiten zugerechnet werden können respektive welche Geschäftsleitungsmitglieder die vorstehenden Kredite gesprochen oder bewilligt haben. Dabei ist zu beachten, dass der Beklagte 8, H.______, erst ab 1. August 2006 zu Geschäftsleitung zu zählen ist (vgl. Ziffer 15 vorstehend) und die Klägerin gegen ihn Schadenersatzansprüche allein für die Zeit, als er Organ der Bank gewesen sei, ab 1. August 2006, geltend macht. Dazu sind die entsprechenden Rahmenkreditverträge, Kreditvorlagen und Sitzungsprotokolle der Bank herbeizuziehen.

Gemäss Art. 85 Abs. 1 GOR sind die Beschlüsse der Geschäftsleitung in einem Protokoll festzuhalten, das vom Sitzungspräsidenten und von der protokollführenden Person zu unterzeichnen ist. Vorliegend sind nur wenige Protokolle der Sitzungen des Kreditausschusses doppelt unterzeichnet. Das Gericht ist jedoch davon überzeugt, dass auch die einfach unterschriebenen Protokolle die Geschehnisse an den jeweiligen Kreditausschuss-Sitzungen unverfälscht wiedergeben und lässt daher als Beweismittel diese, alleine von der Protokollführerin unterschriebenen Protokolle, genügen. Bezüglich einiger Kreditentscheide sind die Protokolle jedoch nicht unterschrieben oder die Klägerin hat gar keine Protokolle eingereicht, obwohl das Gericht sie mit Verfügung vom 15. April 2013 aufgefordert hatte, die betreffenden Kreditdossiers vollständig und im Original zu edieren. Das Gericht hatte die Klägerin in der genannten Verfügung auch darauf hingewiesen, dass, wenn eine Partei die Mitwirkung verweigert oder wenn diese mangelhaft ist, dies das Gericht gemäss Art. 181 Abs. 1 ZPO GL bei der Beweiswürdigung berücksichtigen werde. Dem entsprechend können vorliegend die fehlenden und nicht unterschriebenen Protokolle des Kreditausschusses nicht berücksichtigt werden, zumal sich ohne Protokolle die Verantwortlichkeiten für die betreffenden Kreditvergaben auch nicht schlüssig feststellen lassen. Folgende Verantwortlichkeiten lassen sich feststellen: 

S.______:

Rahmenkreditvertrag vom 29. Juni 2005 resp. 1. Juli 2005:

Kreditlimite CHF 0.5 Mio. 

bewilligt durch H.______ als Arbeitnehmer

 

Rahmenkreditvertrag vom 7. resp. 12. und 13. Dezember 2005:

Kreditlimite neu CHF 5.3 Mio.

bewilligt durch Kreditausschuss: F.______, G.______ und H.______ als Arbeitnehmer

 

Rahmenkreditvertrag vom 3. resp. 13. März 2006:

Kreditlimite neu CHF 11.7 Mio.

bewilligt durch Kreditausschuss: F.______, G.______, H.______ als Arbeitnehmer

Rahmenkreditvertrag vom 24. resp. 25. Oktober 2006:

Kreditlimite neu CHF 16.5 Mio.

bewilligt durch Kreditausschuss: H.______, F.______, G.______

 

T.______:

Rahmenkreditvertrag vom 11. resp. 14. November 2005:

Kreditlimite CHF 3.5 Mio.

bewilligt durch Kreditausschuss: Protokoll nicht unterzeichnet

Rahmenkreditvertrag vom 17. resp. 22. November 2006:

Kreditlimite neu CHF 4.35 Mio.

bewilligt durch Kreditausschuss: H.______, kein Protokoll Kreditausschuss eingereicht


U.______:

Rahmenkreditvertrag vom 19. Dezember 2007:

Kreditlimite CHF 1.0 Mio.

bewilligt durch H.______

 

V.______:

Darlehensvertrag vom 15. resp. 18. Oktober 2007:

Kredit EUR 350'000.— (entspricht CHF 585'270.—, Kurs 1.6722 am 18. Oktober 2007, www.finanzen.ch, Währungsrechner)

bewilligt durch H.______

                                           

X.______:

Rahmenkreditvertrag vom 7. resp. 9. Dezember 2005:

Kreditlimite CHF 2.16 Mio.

bewilligt durch Kreditausschuss: kein Protokoll eingereicht

Rahmenkreditvertrag vom 5. resp. 13. März 2007:

Kreditlimite neu CHF 4.42 Mio.

bewilligt durch Kreditausschuss: H.______ und F.______

 

W.______:

Rahmenkreditvertrag vom 5. resp. 6. September 2006:

Kredit CHF 5.6 Mio.

bewilligt durch Kreditausschuss: Protokoll nicht unterzeichnet

Rahmenkreditvertrag vom 24. und 27. April 2007 resp. 14. Mai 2007:

Kredit EUR 5.5 Mio. (entspricht CHF 9.08 Mio.; Kurs 1.6515 am 14. Mai 2007, www.finanzen.ch, Währungsrechner)

bewilligt durch Kreditausschuss: H.______ und G.______

 

Damit haben die Beklagten 6 – 8 für die Vergabe der folgenden Kreditsummen nachweislich ihre Sorgfaltspflichten verletzt:

F.______:                          S.______:              Krediterhöhung um CHF 16 Mio.

                                           X.______:              Krediterhöhung um CHF 2.26 Mio.

                                           Total:                     CHF 18.26 Mio.

                                                                         (36.0 % im Verhältnis der Totale der drei Geschäftsleitungsmitglieder)

                                          

G.______:                         S.______:              Krediterhöhung um CHF 16 Mio.

                                           W.______:             Krediterhöhung um CHF 3.48 Mio.

                                           Total:                     CHF 19.48 Mio.

                                                                         (38.4 % im Verhältnis der Totale der drei Geschäftsleitungsmitglieder)                   

 

H.______:                          S.______:              Krediterhöhung um CHF 4.8 Mio.

(ab 01.08.2006)                 T.______:               Krediterhöhung um CHF 0.85 Mio.

                                           U.______:              Kredit von CHF 1 Mio.

                                           V.______:              Kredit von EUR 350'000.—

                                                                         (CHF 585'270.—)

                                           X.______:              Krediterhöhung um CHF 2.26 Mio.

                                           W.______:             Krediterhöhung um CHF 3.48 Mio.

                                           Total:                     CHF 12'975'270.—

                                                                         (25.6 % im Verhältnis der Totale der drei Geschäftsleitungsmitglieder)

 

Die Prozentsätze des Verhältnisses der Totale der drei Geschäftsleitungsmitglieder zueinander (36 % bei F.______, 38.4 % bei G.______ und 25.6 % bei H.______, insgesamt 100 %) dienen der Schadenszurechnung (vgl. Ziffer 30 nachstehend).

Bei den Kreditbeschlüssen durch den Kreditausschuss waren allfällig abweichende Meinungen und deren Begründungen in den jeweiligen Protokollen festzuhalten, was vorliegend nicht gemacht wurde (vgl. Art. 83 Abs. 1 GOR). Wohl mögen die Kreditanträge im Kreditausschuss eingehend und mit verschiedenen Meinungen diskutiert worden sein. Gemäss den eingereichten Protokollen des Kreditausschusses ist jedoch davon auszugehen, dass sämtliche jeweils anwesenden Mitglieder die jeweiligen Entscheide schliesslich mitgetragen haben. Allfällige Handakten und mündliche Aussagen dazu sind nicht relevant. Wohl hatte der CEO den Stichentscheid. Es lag jedoch in der Verantwortung der übrigen Mitglieder des Kreditausschusses, allfällige abweichende Meinungen gemäss Art. 83 Abs. 1 GOR verbindlich protokollieren zu lassen, auch und gerade im Hinblick auf mögliche Verantwortlichkeitsansprüche.

 

17.2.3. Pflichtverletzungen Geschäftsleitung - Fazit

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Geschäftsleitung und damit die Beklagten 6 – 8 bei den unter Ziffer 17.2.2 vorstehend erwähnten Kreditvergaben gegen Art. 3 Abs. 2 aKBG und gegen Art. 4 Abs. 2 GOR verstossen und damit ihre Pflichten verletzt haben.

 

18. Verschulden im Sinne von Art. 754 OR

Weitere Voraussetzung für eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Bankrates und der Geschäftsleitung ist, dass ihnen für ihr Tun ein Schuldvorwurf gemacht werden kann. Schuldhaft handelt, wer entweder absichtlich, also mit Wissen und Willen, oder fahrlässig einen Schaden herbeiführt. Fahrlässigkeit setzt voraus, dass der Eintritt des Schadens objektiv voraussehbar war. Nicht erforderlich ist, dass der Haftpflichtige selber den Schadenseintritt bzw. den vollen Umfang des eingetretenen Schadens vorausgesehen hat. Es genügt, dass sich der Schädiger nach der ihm zuzumutenden Aufmerksamkeit und Überlegung hätte sagen sollen, es bestehe eine konkrete Gefahr der Schädigung. Das Verschulden wird an einem objektiven Massstab gemessen. Es genügt daher nicht, dass die Organperson die gleiche Sorgfalt wie in ihren eigenen Angelegenheiten aufgewendet hat. Ein Verschulden ist vielmehr dann gegeben, wenn der Betreffende nicht so sorgfältig gehandelt hat, wie es seine konkrete Stellung geboten hätte. Haftungsverschärfend wirkt daher etwa eine gesellschaftsinterne Sonderfunktion. Der objektive Verschuldensmassstab führt dazu, dass sich kaum ein Bankrats- oder Geschäftsleitungsmitglied exkulpieren kann, wenn eine Pflichtverletzung erstellt ist. Dabei kommen den unter Ziffer 17 vorstehend begangenen Pflichtwidrigkeiten verschuldensindizierende Wirkung zu (vgl. Müller/Lipp/Plüss, Der Verwaltungsrat, 4. Auflage, Zürich 2014, S. 341 f.; Bertschinger, Basler Kommentar Bankengesetz, 2. Auflage, Basel 2013, N. 15 zu Art. 39 BankG).

Vorliegend hat die Klägerin ein Verschulden der Beklagten 1 – 8 rechtsgenügend nachgewiesen. So haben es der Bankrat und damit die Beklagten 1 – 5 pflichtwidrig versäumt, das Ausserrayongeschäft angemessen zu regeln und die Geschäftsleitung und deren Handlungen adäquat zu überwachen. Die Geschäftsleitung und damit die Beklagten 6 – 8 haben stark risikobehaftete Kreditengagements gesprochen und damit gegen Art. 3 Abs. 2 aKBG und gegen Art. 4 Abs. 2 GOR verstossen.

In Anbetracht dieser Umstände kann jedem der Beklagten 1 – 8 ein Schuldvorwurf gemacht werden. Wohl ist nicht anzunehmen, dass sie vorsätzlich gehandelt hätten, zumindest jedoch fahrlässig. Ein möglicher Schaden durch ihre Handlungen bzw. Unterlassungen oder zumindest eine konkrete Gefahr der Schädigung war für alle Beklagten voraussehbar. Mit der ihnen zuzumutenden objektiven Aufmerksamkeit und Überlegung hätte jeder der Beklagten 1 – 8 anders handeln müssen. In ihrer Stellung als Bankräte und als Mitglieder der Geschäftsleitung wäre es ihnen zuzumuten gewesen und hätte es ihre Stellung geboten, vorausschauender und sorgfältiger zu handeln. Namentlich der Beklagte 1 als Bankratspräsident und der Beklagte 6 als Vorsitzender der Geschäftsleitung müssen sich in ihren Sonderfunktionen eine Haftungsverschärfung anrechnen lassen. Der Umstand, dass sich die Beklagten 1 – 5 als Bankräte weitgehend auf die noch einige Zeit positiven Berichte der Revisionsstellen und damit zulässigerweise auf Fachleute verlassen haben, ist bei der Zumessung des Verschuldens entsprechend mindernd zu berücksichtigen (Gericke/Waller, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 32 zu Art. 754 OR). Zur Höhe des individuellen Verschuldens der Beklagten 1 – 8 und der Schadenersatzbemessung wird auf die Ziffern 30 und 31 nachstehend verwiesen.

 

19. Adäquater Kausalzusammenhang im Sinne von Art. 754 OR

Voraussetzung für eine Haftung ist, dass das widerrechtliche und schuldhafte Verhalten des Organs den Schaden verursacht hat. Dabei ergibt sich aus Art. 759 Abs. 1 OR, dass der Haftpflichtige nur für denjenigen Schaden einzutreten hat, den er persönlich, wenn auch im Zusammenspiel mit anderen Organen, verursacht hat. Der Kausalzusammenhang muss adäquat sein, d.h. eine Ursache muss „nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der Erfahrung des Lebens geeignet sein, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, so dass der Eintritt dieses Erfolges durch jenes Ereignis allgemein als begünstigt erscheint.“

Durch Unterlassung gilt ein Schaden dann als adäquat verursacht, wenn er durch pflichtgemässes Verhalten hätte vermieden werden können. Bei der Feststellung des hypothetischen Kausalverlaufs bei rechtmässigem Handeln muss auf die allgemeine Lebenserfahrung abgestellt werden. Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung gilt das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit namentlich für den Nachweis des natürlichen bzw. hypothetischen Kausalzusammenhangs (BGE 132 III 720). Die Beweislast dafür trägt der Geschädigte und ist ein wesentlicher Teil des Klagefundaments, wobei jedoch an die Beweisführung keine hohen Anforderungen gestellt werden. Im Übrigen gelten die allgemeinen Grundsätze des Haftpflichtrechts (Gericke/Waller, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 42 und 45 zu Art. 754 OR; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, S. 429).

Hätte vorliegend der Bankrat das Ausserrayongeschäft angemessen geregelt, sowie die Geschäftsleitung und deren Handlungen adäquat überwacht, hätte die Geschäftsleitung die vorliegend relevanten Kreditengagements nicht eingehen können und wäre damit auch der vorliegende Schaden nicht entstanden. Hätte zudem die Geschäftsleitung bei ihren Kreditgeschäften ihr Ermessen nicht überschritten, wäre es auch nicht zu den vorliegenden Kreditverlusten, dem vorliegenden Schaden, gekommen. Ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen den Verhaltensweisen des Bankrates und der Geschäftsleitung und dem entstandenen Schaden ist somit auch hier nachgewiesen. Die Klägerin hat rechtsgenügend aufgezeigt, dass die Pflichtverletzungen der Beklagten 1 – 8 adäquate Ursache des eingetretenen Schadens sind respektive dass bei pflichtgemässem Handeln der Schaden hätte vermindert werden können.

Dadurch, dass der Bankrat das Ausserrayongeschäft nicht angemessen geregelt und die Geschäftsleitung und deren Handlungen nicht adäquat überwacht hatte, war es der Geschäftsleitung erst möglich, die vorliegend relevanten Kreditengagements einzugehen. Der Schaden entstand somit erst durch das Zusammenwirken aller dieser Ursachen. Die Teilursachen stehen im Verhältnis der gegenseitigen Bedingtheit. Das Fehlen einer Bedingung hätte das gänzliche Ausbleiben der in Frage stehenden Wirkung zur Folge gehabt. Jede dieser Ursachen war eine notwendige Bedingung des Schadens (vgl. Fellmann/Kottmann, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bern 2012, Rz 2750).

Die Beklagten 1 und 2 erklären, der vorliegende Schaden sei auch auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung (Finanzkrise) und den daraus folgenden wirtschaftlichen Abschwung zurückzuführen.

Vorliegend kann davon ausgegangen werden, dass dieser wirtschaftliche Abschwung im Jahre 2007 als Teilursache auch zum Schaden beigetragen hat. Dabei ist anzunehmen, dass weder die vorliegend relevanten Kreditvergaben noch der wirtschaftliche Abschwung allein den Schaden im eingetretenen Umfang herbeigeführt hätten. Der Schaden entstand vielmehr erst durch das Zusammenwirken beider Ursachen. Die Auswirkungen jeder Einzelursache zu eruieren und ihr eine Verursacherquote zuzuteilen ist jedoch nicht möglich, weshalb jede Einzelursache eine notwendige Bedingung des Schadens ist. Damit haften die vorliegend Beklagten im Verhältnis zur Klägerin für den ganzen Schaden, wie wenn sie ihn allein verursacht hätten (vgl. Rey, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, Zürich 1995, Rz 633; Fellmann/Kottmann, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bern 2012, Rz 2747 ff.).

 

20. Aktienrechtliche Verantwortlichkeit nach Art. 754 OR - Fazit

Für die Beklagten 1 – 8 sind sämtliche Voraussetzungen der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit nach Art. 754 OR gegeben. Sie sind somit grundsätzlich der Klägerin, unter Beachtung der differenzierten Solidarität gemäss Art. 759 OR (vgl. Ziffer 30 nachstehend), für den verursachten Schaden verantwortlich, der Beklagte 8, H.______, für die vorliegend relevanten Kreditvergaben ab 1. August 2006 (vgl. Ziffer 15 vorstehend).

 

21. Voraussetzungen der Revisionshaftung nach Art. 755 OR

Nach Art. 755 Abs. 1 OR sind alle mit der Prüfung der Jahresrechnung befassten Personen der Gesellschaft für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen.

Der Kreis der Anspruchsberechtigten in Art. 755 OR ist identisch mit demjenigen von Art. 754 OR (s. Ziffer 14 vorstehend).

Aus Art. 39 BankG ergibt sich, dass die von der Bank ernannte aufsichtsrechtliche als auch die privatrechtliche Prüfgesellschaft der aktienrechtlichen Haftungsordnung nach Art. 755 OR unterstehen und damit passivlegitimiert sind. Aus bankgesetzlicher Optik sind die in Art. 755 Abs. 1 OR genannten Pflichten entsprechend den bankenrechtlichen Vorschriften zu konkretisieren. Dabei sind namentlich die besondere Stellung sowie die Prüfarbeiten der Prüfgesellschaft zu berücksichtigen. Ist mit den Funktionen der Revisionsstelle, wie vorliegend, eine juristische Person befasst, so trifft diese die Verantwortlichkeit und nicht etwa zusätzlich auch die mit der Prüfung tatsächlich betrauten einzelnen Angestellten. Der Haftung nach Art. 755 OR unterliegen sämtliche gesetzlich vorgeschriebenen Tätigkeiten der Revisionsstelle, die sie in ihrer Organfunktion ausübt oder auszuüben hat (Bertschinger, Basler Kommentar Bankengesetz, 2. Auflage, Basel 2013, N. 2b zu Art. 39 BankG; Gericke/Waller, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 4 - 6 zu Art. 755 OR).

Für die allgemeinen Voraussetzungen einer Haftung nach Art. 755 Abs. 1 OR kann vollumfänglich auf die vorgehenden Ausführungen zu Art. 754 Abs. 1 OR in Ziffer 14 verwiesen werden. Bei der Voraussetzung der Kausalität ist anzumerken, dass es sich bei Pflichtverletzungen der Revisionsstelle praktisch immer um Unterlassungen handelt. Dabei ist jeweils zu fragen, ob der geltend gemachte Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn die Revisionsstelle ihre Pflichten erfüllt hätte. Gemäss Art. 759 OR ist das Verschulden der Revisionsstelle gesondert zu prüfen und im Aussenverhältnis zu berücksichtigen (Gericke/Waller, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 19 und N. 22 zu Art. 755 OR).

 

22. Voraussetzung Schaden im Sinne von Art. 755 OR

Hinsichtlich des Schadens kann auf die Ausführungen zu Art. 754 OR verwiesen werden (vgl. Ziffer 16 vorstehend).

Folgender Schaden ist von der Klägerin nachgewiesen: CHF 33'923'248.48, EUR 3'397'069.87 und USD 1'788'520.60.

 

23. Voraussetzung Pflichtverletzung im Sinne von Art. 755 OR

Die mit der Revision befassten Personen haften für die Verletzung ihrer Pflichten gemäss Gesetz (Gericke/Waller, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 12 zu Art. 755 OR). Zusätzlich sind die in Art. 755 Abs. 1 OR erwähnten Pflichten entsprechend den aufsichtsrechtlichen Vorschriften zu konkretisieren. Eine grosse Bedeutung kommt in der Aufsichtspraxis den Rundschreiben der Eidgenössischen Bankenkommission zu. Darin legt die Aufsichtsbehörde dar, wie sie das Bankengesetz und weitere Finanzmarktgesetze anwendet. Die Verletzung von Vorgaben eines solchen Rundschreibens kann einer haftungsbegründenden Pflichtverletzung gleichkommen (Bertschinger, Basler Kommentar Bankengesetz, 2. Auflage, Basel 2013, N. 18 zu Art. 39 BankG).

Die Klägerin wirft der Beklagten 9, I.______, als bankengesetzliche externe Revisionsstelle vor, die Verletzung von Art. 3 aKBG (Verbot besonderer Risiken bei Ausserrayongeschäften) und den markant höheren Wertberichtigungsbedarf zu spät erkannt zu haben. Sie habe Prüfurteile positiv formuliert und damit Zusicherungen hohen Grades abgegeben, was sich im Nachhinein als falsch erwiesen habe. Für solche Zusicherungen hätte sie volle Prüfungen durchführen müssen und sich nicht lediglich auf eine prüferische Durchsicht des Bonitätsrisikos beschränken dürfen. Die Beklagte 9 habe irreführende Prüfurteile abgegeben, welche sich nicht auf hinreichende Prüfungshandlungen gestützt hätten. Sie habe Prüfurteile positiv formuliert, was nachweislich falsch gewesen sei. So habe sie zugesichert, dass die Bank eine vorsichtige Risikopolitik betreibe, sich die Risikolage im Vergleich zum Vorjahr nicht massgeblich verändert habe, mögliche Verluste in einem angemessenen Verhältnis zu Kapital und Ertrag stünden und Verfahrensabläufe zweckmässig, entsprechend der Geschäftstätigkeit, ausgestaltet seien. Weiter behauptet die Klägerin, dass den Prüfurteilen die erforderlichen Abklärungen nicht zugrunde gelegen hätten. Die Beklagte 9 habe es bei ihren Prüfungen an jeglicher Sorgfalt fehlen lassen. Schliesslich habe die Beklagte 9 ab November 2007 ihre Prüfurteile Schritt für Schritt widerrufen müssen.

Für die Entgegnungen der Beklagten 9 wird auf Ziffer 8 vorstehend verwiesen.

Gemäss Ziffer 5 des Rundschreibens der Eidgenössischen Bankenkommission EBK vom 29. Juni 2005 (nachfolgend „EBK-RS 05/1“) werden die jährlichen Prüfungen nach Art. 19 Abs. 1 aBankG unterteilt in eine Rechnungsprüfung und eine Aufsichtsprüfung mit separater Berichterstattung. Vorliegend interessieren schwergewichtig die jährlichen Aufsichtsprüfungen, welche massgeblich durch die Vorgaben der Bankenkommission bestimmt wurden (EBK-RS 05/01 Ziffer 7). Zum Prüfvorgehen bestimmt EBK-RS 05/01 was folgt:

„Der Prüfer muss ein generelles Verständnis der Geschäftstätigkeit, der internen Kontrollen und des Umfelds des Instituts erlangen, das hinreicht, um die Prüfung zu planen und eine wirkungsvolle Prüfstrategie zu entwickeln. Dazu verschafft sich der Prüfer insbesondere Kenntnisse über

….

·        die Risikoexposition des Instituts

       ….

Die Prüfgesellschaft führt im Rahmen der jährlichen Prüfplanung eine Risikoanalyse des zu prüfenden Instituts durch.

….

Die Prüfgesellschaft hält die wesentlichen Ergebnisse ihrer Risikoanalyse in Form eines Risikoprofils des Instituts und einer Liste der identifizierten Schlüssel-Prüfrisiken fest.“

 

Im Rundschreiben der Eidgenössischen Bankenkommission zur Berichterstattung über die Prüfung bei Banken (nachfolgend „EBK-RS 05/2“) bestimmt Kapitel III, Rz 77 ff. was folgt:

„ Die Prüfgesellschaft hält die Ergebnisse ihrer Analyse der Risikolage im Sinne einer Zusammenfassung fest. Sie nimmt Stellung zur Angemessenheit der Identifikation, Messung, Bewirtschaftung und Überwachung der Risiken durch das Institut.

….

Die Prüfgesellschaft hält hier auch fest, ob aus ihrer Sicht Massnahmen der Bankenkommission notwendig sind oder nicht.“

 

Zur Risikolage bestimmt EBK-RS 05/2 was folgt:

„Die Prüfgesellschaft beurteilt die Entwicklung der Risikoexposition des Instituts in den als wesentlich identifizierten Risikokategorien….

Die Prüfgesellschaft analysiert qualitative und quantitative Angaben zu den wesentlichen Risikokategorien….und nimmt darauf gestützt knapp und klar Stellung zur Risikolage des Instituts….

Die qualitative Analyse beinhaltet dabei, falls anwendbar, pro Risikoart namentlich folgende Elemente:

·         angewandte Methoden zur Identifikation der Risiken;

·         angewandte Methoden zur Messung der Risiken;

·         angewandte Methoden zur Steuerung und Überwachung der
Risiken;

·         angewandte Methoden zur Bestimmung von angemessenen Wertberichtigungen und Rückstellungen;

·         bankinterne Risikozahlen und interne Berichterstattung;

·         Limiten- und Ratingsysteme;

·         Unabhängigkeit der Risikokontrollorgane.

Die quantitative Analyse beinhaltet dabei, falls anwendbar, pro Risikoart namentlich folgende Elemente:

·           quantitative Angabe der eingegangenen Risiken aufgrund einer Marktbewertung;

·           „value-at-risk“;

·           Verhältnismässigkeit und Einhaltung von Limiten;

·           Ergebnisse von Stresstests;

·           erwartete Verluste;

·           Eckwerte zu den Wertberichtigungen und Rückstellungen.“

 

Bei der Aufsichtsprüfung durch die bankengesetzliche Revisionsstelle ist somit der Bereich „Risiko“ zentral und ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit. So erklärt auch die Beklagte 9 selbst, die Prüftätigkeit der Revisionsstelle bezwecke die Aufdeckung übermässiger Risiken (z.B. solche Geschäfte, welche die Erfüllung des Zwecks der Bank verunmöglichen können) und eigentlicher gesetzlicher Missstände. Wohl hat die externe Revisionsstelle kein Urteil über die Angemessenheit und Zweckmässigkeit der einzelnen Geschäftsführungsakte der Bank abzugeben. Sie hat aber sowohl das interne Kontrollsystem, die Angemessenheit der Identifikation, die Messung, die Bewirtschaftung und die Überwachung der Risiken als auch die aktuelle Risikoexposition bzw. Risikolage und deren Entwicklung sowie die Einhaltung von Limiten und sonstigen Vorgaben zu prüfen und zu beurteilen.

Im Bericht über die Aufsichtsprüfung an den Bankrat über das Geschäftsjahr 2004 vom 23. Dezember 2004 schrieb die Beklagte 9:

„Die Bank betreibt unverändert eine vorsichtige Risikopolitik. Sie geht insgesamt keine unverhältnismässigen Risiken ein. Die zur Identifikation, Messung, Steuerung, Überwachung und Reporting der Risiken eingesetzten Verfahren sind zweckmässig ausgestaltet und entsprechen der Geschäftstätigkeit der Bank. ….

Wir sind der Ansicht, dass das Risikomanagement zweckmässig organisiert ist und die bestehenden Risiken adäquat überwacht und
gesteuert werden. Das Risk Reporting an die Geschäftsleitung und an den Bankrat erachten wir als angemessen….“

 

Im Management Letter zur Zwischenrevision im Bereich Kreditmanagement vom November 2005 und wiederholt im Bericht vom 27. April 2006 über die Rechnungsprüfung der Jahresrechnung 2005 erkannte die Beklagte 9 erstmals, dass die Bank ausserhalb des angrenzenden Wirtschaftsraums bedeutende Kreditengagements eingegangen war, was tendenziell ein höheres Risiko bedeute.

Diese Feststellungen beunruhigten die Beklagte 9 jedoch offensichtlich nicht. Sie veranlasste die Beklagte 9 auch nicht, künftig ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung der Ausserrayon-Kreditengagements der Bank zu haben. So schrieb die Beklagte 9 auch in den Berichten über die Aufsichtsprüfung an den Bankrat über die Geschäftsjahr 2005 vom 15. Dezember 2005 und über die Periode vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2006 im Bericht vom 3. Januar 2007 wiederum, dass die Bank unverändert eine vorsichtige Risikopolitik betreibe, keine unverhältnismässigen Risiken eingehe und dass Risiken adäquat gesteuert würden.

Im September 2006, mit Bericht am 3. Januar 2007, als ein Grossteil der vorliegend massgebenden, stark risikobehafteten Ausserrayonkredite (vgl. Ziffer 17.2.2 vorstehend), bereits gesprochen waren, führte die Beklagte 9 bei der Bank eine Schwerpunktprüfung im Bereich Kreditmanagement Geschäftskunden (inkl. Spezialfinanzierungen) durch. Dazu hielt sie fest:

„Ziel unserer Prüfung war die Feststellung, dass [Anm.: ob]

·         die eingegangenen Kreditengagements der J.______ im Einklang mit dem Kantonalbankgesetz stehen und mit der Strategie der J.______ im Kreditbereich vom 1. März 2005 vereinbar sind;

·         die Organisation sicherstellt, dass das Kreditgeschäft einwandfrei abgewickelt werden kann und das interne Kontrollsystem zweckmässig aufgebaut und wirksam sowie die Funktionentrennung angemessen ist;

·         ….

·         das Risikomanagement und die Bewertungen der Positionen angemessen sind;

·         die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen nach Art. 21 BankV [Anm.: Risikoverteilung] eingehalten werden;

·         die Kreditdossiers einwandfrei geführt und die Kredite angemessen dokumentiert sind.

….

Aufgrund unserer Prüfung kommen wir zum Schluss, dass

·         die Aufbau- und Ablauforganisation angemessen ist und den Grundsätzen der internen Kontrolle und der Funktionentrennung nachgekommen wird.

·         die Bewertung der geprüften Kredite angemessen ist, d.h. keine Wertberichtigungen benötigen;

·         den regulatorischen Anforderungen entsprechend nachgekommen wird.

Einzelne Feststellungen sind mit der Geschäftsleitung besprochen und dem Bankrat in einem Management Letter datiert vom 3. Januar 2007 mitgeteilt worden. ….

Anlässlich unserer Schwerpunktprüfung sind wir auf keine Sachverhalte gestossen, welche Massnahmen seitens der Bankenkommission erfordern würden.“

 

Noch im September 2006 prüfte somit die Beklagte 9 sogar in einer vertieften Prüfung, ob die Bank bei ihren eingegangenen Kreditengagements die regulatorischen Anforderungen und damit auch die Bestimmungen des Kantonalbankgesetzes eingehalten hat, was sie vorbehaltlos bejahte. Dass die Bank ausserhalb ihres primären Geschäftsgebietes zahlreiche bedeutende, stark risikobehaftete Kreditengagements eingegangen war und damit gegen Art. 3 Abs. 2 aKBG verstossen hatte (vgl. Ziffer 17.2.2 vorstehend), hat die Beklagte 9 offensichtlich übersehen. Wohl war es nicht ihre Aufgabe, die Strategie der Bank zu hinterfragen. Auswirkungen aus einer Strategie, welche einen derart starken Einfluss auf die Risikosituation der Bank zeitigten, hätten ihr jedoch auffallen müssen und hätte sie in ihren Berichten auch aufführen müssen, zumal sie selber erklärt, das Kreditgeschäft der Bank stets einer vollen Prüfung unterzogen zu haben.

Auch die Aufbau- und Ablauforganisation beurteilte die Beklagte 9 als angemessen und erklärte, es werde den Grundsätzen der internen Kontrolle nachgelebt. Schliesslich seien weder Wertberichtigungen notwendig noch sei sie auf Sachverhalte gestossen, welche Massnahmen seitens der Bankenkommission erfordern würden. Den Bericht über diese Prüfung legte sie am 3. Januar 2007 vor. Diese Aussagen der Beklagten 9 trafen jedoch in keiner Art und Weise zu und sind vorliegend klar widerlegt.

Erst im Frühjahr 2007, nur wenige Wochen danach, bei der Risikoanalyse für die Prüfung der Jahresrechnung 2007, wurde die Beklagte 9 plötzlich der prekären Risikosituation im Bereich Kreditengagements Geschäftskunden gewahr. Nach einer Besprechung mit der EBK vom 9. Mai 2007 führte sie deshalb im August 2007 im Rahmen der Schwerpunktprüfung für das Geschäftsjahr 2007 Bonitätsprüfungen im Kreditbereich durch und stellte fest:

„Eine Analyse des Kreditvolumens 2005 und 2006 zeigt, dass das Wachstum nicht im Kerngebiet, sondern durch das Eingehen von grösseren Kreditpositionen ausserhalb des Marktgebietes erzielt wurde.

….

Die J.______ hat in den Geschäftsjahren 2005 und 2006 ihr Kreditvolumen markant ausgeweitet. Die Geldkredite konnten um CHF 286 Mio. oder rund 11 % von CHF 2.56 Mrd. auf CHF 2.84 Mrd. gesteigert werden. Unsere Prüfung hat ergeben, dass die Mehrheit der in den Geschäftsjahren 2005/06 gewährten Kundenkredite (exkl. Hypothekarkredite) auf ungedeckter Basis und ausserhalb des eigentlichen Kerngebietes der Bank gewährt wurde.

….

Unsere Prüfung der 20 grössten Positionen der J.______, welche mehrheitlich an Kreditnehmer ausserhalb des eigentlichen Kerngebietes der Bank gewährt wurden, hat uns den Eindruck vermittelt, dass die Kreditvergabe nicht in allen Fällen nach diesen Grundsätzen und Kriterien [Anm.: umsichtige, verantwortungsvolle und zum Gedeihen der Bank ausgerichtete Kreditpolitik] erfolgte. Insbesondere wurden ungedeckte Engagements an Kunden gewährt, die den Kriterien der Blankowürdigkeit nicht genügen. Zudem stehen einzelne Engagements in einem Missverhältnis zur Ertragslage der Bank. Daraus schliessen wir, dass ein erheblicher Teil des Wachstums der Bank durch das Eingehen von Engagements mit erhöhten Risiken erzielt wurde.

In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die gefährdeten Forderungen ausserhalb des Kantonsgebietes nicht einen Verstoss gegen Art. 3 Abs. 2 des Kantonalbankgesetzes [Anm.: keine besonderen Risiken ausserhalb des primären Geschäftsgebietes] darstellen.

….

Der gegenüber dem 30. Juni 2007 ermittelte zusätzliche Wertberichtigungsbedarf aus den von uns geprüften Engangements beläuft sich per Prüfungsende auf CHF 15 Mio.

….

Das Ergebnis aus unseren Prüfungen widerspiegelt die aktuelle positive Wirtschaftslage. Bei einer sich abflachenden Konjunktur kann sich die finanzielle Situation der Kreditnehmer verschlechtern, was zu weiteren Wertberichtigungen führen könnte.“

 

Das Ergebnis dieser Prüfung, durchgeführt nur kurze Zeit nach der Präsentation der positiven Ergebnisse der Schwerpunktprüfung 2006 im Bereich Kreditmanagement Geschäftskunden, kommt einer plötzlichen Kehrtwende der Beklagten 9 gleich. Grundlage der nun sehr kritischen Aussagen war hier eine vertiefte Analyse des Kreditvolumens der Jahre 2005 und 2006. Weshalb die Beklagte 9 nicht schon anlässlich der Schwerpunktprüfung vom September 2006 oder früher auf die bereits damals auffällige Ausweitung des Kreditvolumens an Geschäftskunden ausserhalb des Stammeinzugsgebietes hingewiesen hat, und dies, obwohl sie eigentlich bereits im Bericht über die Rechnungsprüfung an den Bankrat über die Jahresrechnung 2005 auf das erhöhte Risiko der eingegangenen Kreditengagements ausserhalb des Stammeinzugsgebietes der Bank aufmerksam gemacht hat, ist unerfindlich. Wohl stellte die Beklagte 9 in ihren vorangegangenen Berichten wiederholt unkritisch, wenn nicht gar positiv, fest:

Bericht über die Rechnungsprüfung an den Bankrat über die Jahresrechnung 2005:

„…. Gleichzeitig konnten die Forderungen gegenüber Kunden um CHF 96.4 Mio. auf CHF 314.4 [Mio.] gesteigert werden.“

 

Bericht über die Rechnungsprüfung an den Bankrat über die Jahresrechnung 2006:

„Wesentlich zur Erhöhung [der Bilanzsumme] beigetragen haben die Forderungen gegenüber Kunden, welche um CHF 181.4 Mio. oder 57.7 % auf CHF 495.8 Mio. gesteigert werden konnten. Diese Steigerung ist durch erfolgreiche Akquisition von Kreditgeschäften, vor allem auch Ausserrayongeschäften, begründet.“

 

Dass diesen Kreditgeschäften, welche zu einer solch starken Steigerung der Position „Forderungen gegenüber Kunden“ geführt hatten, aber unverhältnismässig hohe Ausfallrisiken anhaften könnten, hat sie übersehen. Wohl konnte von der Beklagten 9 nicht verlangt werden, dass sie bei ihren Prüfungen jedes einzelne Kreditengagement und damit das Tagesgeschäft der Geschäftsleitung überprüft. Doch das gesamthafte, ungewöhnlich starke Wachstum im Ausserrayonkreditgeschäft hätte ihr, die sie selber behauptet, die Entwicklung der Kredite bei der Klägerin genau mitverfolgt und kommentiert zu haben, nicht nur auffallen, sondern sie richtig zum kritischen Hinschauen der Ursachen und Gefahren drängen müssen, ungeachtet dessen, ob die betreffenden Kreditpositionen bereits als notleidend zu erkennen waren, handelte es sich doch teils um von Beginn an risikobehaftete Engagements (vgl. Ziffer 17.2.2 vorstehend). 

In Anbetracht aller Umstände hat sich die Beklagte 9 beim Prüfvorgehen, zumindest bis im Frühjahr 2007, nicht genügende Kenntnisse über die Risikoexposition im Kreditbereich der Bank verschafft. Die Beurteilung der Risikoexposition der Bank und die quantitativen Angaben der eingegangenen Risiken durch die Beklagte 9 waren bis zum vorgenannten Datum augenfällig zu positiv. Insbesondere hat sie die Verletzung von Art. 3 Abs. 2 aKBG (Verbot besonderer Risiken bei Ausserrayongeschäften) und den markant höheren Wertberichtigungsbedarf zu spät erkannt, zumal sie selber erklärt, die Ausserrayongeschäfte der Bank in den Jahren 2005 und 2006 geprüft zu haben und dies als „volle Prüfung“ und nicht bloss im Zuge einer „prüferischen Durchsicht“. Dass die EBK die Regelungen und Weisungen der Bank genehmigt hatte und im Jahr 2006 für das Geschäftsjahr 2005 eine vertiefte Qualitätskontrolle über die Prüf- und Berichtsarbeiten der Beklagten 9 durchgeführt hatte sowie der Umstand, dass die Beklagte 9 offenbar schon im Januar 2006 auf die Möglichkeit eines Credit Office hingewiesen hatte, ändert an der vorliegenden Verantwortlichkeit der Beklagten 9 nichts. Vorliegend ebenso nicht relevant ist der Umstand, dass das bestehende Regelungsdefizit nicht schon vor der Mandatübernahme durch die Beklagte 9 von den Revisionsgesellschaften Y.______ und [...] gerügt worden war. Auch der Hinweis der Beklagten 9, die Ergebnisse ihrer Prüfungen hätten mit denjenigen der internen Revision übereingestimmt und dass sie sich auf die Ergebnisse der Überprüfungen der internen Revisionsstelle habe verlassen dürfen, hilft ihr vorliegend nicht. Insoweit sie diese als Grundlage ihrer eigenen Prüfarbeit übernommen hat, war sie nämlich selbst dafür verantwortlich, diese vorgängig hinsichtlich Verlässlichkeit zu überprüfen, zumal sie selbst erklärt, die Ergebnisse der internen Revision sowohl nach dem Vorgehen wie nach dem Inhalt bewertet und darauf aufbauend ihr eigenes Prüfurteil gebildet zu haben. Jedenfalls kann die interne Revisionsstelle vorliegend nicht für Versäumnisse der Beklagten 9 verantwortlich gemacht werden, zumal die interne Revisionsstelle in diesem Verfahren Litisdenunziatin ist, nicht aber Parteistellung innehat. Auch das damals offenbar bestehende „übliche Ratingsystem“ und der Umstand, dass offenbar eine Kreditbeurteilungssoftware eingesetzt worden war, ändert am Ergebnis nichts. Damit ist die Beklagte 9 bei der Ausführung ihres Mandats als aufsichtsrechtliche Revisionsstelle nicht gemäss den Rundschreiben der Eidgenössischen Bankenkommission EBK-RS 05/1 und EBK-RS 05/2 verfahren und hat damit ihr obliegende Pflichten verletzt.

 

24. Verschulden im Sinne von Art. 755 OR

Hinsichtlich der Ausführungen zum Verschulden kann auf die Ausführungen zu Art. 754 OR verwiesen werden (vgl. Ziffer 18 vorstehend).

Vorliegend hat sich die aufsichtsrechtliche Revisionsstelle, die Beklagte 9, pflichtwidrig nicht an Vorgaben der Rundschreiben der Eidgenössischen Bankenkommission, EBK-RS 05/1 und 05/2, gehalten (vgl. Ziffer 21 vorstehend). In Anbetracht aller Umstände kann der Beklagten 9 ein Schuldvorwurf gemacht werden. Wohl ist nicht anzunehmen, dass sie vorsätzlich gehandelt hat, zumindest jedoch fahrlässig. Ein möglicher Schaden oder zumindest eine konkrete Gefahr der Schädigung durch ihre Handlung war für sie vorauszusehen. Mit der ihr zuzumutenden objektiven Aufmerksamkeit und Überlegung hätte die Beklagte 9 anders handeln müssen, was ihr zuzumuten gewesen ist.

 

25. Adäquater Kausalzusammenhang im Sinne von Art. 755 OR

Hinsichtlich der Ausführungen zum adäquaten Kausalzusammenhang kann auf die Ausführungen zu Art. 754 OR verwiesen werden (vgl. Ziffer 19 vorstehend).

Hätte sich vorliegend die Beklagte 9 frühzeitig und pflichtgemäss genügende Kenntnisse über die Risikoexposition der Bank verschafft sowie die Verletzung von Art. 3 aKBG und Art. 4 Abs. 2 GOR (Verbot besonderer Risiken bei Ausserrayongeschäften) und den markant höheren Wertberichtigungsbedarf rechtzeitig erkannt, hätte der Bankrat entsprechende Massnahmen ergreifen können und der vorliegende Schaden wäre zumindest geringer ausgefallen. Der Schaden entstand durch das Zusammenwirken der aufsichtsrechtlichen Revisionsstelle (Beklagte 9) mit dem Bankrat (Beklagte 1 – 5) und der Geschäftsleitung (Beklagte 6 – 8). Alle Teilursachen stehen im Verhältnis der gegenseitigen Bedingtheit. Das Fehlen nur einer Bedingung hätte das Ausbleiben oder zumindest eine massgebliche Reduktion der in Frage stehenden Wirkung zur Folge gehabt. Jede dieser Ursachen war eine notwendige Bedingung des Schadens (vgl. Fellmann/Kottmann, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bern 2012, Rz 2750).

 

26. Aktienrechtliche Verantwortlichkeit nach Art. 755 OR – Fazit

Für die Beklagte 9 sind sämtliche Voraussetzungen der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit nach Art. 755 OR gegeben. Sie ist somit grundsätzlich der Klägerin, unter Beachtung der differenzierten Solidarität gemäss Art. 759 OR (vgl. Ziffer 30 nachstehend) für den eingeklagten Schaden verantwortlich.

 

27. Voraussetzungen der Haftung aus Arbeitsvertrag nach Art. 321e OR

Während der vorliegend relevanten Zeit zwischen den Jahren 2005 und 2007 waren die Beklagten 6 – 8 als Mitglieder der Geschäftsleitung auch Arbeitnehmer der Bank. Gemäss Art. 26 aKBG stand das gesamte Personal in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zur Bank. Damit ist vorliegend für die Beklagten 6 – 8 Art. 321e OR anwendbar, für den Beklagten 8, H.______, ab 1. August 2006, da ihn die Klägerin für Kreditvergaben vor dieser Zeit nicht verantwortlich macht.

Nach Art. 321e Abs. 1 OR ist der Arbeitnehmer für den Schaden verantwortlich, den er absichtlich oder fahrlässig dem Arbeitgeber zufügt. Der Arbeitnehmer haftet für Schlechterfüllung durch mangelhafte Arbeitsleistung oder durch Verletzung der Treuepflicht. Mangelhafte Arbeitsleistung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer zwar arbeitet, aber während der Arbeit gegen seine Sorgfaltspflicht verstösst. Nach Art. 321a Abs. 1 OR hat der Arbeitnehmer die ihm übertragene Arbeit sorgfältig auszuführen und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren. Resultiert daraus in natürlich und adäquat kausaler Weise ein Schaden für den Arbeitgeber, ist der Arbeitnehmer im Falle eines Verschuldens haftbar. Der Arbeitgeber hat lediglich die Vertragsverletzung und den dadurch bewirkten Schaden nachzuweisen. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, im Sinne von Art. 97 Abs. 1 OR den Nachweis zu erbringen, dass ihm kein Verschulden zur Last fällt. Das Verschulden ist nach dem zwingenden Sorgfaltsmassstab von Art. 321e Abs. 2 OR zu beurteilen. Danach bestimmt sich das Mass der Sorgfalt, für die der Arbeitnehmer einzustehen hat, nach dem einzelnen Arbeitsverhältnis, unter Berücksichtigung des Berufsrisikos, des Bildungsgrades oder der Fachkenntnisse, die zu der Arbeit verlangt werden, sowie der Fähigkeiten und Eigenschaften des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber gekannt hat oder hätte kennen sollen. Ist in Anwendung dieser Vorschrift ein Verschulden zu verneinen, entfällt die Haftung. Handelte der Arbeitnehmer hingegen schuldhaft, sind die Kriterien von Art. 321e Abs. 2 OR erneut bei der Schadenersatzbemessung zu berücksichtigen (Rehbinder/Stöckli, Berner Kommentar Obligationenrecht, N. 19 zu Art. 321e OR; Portmann, Basler Kommentar Obligationenrecht I, 4. Auflage, Basel 2007, N. 1 ff. zu Art. 321e OR).

Vorliegend kann hinsichtlich des Schadens und der Sorgfaltspflichtverletzung grundsätzlich auf die Ausführungen zu Art. 754 OR verwiesen werden (Ziffer 16 vorstehend). Dabei ist zu beachten, dass sowohl der Beklagte 6, der Beklagte 7 als auch der Beklagte 8 über gute Ausbildungen sowie Fachkenntnisse und Erfahrung in Bankbelangen verfügten. Sie haben somit als Arbeitnehmer bei der Vergabe der vorliegend für sie relevanten Kredite ihre Sorgfaltspflicht verletzt.

Sie haben pflichtwidrig stark risikobehaftete Kreditengagements gesprochen und damit gegen Art. 3 Abs. 2 aKBG und gegen Art. 4 Abs. 2 GOR verstossen (vgl. Ziffer 17.2.2 vorstehend). Sowohl dem Beklagten 6 als Vorsitzendem der Geschäftsleitung als auch dem Beklagten 7 als Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Privatkunden sowie dem Beklagten 8 als Leiter Geschäftskunden im Rang eines Direktors und ab 1. August 2006 als Mitglied der Geschäftsleitung (vgl. Ziffer 1 vorstehend) können für die vorliegenden Sorgfaltspflichtverletzungen Schuldvorwürfe gemacht werden. Wohl ist nicht anzunehmen, dass sie vorsätzlich gehandelt hätten, zumindest jedoch fahrlässig. Ein möglicher Schaden durch ihre Handlungen bzw. Unterlassungen war vorauszusehen oder es war zumindest voraussehbar, dass eine konkrete Gefahr der Schädigung bestand. Mit der ihnen zuzumutenden objektiven Aufmerksamkeit und Überlegung hätten sie anders handeln müssen. Mit ihrem Bildungsstand, ihren Fachkenntnissen und ihrer Erfahrung hätte es ihre Stellung geboten, vorausschauender und sorgfältiger zu handeln. Ein Verschulden der Beklagten 6 – 8 im Sinne von Art. 321e OR ist somit zu bejahen.

Hinsichtlich des notwendigen adäquaten Kausalzusammenhanges kann auf die Ausführungen zu Art. 754 OR verwiesen werden (vgl. Ziffer 19 vorstehend).

Zusammenfassend sind bei den Beklagten 6 – 8 im Hinblick auf die Vergabe der vorliegend für sie relevanten Kredite gemäss Ziffer 17.2.2 vorstehend die Voraussetzungen einer Haftung von Art. 321e Abs. 1 OR (Haftung des Arbeitnehmers) gegeben, für den Beklagten 8, H.______, ab 1. August 2006. 

 

28. Anspruchskonkurrenz

Die Beklagten 6 – 8 haften somit aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit (vgl. Ziffer 17.2.3 vorstehend) und zugleich auch aus Arbeitsvertrag (vgl. Ziffer 27 vorstehend).

Zwischen diesen beiden Haftungsgrundlagen besteht Anspruchskonkurrenz (Fellmann/Kottmann, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bern 2012, Rz 9 ff.). Die Bank kann sich für ihre Schadenersatzforderung somit auf beide Haftungsgrundlagen berufen (Gauch/Schluep, Schweizerisches Obligationenrecht allgemeiner Teil, 10. Auflage, Zürich 2014, Rz 2938 ff.). 

 

29. Décharge

Die Beklagten 1 – 8 erklären, der Kanton Glarus habe als Eigner der Klägerin die Handlungen der Beklagten genehmigt und den Bankorganen für ihre Tätigkeit in den Jahren 2005 und 2006 Décharge erteilt, was allfällige Schadenersatzansprüche der Klägerin im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der Beklagten von vornherein habe untergehen lassen.

Art. 39 aBankG verweist auch auf Art. 758 OR, die aktienrechtliche Normierung des Entlastungsbeschlusses (Décharge). Dabei stellt die Generalversammlung (nachfolgend der Landrat, Art. 23 lit. g. aKBG) fest, dass keine Forderungen der Gesellschaft gegen den Verwaltungsrat (hier: Bankrat) oder – falls der Beschluss entsprechend abgefasst ist – generell gegen die mit der Geschäftsführung betrauten Personen aus Haftung im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit bestehen (Watter/Dubs, Der Déchargebeschluss, AJP/PJA 8/2001, S. 910). Von Aktienrechts wegen bezieht sich der Entlastungsbeschluss lediglich auf die Mitglieder des Bankrates. In der Praxis werden bisweilen auch die Mitglieder der Geschäftsleitung dem Entlastungsbeschluss unterstellt (vgl. Bertschinger, Basler Kommentar Bankengesetz, 2. Auflage, Basel 2013, N. 25 zu Art. 39 BankG).

Die materielle Tragweite der Déchargeerteilung ist jedoch in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt: Der inhaltliche Umfang der Entlastung erfasst nur solche geschäftlichen Vorkommnisse, über welche der Landrat in Kenntnis gesetzt wurde (sogenannte „bekanntgegebene Tatsachen“, vgl. Art. 758 OR). Die Aktionäre genehmigen nur das, was sie wissen. Eine Blanko-Entlastung ausgerechnet für jene Tatsachen, welche die Organe den Aktionären verschwiegen haben, wäre sinnwidrig. Der Déchargebeschluss betrifft eine bestimmte Zeitperiode und ist meist als allgemeine Déchargeerklärung ausgestaltet (Watter/Dubs, Der Déchargebeschluss, AJP/PJA 8/2001, S. 911, Böckli, Schweizer Aktienrecht, 3. Auflage, Zürich 2004, S. 2143).

Gegenstand des Entlastungsbeschlusses ist der allgemeine Geschäftsgang während einer bestimmten Zeitperiode, normalerweise des Geschäftsjahres. Er bezieht sich ganz allgemein auf die Geschäftsvorgänge in der bezeichneten Zeitperiode. In sachlicher und zeitlicher Hinsicht ist die Déchargewirkung durch den Antrag bestimmt, der dem Beschluss zugrunde liegt.

Um die materielle Tragweite der Wirkung der Entlastung im Einzelfall zu bestimmen, ist das Tatbestandselement „bekanntgegebene Tatsachen“ des Art. 758 OR entsprechend dem Vertrauensprinzip anzuwenden. Es ist daher zu fragen, was der Erklärungsempfänger als vernünftiger und korrekter Adressat annehmen darf und muss. Von einem allgemeinen Entlastungsbeschluss ist erfasst, worüber der Landrat Kenntnis hat, sei es, dass ihm entsprechende Informationen anlässlich der Versammlung unterbreitet wurden, sei es, dass er Kenntnis infolge Mitteilungen ausserhalb der Versammlung hat oder dass es sich um notorisch bekannte Tatsachen handelt. Davon erfasst sind, aufgrund der Massgeblichkeit des Vertrauensprinzips, auch nicht kundgegebene Tatsachen, wenn sie erkennbar waren („Kennenmüssen“). Entscheidend ist im Falle der Kenntnis immer das tatsächliche Wissen, unabhängig davon, aus welcher Quelle dieses stammt. Kenntnis und/oder Erkennbarkeit von Tatsachen im Sinne von Geschäftsvorfällen erfordert, dass der Landrat nicht nur allgemein von einem bestimmten Geschäft weiss, sondern auch „über die Bedeutung dieses Geschäfts für die Frage der Verantwortlichkeit orientiert“ sein musste, sofern die Entlastung bezüglich dieses Geschäftes Wirkung haben soll (Watter/Dubs, Der Déchargebeschluss, AJP/PJA 8/2001, S. 911 und S. 912, Forstmoser, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, 2. Auflage, Zürich 1987, S. 146 f.).

An der Landratssitzung vom 26. April 2006 genehmigte der Landrat den Geschäftsbericht und die Jahresrechnung 2005 der Bank und erteilte den Bankorganen Entlastung (Décharge). Als Informationsgrundlage dieser Beschlüsse dienten hauptsächlich der Geschäftsbericht 2005 der Bank und der entsprechende Bericht des Regierungsrates an den Landrat.

An der Landratssitzung vom 25. April 2007 genehmigte der Landrat den Geschäftsbericht und die Jahresrechnung 2006 der Bank und erteilte dem Bankrat, der Geschäftsführung und der externen Revisionsstelle Entlastung (Décharge). Im Protokoll über diese Sitzung steht das Votum von Landrat [...], [...]:

„Im Zusammenhang mit der Staatsgarantie fällt der markante Zuwachs an ungedeckten Krediten an Firmenkunden auf. Sie bringen höhere Zinseinnahmen, gehen aber beim Scheitern des finanzierten Unternehmens verloren. Das wirkt sich auf den Kanton aus, der nicht über ein entsprechendes finanzielles Fundament verfügt…“

 

Dazu entgegnete der Bankpräsident A.______:

„Die Förderung der KMU bildet Bestandteil der Bankstrategie; zudem wurde die J.______ kritisiert, sie mache in diesem Bereich zu wenig. Die ungedeckten Kredite stiegen. Auch damit sind jedoch Sicherheiten verbunden, die aber bankengesetzlich nicht angerechnet werden können. …. Entscheidend ist vor allem die Bonität der Kreditnehmer; auf diese wird genau geschaut, und das Risiko, wie erwähnt, genau geprüft.“

Gerichtsnotorisch ist, dass der Landrat für das Jahr 2007 den Bankorganen die Entlastung verweigert hat.

Wohl hat der Landrat den Bankorganen für die Geschäftsjahre 2005 und 2006 Entlastung erteilt, wobei die Geschäftsberichte und Rechnungen der Klägerin von der landrätlichen Bankenprüfungskommission offenbar vorberaten worden waren. Grundlage der Entlastungsbeschlüsse des Landrates waren grundsätzlich die Geschäftsberichte der Bank und die relativ knappen Berichte des Regierungsrates an den Landrat. Zudem war an der jeweiligen Sitzung des Landrates jeweils der Bankpräsident anwesend, auch zur Beantwortung allfälliger Fragen. Wesentlich weiter gehende Informationsgrundlagen hatte die Mehrheit der entscheidenden Landräte aber grundsätzlich nicht. Auch wenn von insgesamt 80 Landräten zur damaligen Zeit drei im Bankrat vertreten waren, kann nicht davon ausgegangen werden, dass damit eine Mehrheit des Landrates umfassende Sachkenntnis zum Geschäftsgang und zu der Lage der Bank gehabt hätte. Davon, dass der Kanton mit der Décharge-Erteilung sämtliche Geschäftsvorgänge der Bank mit Wissen und Wollen genehmigt hätte, kann deshalb nicht die Rede sein, zumal die Bankprüfungskommission und der Landrat wohl Kenntnis von der eingeschlagenen Wachstumsstrategie und auch vom markanten Zuwachs an ungedeckten Krediten an Firmenkunden gehabt haben mögen, nicht jedoch Kenntnis davon hatten und auch nicht davon Kenntnis hätten haben müssen, dass dieser markante Zuwachs teils gesetzes- und reglementswidrig an risikobehaftete Start-Up-Unternehmen ausserhalb des Kantons vergeben worden waren. Darüber und über die Bedeutung dieser Engagements für die Frage der Verantwortlichkeit war der Landrat im Vorfeld nicht informiert.

In Anbetracht aller Umstände wurden die vorliegend relevanten Kreditengagements nicht von der Décharge-Erteilung der Jahre 2005 und 2006 erfasst und sind damit auch allfällige Schadenersatzansprüche daraus nicht untergegangen.

 

30. Schadenszurechnung und differenzierte Solidarität

Sind nach Art. 759 Abs. 1 OR für einen Schaden mehrere Personen ersatzpflichtig, so ist jede von ihnen insoweit mit den anderen solidarisch haftbar, als ihr der Schaden aufgrund ihres eigenen Verschuldens und der Umstände persönlich zurechenbar ist. Die Personen, für welche die Haftungsvoraussetzungen von adäquater Verursachung, Pflichtwidrigkeit und Verschulden gegeben sind, haften untereinander solidarisch. Das bedeutet für das konkrete Vorgehen bei differenzierter Solidarität, dass in einem ersten Schritt der von einem Verantwortlichen durch schuldhafte Verletzung einer aktienrechtlichen Pflicht adäquat verursachte Schaden zu ermitteln ist. In einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, ob individuelle Herabsetzungsgründe eine Reduktion der Haftung rechtfertigen und welchen Grad das Verschulden des einzelnen erreicht. Der einzelne Verantwortliche soll auch im Aussenverhältnis nicht deshalb, weil mehrere Personen für denselben Schaden haften, für mehr einstehen müssen, als er als Alleinverantwortlicher zu tragen hätte. Die Festlegung der direkten Ersatzpflicht gegenüber dem Kläger für eigenes Verschulden bewirkt damit gleichzeitig eine Ersatzpflicht für eigenes Verschulden und einen individuellen Plafond, bis zu dem der Beklagte mit anderen Organmitgliedern dem Kläger solidarisch verpflichtet ist. Bis zu diesem Solidaritätsplafond haftet der Verantwortliche mit den anderen Organmitgliedern und Organen solidarisch (Gericke/Waller, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 4 f. zu Art. 759 OR; Böckli, Schweizer Aktienrecht, 3. Auflage, Zürich 2004, N. 491 zu § 18). 

Bei sämtlichen vorliegend Beklagten sind die Voraussetzungen einer Haftung gegeben. Die Beklagten 1 – 5 (Bankräte) und die Beklagten 6 – 8 (Geschäftsleitungsmitglieder) haften der Klägerin aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit, (Art. 754 Abs. 1 OR; vgl. Ziffer 20 vorstehend) die Beklagten 6 – 8 zudem auch aus Arbeitsvertrag (Art. 321e Abs. 1 OR; vgl. Ziffer 27 vorstehend) und die Beklagte 9 (externe Revisionsstelle) haftet der Klägerin aufgrund der Revisionshaftung (Art. 755 Abs. 1 OR; vgl. Ziffer 27 vorstehend).

Der Schaden entstand durch das Zusammenwirken der aufsichtsrechtlichen Revisionsstelle (Beklagte 9) mit dem Bankrat (Beklagte 1 – 5) und der Geschäftsleitung (Beklagte 6 – 8). Diese Teilursachen stehen im Verhältnis der gegenseitigen Bedingtheit. Das Fehlen einer Bedingung hätte das Ausbleiben oder zumindest eine massgebliche Reduktion der in Frage stehenden Wirkung zur Folge gehabt. Jede dieser Ursachen war eine notwendige Bedingung des Schadens (vgl. Fellmann/Kottmann, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bern 2012, Rz 2750).

Die primären Entscheide für die vorliegend relevanten risikobehafteten Ausserrayon-Kreditvergaben fielen auf der Ebene Geschäftsleitung unter der Führung des Beklagten 6 als Vorsitzender (vgl. Ziffer 17.2.2 vorstehend). Diese Kreditengagements waren nur deshalb möglich, weil der Bankrat, welcher von der externen Revisionsstelle nicht pflichtgemäss informiert war (vgl. Ziffer 26 vorstehend), seinen Regelungs- und Überwachungspflichten nicht nachgekommen ist (vgl. Ziffer 17.1.1 vorstehend).

Der von der Klägerin nachgewiesene Schaden beträgt CHF 33'923'248.48, EUR 1'397'069.87 und USD 1'788'520.60 (siehe Ziffer 16.8 vorstehend). Über die von der Klägerin gewährten Rahmenkredite haben die Kreditbezüger in diesen drei Währungen Kredite bezogen, womit vorliegend die Durchsetzung des Schadenersatzes aus den Kreditverlusten auch in diesen Währungen zu erfolgen hat. Der Schuldner muss sich nicht gefallen lassen, zu einer Verpflichtung verurteilt zu werden, die er – in dieser Weise – gar nicht eingegangen ist (vgl. Weber, Berner Kommentar Obligationenrecht, N. 344 zu Art. 84 OR).

Nachdem die Klägerin in ihrem Rechtsbegehren EUR 650'507.—, jedoch keinen Betrag in USD fordert, ist sie darauf zu behaften. Der vorliegend gemäss dem vorstehend aufgezeigten Schlüssel auf die Beklagten 1 – 9 aufzuteilende Schaden beläuft sich somit auf CHF 33'923'248.48 und EUR 650'507.—.

In Anbetracht aller Umstände rechtfertigt es sich, dem Bankrat sowie der externen Revisionsstelle ein Verschulden von je 30 % an der gesamten Schadenssumme von CHF 33'923'248.— und von EUR 650'507.— zuzurechnen. Beim Bankrat rechnet das Gericht dem Beklagten 1, A.______ als Präsident, ein Verschulden von 10 %, berechnet vom Gesamtschaden, sowie den Beklagten 2 – 5, B.______, C.______, D.______ und E.______, je ein Verschulden von 5 %, berechnet vom Gesamtschaden, zu. Der Beklagten 9, I.______, als externe Revisionsstelle, rechnet das Gericht ein Verschulden von 30 %, berechnet vom Gesamtschaden, zu. Der Geschäftsleitung ist ein Verschulden von insgesamt 40 %, berechnet vom Gesamtschaden, zuzurechnen. Unter Berücksichtigung der den einzelnen Mitgliedern zuzurechnenden Pflichtverletzungen (Verteilschlüssel gemäss Ziffer 17.2.2 vorstehend) sind diese 40 % wie folgt aufzuteilen: auf den Beklagten 6, F.______, rund 15 % (36.0 % * 40 %), auf den Beklagten 7, G.______, rund 15 % (38.4 % * 40 %) und auf den Beklagten 8, H.______, rund 10 % (25.6 % * 40 %).

Damit ergibt sich im Ergebnis folgende Schadenszurechnung (vor Schadenersatzbemessung):

 

(Beträge auf zwei Dezimalstellen genau berechnet und anschliessend auf ganze Franken bzw. EURO gerundet, auch die Total-Summen)

31. Schadenersatzbemessung

Die Beklagten 3 – 5 erklären, ein allfälliger Schadenersatzanspruch der Klägerin sei vollständig herabzusetzen, sei doch das Amt als Bankrat zumindest bis in das Jahr 2006 de facto ein blosses Ehrenamt mit einer äusserst bescheidenen Entschädigung gewesen, einer Gefälligkeit gleichkommend. Zudem befänden sie sich in Einkommens- und Vermögensverhältnissen, welche es ihnen – jetzt und künftig – nicht einmal erlauben würde, selbst einen verschwindenden Bruchteil der eingeklagten Schadenssumme im Gutheissungsfalle zu begleichen.

Auch der Beklagte 8 erklärt, würde er verurteilt, vermögte er mit seinem tiefen Vermögen einer Verpflichtung zu Schadenersatz nicht nachzukommen und könnte er auch seine Alimente nicht mehr bezahlen. Es läge somit eine Notlage vor, weshalb ein allfälliger Schadenersatz auf zwei Monatslöhne zu beschränken wäre.

Die Bemessung des Schadenersatzes sowohl bei der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit als auch bei der Haftung des Arbeitnehmers unterliegt den Regeln des allgemeinen Haftpflichtrechts, insbesondere also den Art. 43 Abs. 1 OR und Art. 44 Abs. 1 OR (vgl. Forstmoser, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, Zürich 1987, S. 122 f.; Gauch/Schluep, Schweizerisches Obligationenrecht allgemeiner Teil, 10. Auflage, Zürich 2014, Rz. 2906 ff.). Das Verschulden ist der hauptsächlichste Faktor für die Bemessung der Entschädigung. Dabei sind sich Lehre und Rechtsprechung weitgehend einig, dass nur ein leichtes Verschulden zu einer Reduktion der Ersatzpflicht führen darf. Liegt ein schweres oder mittelschweres Verschulden des Haftpflichtigen vor, hat der Richter vollen Ersatz zuzusprechen, wenn keine „anderen Umstände“ für eine Herabsetzung des Ersatzes sprechen. Solche „anderen Umstände“ können eine unangemessen niedrige Entschädigung bzw. uneigennützige Tätigkeit (Gefälligkeitshandlung) und besondere (finanzielle) Umstände in der Person des Organmitgliedes sein (Heierli/Schnyder, Basler Kommentar Obligationenrecht I, 5. Auflage, Basel 2011, N. 13 ff. zu Art. 43 OR, Brehm, Berner Kommentar Obligationenrecht, N. 55 ff. zu Art. 43 OR).

Eine mögliche Herabsetzung des Schadens bestimmt sich somit primär nach dem Verschulden, der Klassifikation der Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die unter den gegebenen Umständen erforderliche Sorgfalt ausser Acht lässt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter elementarste Vorsichtsgebote ausser Acht lässt, die ein verständiger Mensch in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen befolgt hätte. Sie kann umschrieben werden als „schlechthin unverständlich“ oder „das darf nicht passieren“. Mittlere Fahrlässigkeit liegt vor, wenn das Verschulden nicht leicht ist, aber auch nicht den Grad grober Fahrlässigkeit erreicht. Sie liegt vor, wenn der Schädiger den Durchschnittsanforderungen nicht gerecht wird, die unter den gegebenen Umständen an sein Verhalten zu stellen sind. Von leichter Fahrlässigkeit sprechen wir, wenn der Täter nur geringfügig von der gebotenen Sorgfalt abweicht. Sie kann umschrieben werden als „noch einigermassen verständlich“ oder „das kann passieren“ (Fellmann/Kottmann, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bern 2012, Rz 563 ff.).

Vorliegend sind die Pflichtverletzungen der Beklagten 1 – 9 durchwegs nicht mehr nur als leicht einzustufen. Es kann nicht mehr von „das kann doch passieren“ und damit nur von leichter Fahrlässigkeit gesprochen werden. Die Klassifizierung des Verschuldens der Beklagten 1 – 9 bewegt sich vielmehr am oberen Rand der mittleren Fahrlässigkeit, zumal die Beklagten 1 – 9 nicht nur ein wenig von der gebotenen Sorgfalt abgewichen sind. Eine Reduktion des Schadenersatzes ist somit grundsätzlich ausgeschlossen, wenn nicht „andere Umstände“ (vgl. vorher) für eine Herabsetzung des Ersatzes sprechen: 

Wohl mag die Tätigkeit als Bankrat eher bescheiden entlöhnt gewesen sein. Sie war jedoch prestigeträchtig und angesehen. Dabei von einem blossen Ehrenamt oder einer Gefälligkeit zu sprechen, ist vermessen, kann die Tätigkeit als Bankrat doch in keiner Weise mit einem Feierabend-Engagement in einem Verein verglichen werden. Die Beklagten 1 – 8 haben über Jahre direkt und indirekt, beruflich, gesellschaftlich und finanziell von ihrem Status und vom Ansehen als Bankrat, als Vorsitzender der Geschäftsleitung oder als Mitglied der Geschäftsleitung der Bank profitiert und dies in einem kleinen und überschaubaren Kanton wie der Kanton Glarus ist. Auch hatten die Beklagten 6 – 8 als Mitglieder der Geschäftsleitung der Bank über Jahre hinweg ein sehr gutes Gehalt. Hier rechtfertigt sich eine Reduktion des Schadenersatzes nicht. 

Grundsätzlich bekennt sich das schweizerische Privatrecht zur Rechtsgleichheit der Parteien und macht in der Regel keinen Unterschied zwischen arm und reich. Eine prekäre finanzielle Lage des Haftpflichtigen gilt deshalb grundsätzlich nicht als Umstand im Sinne von Art. 43 OR, der bei der Schadenersatzbemessung zu berücksichtigen wäre (Brehm, Berner Kommentar Obligationenrecht, N. 63 und N. 67 ff. zu Art. 43 OR). Im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens im Sinne von „anderen Umständen“ darf der Richter aber die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Parteien in seine Überlegungen einbeziehen. Eine Ermässigung ist insbesondere dann denkbar, wenn der Geschädigte den Schaden sehr viel leichter tragen kann als der Haftpflichtige. In solchen Fällen spielt der Gedanke, dass das Unglück des einen nicht durch das Unglück des andern geheilt werden soll.

Vorliegend sind die Beklagten 1 – 8 Privatpersonen, welche im Zuge der Geschehnisse nicht mehr ein Amt bei der Klägerin bekleiden bzw. nicht mehr für sie arbeiten. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die Beklagten 3 – 5 und 8 erklären, nicht einmal einen verschwindenden Bruchteil der eingeklagten Schadenssumme im Gutheissungsfall begleichen zu können, was wohl auch für die Beklagten 1, 2 und 6 zu gelten hat (vgl. ZG.2012.00074 und OG.2012.00031). Eine Verurteilung der Beklagten 1 – 8 zu den in Ziffer 30 vorstehend errechneten Schadenersatzsummen würde sie damit wohl gänzlich und bis an ihr Lebensende in den finanziellen Ruin respektive in den Privatkonkurs treiben, wogegen die Klägerin den Schaden – oder zumindest einen Teil davon – sehr viel leichter tragen kann. Zudem gilt es zu berücksichtigen, dass anfänglich die Landsgemeinde des Kantons Glarus im Jahre 2003 den Grund legte für eine risikobehaftetere, expansivere Geschäftsstrategie (siehe Memorial für die Landsgemeinde des Kantons Glarus vom Jahre 2003, S. 36 ff.), was auch in den Geschäftsberichten 2004 – 2006 der Bank zum Ausdruck kommt. Den Kanton Glarus als damaliger Eigentümer der Bank trifft damit eine Mitverantwortung. Diese Mitverantwortung rechtfertigt es, nicht den gesamten Schaden auf die vorliegend Beklagten 1 – 8 zu überwälzen. Letzteres ist gleichwohl auch bei der Schadenersatzbemessung für die externe Revisionsstelle zu beachten.

In Anbetracht dieser Umstände sind vorliegend die errechneten Schadenersatzsummen für die Beklagten 1 – 8 in Ziffer 30 vorstehend um je 60 % und für die Beklagte 9 um 40 % zu reduzieren. Damit sind den Beklagten 1 – 9 folgende Schadenersatzzahlungen unter Geltung der differenzierten Solidarität gemäss Art. 759 Abs. 1 OR zuzurechnen:

Beträge auf zwei Dezimalstellen genau berechnet und anschliessend auf ganze Franken bzw. EURO 
gerundet, auch die Total-Summen.

* Addition der gerundeten Beträge ergibt ein Total von EUR 299'231.

       

32. Verjährung

Bei der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit verjährt gemäss Art. 760 Abs. 1 OR der Anspruch auf Schadenersatz in fünf Jahren von dem Tage an, an dem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit dem Ablaufe von zehn Jahren, vom Tage der schädigenden Handlung an gerechnet. Die Verjährungsfrist der Forderung aus Arbeitsvertrag beginnt mit der Fälligkeit der Forderung und dauert auch fünf Jahre (Art. 128 OR und Art. 130 Abs. 1 OR). Sämtliche vorgenannten Verjährungsfristen können durch ein Sühnebegehren unterbrochen werden und beginnen erst wieder zu laufen, wenn der Rechtsstreit vor der befassten Instanz abgeschlossen ist (vgl. Art. 135 Ziff. 2 OR und Art. 138 Abs. 1 OR; Gericke/Waller, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 2 zu Art. 760 OR).

Die erste, vorliegend relevante Kreditvergabe erfolgte mit Abschluss des Rahmenkreditvertrages am 1. Juli 2005 mit der S.______AG (vgl. Ziffer 17.2.2 vorstehend). Sämtliche weiteren, vorliegend relevanten Kreditvergaben, erfolgten später. Nachdem die Vermittlungsverhandlung am 27. Mai 2010 und damit noch innerhalb der Frist von fünf Jahren seit Abschluss des ersten, vorliegend relevanten Rahmenkreditvertrages, stattfand, wurde die Verjährung hinsichtlich der Forderungen aufgrund sämtlicher vorliegend relevanter Kreditvergaben unterbrochen.   

Die vorliegenden Forderungen der Klägerin gegenüber sämtlichen Beklagten sind somit nicht verjährt.

 

33. Eventualverrechnung mit Schadenersatzforderung

Die Beklagten 1 – 8 erklären Eventualverrechnung mit einer Schadenersatzforderung von je CHF 20 Mio. Sie hätten nämlich davon ausgehen können, dass sie als damalige Organe der Klägerin bei der [...] für eine Versicherungssumme von je CHF 20 Mio. versichert gewesen seien (Organhaftpflicht). Der Umstand, dass die [...] für den Schaden der Klägerin nicht einstehen wolle, habe ausschliesslich die Klägerin zu vertreten. Die Beklagten 7 und 8 ergänzen, dass die Klägerin pflichtwidrig keine gültige Organhaftpflichtversicherung abgeschlossen habe, womit sie ihre Fürsorgepflicht aus Arbeitsverhältnis verletzt habe.

Wenn zwei Personen einander Geldsummen oder andere Leistungen, die ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, schulden, so kann nach Art. 120 Abs. 1 OR jede ihre Schuld, insofern beide Forderungen fällig sind, mit ihrer Forderung verrechnen. Der Verrechnende tilgt eine Forderung des Verrechnungsgegners (Hauptforderung) durch Aufopferung einer eigenen Forderung (Verrechnungsforderung). Vorausgesetzt ist Fälligkeit nur der Verrechnungsforderung, welche zudem klagbar sein muss (Gauch/Schluep, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 10. Auflage, Zürich 2014, Rz 3205 und Rz 3227 ff.). Das Fälligkeitsgebot in Art. 120 Abs. 1 OR ist jedoch ungenau und zu eng gefasst: die Verrechnungsforderung muss ganz generell existieren und durchsetzbar sein. Dafür ist mehr als Fälligkeit erforderlich. Es dürfen ihr keine rechtshindernde Tatsachen entgegenstehen. Damit sie überhaupt durchsetzbar ist, muss ihrem Gläubiger eine Einziehungsbefugnis zustehen. Erst wenn sie ihrem Gläubiger ein gewisses Zwangs-instrumentarium vermittelt, ist sie durchsetzbar im Sinne von Art. 120 OR. Soweit dieses Instrumentarium und damit die Durchsetzbarkeit fehlt, erweist sich die betroffene Forderung als sanktionslos und damit als eine sogenannt unvollkommene Obligation, womit Verrechnung nicht möglich ist (vgl. Zellweger-Gutknecht, Berner Kommentar Obligationenrecht, Bern 2012, N. 37 ff. zu Art. 120 OR).

Vorliegend sind die Verrechnungsforderungen der Beklagten 1 – 8 Schadenersatzforderungen gegen die Klägerin. Ob diese Schadenersatzforderungen zu Recht bestehen, beurteilt sich jedoch nicht primär im Verhältnis zwischen den Beklagten 1 – 8 und der Klägerin, sondern vielmehr im Verhältnis der Beklagten 1 – 8 zur [...]. So bestimmt Art. 17 der Vertragsbedingungen, dass aus dem Versicherungsvertrag mit Ausnahme der Schadloshaltung der Klägerin ausschliesslich die versicherten Personen, vorliegend die Beklagten 1 – 8 anspruchsberechtigt sind. In Art. 20 der Vertragsbedingungen vereinbarten die Vertragsparteien zudem Zürich und nicht Glarus als Gerichtsstand. Nachdem die [...] angekündigt hatte, für allfällige Verantwortlichkeitsansprüche gegen die Beklagten 1 – 8 keine Leistungen erbringen zu können, hat bislang – soweit dem Gericht bekannt – keine der Beklagten 1 – 8 versucht, eine Versicherungsdeckung rechtlich zu erwirken, zumal sie bislang auch noch nicht zu Schadenersatzzahlungen verurteilt worden sind. So haben die Beklagten 1, 2, 3, 4, 5 und 8 ausdrücklich eine koordinierte Klage gegen die [...] zur Klärung dieser Frage, wie von der Klägerin vorgeschlagen, abgelehnt. Die Klägerin hat daraufhin allein eine Feststellungsklage über die Versicherungsdeckung gegen die [...] beim Handelsgericht des Kantons Zürich angestrengt, in der Folge aber einen Nichteintretensantrag anerkannt, womit auf die Klage nicht eingetreten wurde. Ob ein Anspruch der Beklagten 1 – 8 oder der Klägerin gegenüber der [...] nun besteht oder nicht, ist damit nach wie vor offen und kann vorliegend auch nicht beurteilt werden, zumal die [...] nicht Partei in diesem Verfahren ist und ihr auch keine der Beklagten 1 – 8 gemäss Art. 104 Abs. 1 ZPO GL den Streit verkündet hat. Im Ergebnis sind somit die Verrechnungsforderungen der Beklagten 1 – 8 gegen die Klägerin abhängig von Forderungen gegenüber einer Drittpartei. Den Verrechnungsforderungen fehlt es damit an der direkten Einziehungsbefugnis durch die Beklagten 1 – 8 gegenüber der Klägerin, der Fälligkeit und Durchsetzbarkeit, mithin der Existenz. 

Damit steht den Verrechnungsforderungen der Beklagten 1 – 8 rechtshindernde Tatsachen entgegen, welche vorliegend eine Verrechnung verunmöglichen. Die Fragen, ob der Abschluss einer Organhafpflichtversicherung durch den Arbeitgeber zu dessen Fürsorgepflicht gemäss Art. 328 Abs. 1 OR gehört und ob die Beklagten 1 – 8 die Verrechnung innert Frist erklärt haben, können daher offengelassen werden.

 

34. Zur Widerklage des Beklagten 6 (ZG.2010.00721)

Der Beklagte 6 erhob mit Eingabe vom 23. August 2010 Widerklage und damit fristgerecht innert 10 Tagen seit Mitteilung der Einreichung der Hauptklage (vgl. Art. 31 Abs. 1 ZPO GL).

Der Beklagte 6 erklärt, er habe der Klägerin mit Schreiben vom 12. Januar 2010 mitgeteilt, dass diese sein Bankkonto mit Guthaben in der Höhe von CHF 955.85 saldieren und ihm den Saldo auf sein Konto bei der Credit Suisse überweisen solle. Stattdessen habe die Klägerin erklärt, diesen Betrag mit einer ihr angeblich zustehenden Forderung verrechnen zu wollen.

Mit Klageantwort vom 13. Januar 2012 hat die Klägerin die Forderung des Beklagten 6 anerkannt, hält jedoch an ihrer Verrechnungserklärung fest.

 

34.1. Zulässigkeit der Widerklage

Nach Art. 91 Abs. 1 ZPO GL ist eine Widerklage zulässig, wenn das Gericht auch für den Gegenanspruch zuständig und für diesen die gleiche Verfahrensart vorgesehen ist. Verändert eine Widerklage wegen des Streitwerts die sachliche Zuständigkeit, so wird der Prozess von Amtes wegen dem zuständigen Gericht zur Weiterführung überwiesen. Gemäss Art. 157 Abs. 2 ZPO GL wird der Streitwert der Widerklage mit demjenigen der Hauptklage zusammengerechnet, soweit sich Haupt- und Widerklage nicht gegenseitig ausschliessen.

Vorliegend wird die Hauptklage im allgemeinen schriftlichen Verfahren nach Art. 46 ff. ZPO GL behandelt. Die Widerklage des Beklagten 6 steht in direktem Zusammenhang mit der Hauptklage, weshalb der a.o. Kantonsgerichtspräsident auch für sie das schriftliche Verfahren angeordnet hat. Der Streitwert der Widerklage ist CHF 955.85 und wird für die Bestimmung der Zuständigkeit mit dem Streitwert der Hauptklage zusammengerechnet, was vorliegend die sachliche Zuständigkeit nicht verändert. Die Widerklage ist somit zulässig.

34.2. Verrechnungseinrede der Klägerin

       Die Klägerin erklärte Verrechnung mit dem ihr vorliegend zuzusprechenden Schadenersatz (vgl. Ziffer 31 vorstehend).

Wenn zwei Personen einander Geldsummen schulden, so kann gemäss Art. 120 Abs. 1 OR jede ihre Schuld, insofern beide Forderungen fällig sind, mit ihrer Forderung verrechnen. Die positiven Voraussetzungen der Verrechnung sind die Existenz zweier Forderungen, Gegenseitigkeit und Gleichartigkeit der Forderungen sowie Fälligkeit und Klagbarkeit der Verrechnungsforderung. Die Hauptforderung braucht nicht klagbar zu sein (Gauch/Schluep, Schweizerisches Obligationenrecht, 10. Auflage, Zürich 2014, Rz 3208 ff.).

Vorliegend sind diese Voraussetzungen erfüllt. Die Forderung des Beklagten 6 von CHF 955.85 hat somit infolge Verrechnung mit der vorliegend gutzuheissenden Schadenersatzforderung als getilgt zu gelten, womit die Widerklage abzuweisen ist.

 

35. Zur Widerklage der Beklagten 9 (ZG.2010.00728)

Die Beklagte 9 (Widerklägerin) erhob mit Eingabe vom 25. August 2010 Widerklage und damit fristgerecht innert 10 Tagen seit Mitteilung der Einreichung der Hauptklage.

Die Beklagte 9 erklärt, sie habe im Rahmen der ihr erteilten Aufträge im Zeitraum April 2008 bis Februar 2009 umfangreiche Arbeiten geleistet, die von der Klägerin nur zum Teil bezahlt worden seien. Dabei habe es sich gehandelt um die Prüfung des Jahresabschlusses 2008, die Nachrevision von Beanstandungen aus der Schwerpunktprüfung des Jahres 2007 sowie zusätzliche Bonitätsprüfungen aus der Schwerpunktprüfung des Jahres 2008. Die letzten beiden Punkte seien von der Aufsichtsbehörde (EBK resp. FINMA) verlangt worden. Der von ihr in Rechnung gestellte Aufwand sei notwendig und angemessen gewesen und die Arbeiten seien lege artis erstellt worden. Ihr Aufwand sei auch deshalb höher ausgefallen, weil die Klägerin die von der Aufsichtsbehörde angesetzten Fristen nicht eingehalten habe.

Die Klägerin (Widerbeklagte) entgegnet, dass die Beklagte 9 bereits im November 2007 gewusst habe, dass sie den Kreditbereich auch im Jahr 2008 vertieft prüfen müsse. Ein entsprechender Aufwand sei deshalb schon anfangs des Jahres 2008 budgetiert und vereinbart worden. So habe die Beklagte 9 per Ende Dezember 2008 für alle bis dahin mit der Revision 2008 angefallenen Tätigkeiten CHF 387'360.— in Rechnung gestellt und weitere CHF 50'000.— für zusätzlichen Aufwand abgegrenzt. Massive Kostenüberschreitungen bzw. das weitere Vorgehen hätte jedenfalls, wie im Engagement Letter vereinbart, vorgängig angezeigt und besprochen werden müssen, was jedoch nicht gemacht worden sei. Obwohl sie [die Klägerin] einen Rechnungsbetrag von lediglich CHF 390'000.— nachvollziehen könne, habe sie der Beklagten 9 unpräjudiziell einen Honoraraufwand von CHF 450'000.— anerkannt und dazu CHF 96'840.— nachbezahlt. Ein darüber hinaus gehender Mehraufwand sei nicht substantiiert.

 

35.1. Entschädigung der bankengesetzlichen Revisionsstelle

Nach Art. 21 Abs. 1 aKBG amtet als bankengesetzliche Revisionsstelle eine von der Eidgenössischen Bankenkommission anerkannte Revisionsgesellschaft. Dieser Revisionsgesellschaft kann gemäss Art. 20 Abs. 1 aKBG auch die Aufgaben der externen Revisionsstelle gemäss Obligationenrecht übertragen werden (Abs. 2), was vorliegend der Fall war. Die Beklagte 9 war die bankengesetzliche und zugleich auch die externe Revisionsstelle der Klägerin. Ihre Aufgaben richteten sich als externe Revisionsstelle nach dem Obligationenrecht (Art. 20 Abs. 2 aKBG) und als bankengesetzliche Revisionsstelle nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen (Art. 21 Abs. 2 aKBG).

In den vorliegend massgeblichen Jahren übte die Eidgenössische Bankenkommission (heute FINMA) die Aufsicht über das Bankwesen aus (Art. 23 Abs. 1 aBankG). Sie traf die zum Vollzug des Bankengesetzes notwendigen Verfügungen und überwachte die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften. Sie war befugt, von den Revisionsstellen Berichte einzufordern und ausserordentliche Revisionen anzuordnen (Art. 23bis Abs. 1 und 2 aBankG). Erhielt die Bankenkommission von Verletzungen des Gesetzes oder von sonstigen Missständen Kenntnis, so erliess sie die zur Herstellung des ordnungsgemässen Zustandes und zur Beseitigung der Missstände notwendigen Verfügungen (Art. 23ter Abs. 1 aBankG). Die Bankenkommission konnte auch eine unabhängige und fachkundige Person damit beauftragen, in einer Bank einen aufsichtsrechtlich relevanten Sachverhalt abzuklären oder von ihr angeordnete aufsichtsrechtliche Massnahmen umzusetzen. Die Kosten dafür hatte die betroffene Bank zu tragen (Art. 23 quater BankG). Ob ein dadurch entstehender Mehraufwand dem beaufsichtigten Bankinstitut vorgängig angezeigt wurde oder nicht, ändert an dieser Tatsache nichts. 

Nach Art. 42 Abs. 2 aBankV war die Vereinbarung einer Pauschalentschädigung oder eines bestimmten Zeitaufwandes für die Revision untersagt, was auch unter der geltenden gesetzlichen Regelung der Bankenaufsicht bis heute gilt (s. Art. 14 Abs. 2 Finanzmarktprüfverordnung FINMA- PV). Diese Regelung ist im Lichte der unabhängigen gesetzlichen Aufsicht zu sehen. Die bankengesetzliche Revisionsstelle muss ihren gesetzlichen Prüfauftrag ohne jegliche (finanzielle) Bindungen und Einschränkungen erfüllen können. Es soll ihr nicht entgegengehalten werden können, sie habe ihre Tätigkeit nicht mit der nötigen Sorgfalt ausgeübt, weil sie an ein Kostendach gebunden gewesen sei. Immerhin existieren im Bankenbereich zur Festlegung des Honorars der bankengesetzlichen Revisionsstelle Tarife (s. Art. 22 aBankG und Art. 42 Abs. 3 aBankV).

Damit im Einklang ist die gesetzliche Regelung, dass die bankengesetzliche Revisionsstelle einzig der EBK (heute FINMA) verpflichtet ist. Dabei führt die Annahme des Mandates durch die Revisionsstelle zu einem Rechtsverhältnis mit auftragsähnlichem Charakter und einem besonderem, organschaftlichen Verhältnis. Das Weisungsrecht der Auftraggeberin (Bank) als wesentliches Merkmal des Auftragsrechts ist jedoch auf das Rechtsverhältnis zur Revisionsstelle gerade nicht anwendbar, zumal sich der wesentliche Inhalt der Aufgabe der Revisionsstelle aus der Bankengesetzgebung ergibt und nicht etwa aus Auftragsrecht (vgl. Reutter, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 8 zu Art. 730 OR).

Vorliegend entsprach es gängiger Praxis, dass die Beklagte 9 in ihrer Auftragsbestätigung vom 14. Juli 2008 zuhanden des Bankrates ihre vorgesehenen Dienstleistungen aufführte und die Ziele und Grundsätze der Prüfung sowie die beabsichtigte Berichterstattung und weitere wichtige Umstände zur Prüfung mitteilte. Auch ihre Ausführungen über die Art und Weise, wie sie ihr Honorar berechne und der Umstand, dass sie ein Honorarbudget für ihre Arbeiten bezeichnete, sind grundsätzlich nicht zu beanstanden, solange dieses Honorarbudget nicht als Pauschalentschädigung verstanden wird. Entsprechend spricht die Beklagte 9 in ihren Ausführungen dazu ausdrücklich von einer zulässigen Honorarschätzung und für die Spezialprüfungen von einer möglichen Honorarspanne von CHF 78'000.— bis CHF 118'000.— (jeweils ohne MWST). Weiter führt sie ausdrücklich an, dass wesentliche Anpassungen des regulatorischen Umfelds zu einer Anpassung des Prüfungsvorgehens und zu einem [in Rechnung zu stellenden] Mehraufwand führen würden.

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen hat die Klägerin somit für den notwendigen und ausgewiesenen Mehraufwand aus der Prüftätigkeit der Beklagten 9 grundsätzlich aufzukommen. Ob die Beklagte 9 für diesen Fall, wie es vorgesehen war, mit dem Management der Klägerin einen Prozess vereinbart hat, wie solche zusätzlichen Stunden gemeldet und verrechnet werden, kann daher offen bleiben.

 

35.2. Rechnungstellung der Beklagten 9

Die Honorarnote Nr. 491187 vom 16. März 2009 für Arbeiten der Beklagten 9 vom April 2008 bis Februar 2009 weist ein Kostentotal inkl. Spesen von CHF 489'100.— exkl. MWST aus. Auf entsprechende Nachfrage der Klägerin hin spezifizierte die Beklagte 9 diese Honorarrechnung und reichte eine detaillierte Aufstellung über die aufgewendeten Arbeitsstunden ein. Diese ausgewiesenen Arbeiten betrafen vorwiegend die Schwerpunktprüfung 2008, sonstige Pflichtprüfungen, die Rechnungsprüfung sowie die Berichterstattung darüber.

 Die Honorarrechnung Nr. 491184 vom 16. März 2009 für Arbeiten der Beklagten 9 vom April 2008 bis Februar 2009 weist ein Kostentotal inkl. Spesen von CHF 88'900.— exkl. MWST aus. Auf entsprechende Nachfrage der Klägerin hin spezifizierte die Beklagte 9 diese Honorarrechnung und reichte eine detaillierte Aufstellung über die aufgewendeten Arbeitsstunden ein. Diese ausgewiesenen Arbeiten betrafen vorwiegend die Nachprüfung respektive die Nachrevision der von der EBK beanstandeten Schwerpunktprüfung 2007 sowie die Berichterstattung darüber.

Die Honorarrechnung Nr. 491201 vom 16. März 2009 für Arbeiten der Beklagten 9 vom Dezember 2008 bis Januar 2009 weist ein Kostentotal inkl. Spesen von CHF 51'200.— exkl. MWST aus. Auf entsprechende Nachfrage der Klägerin hin spezifizierte die Beklagte 9 diese Honorarrechnung und reichte eine detaillierte Aufstellung über die aufgewendeten Arbeitsstunden ein. Diese ausgewiesenen Arbeiten betrafen vorwiegend die zusätzlichen Bonitätsprüfungen sowie die Berichterstattung darüber.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass aufgrund der schwierigen Situation der Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 die von der Beklagten 9 mit den Honorarnoten Nr. 491187 und Nr. 491184 in Rechnung gestellten Arbeiten zu Recht und in dem Ausmasse, wie von ihr angegeben, ausgeführt wurden. Entsprechend hat die EBK in ihrem Schreiben vom 15. August 2008, zeitlich nach der Kostenschätzung der Beklagten 9 im Engagement letter vom 14. Juli 2008, ausdrücklich angeordnet, dass die Beklagte 9 per 30. September 2008 eine Nachprüfung bei der Klägerin durchzuführen habe:

„Dabei werden alle einzelnen im Bericht der PwC aufgeführten Mängel – insbesondere beim Kreditgewährungsprozess, der Kreditüberwachung und der Datenqualität – geprüft und der dannzumalige Stand der Bereinigungsmassnahmen gewürdigt werden.“                  

 

Dies bedeutete eine wesentliche Ausdehnung des ursprünglichen Prüfungsumfangs und hatte selbstredend etlichen Mehraufwand der Beklagten 9 und damit auch Mehrkosten zur Folge, auch, weil die Klägerin mehrfach von der Beklagten 9 gesetzte Fristen nicht einhielt. Von diesen Anforderungen der EBK hatte die Klägerin Kenntnis. Die von der Beklagten 9 nachgereichte Aufstellung über die ausgeführten Arbeiten weist in einzelnen Positionen eine Beschreibung der ausgeführten Arbeiten nach Zeitpunkt, Dauer und Mitarbeiter aus und ist damit genügend substantiiert.

Die Begründung der Beklagten 9, die EBK habe gefordert, dass der Jahresabschluss 2008 sämtliche notwendigen Wertberichtigungen habe ausweisen müssen und dass dafür eine detaillierte Überprüfung der Bonitätsrisiken nötig gewesen sei und dass sie habe prüfen müssen, ob die Klägerin die zuvor vereinbarten Massnahmen umgesetzt habe, mag wohl zutreffen. Weshalb aber für die dafür notwendige Bonitätsprüfungen nicht grundsätzlich auf die bereits unlängst vorgenommenen und vorhandenen Prüfergebnisse der Schwerpunktprüfung 2008, welche im Oktober 2008 und November 2008 durchgeführt wurde hat zurückgegriffen werden können, respektive weshalb ein behauptetes Update dieser Ergebnisse Ende 2008 einen derart hohen Mehraufwand verursacht hätten, ist nicht genügend substantiiert. Zudem hat die Beklagte 9 in ihrer Honorarrechnung für die Schwerpunktprüfung 2008 unter „Pflichtprüfungen: Schwerpunktprüfung 2008“ bereits einen erhöhten Prüfungsumfang für Bonitätsprüfungen ausgewiesen und ihre Kostenschätzung in diesem Punkt um CHF 30'600.— oder gut 75 % überschritten. Die von der Beklagten 9 hierzu angerufene Richtlinie zur Abschlussprüfung Nr. 3 der Treuhandkammer ist hier nicht einschlägig, da diese allein die Prüfung des Ausfallrisikos von Immobilienkrediten betrifft. Der Umstand, dass zur Festlegung des zusätzlichen Wertberichtigungsbedarfs Ende 2008 mit der Klägerin für die Beklagte 9 ein gewichtiger Mehraufwand aus zusätzlichen Besprechungen und Berichterstattungen entstanden ist, ist jedoch ohne Weiteres nachvollziehbar. Den mit der Honorarnote Nr. 491201 geforderte Betrag von CHF 55'091.20 inkl. MWST erachtet das Gericht deshalb nur im Umfang von CHF 30'000.— inkl. MWST als ausgewiesen.

 

35.3 Einrede der unsorgfältigen Auftragsausführung

Die Rechtsprechung geht mehrheitlich davon aus, dass ein Honorar nur bei korrekter und sorgfaltsgemässer Auftragsführung geschuldet ist. Eine relevante Unsorgfalt führt zum Wegfall der Honorarforderung bzw. berechtigt zur Honorarreduktion, nicht nur zur Geltendmachung von Schadenersatz. Wird hingegen, wie vorliegend, der Auftraggeber durch eine Schadenersatzleistung nicht nur wertmässig, sondern auch tatsächlich so gestellt, wie wenn der Auftrag richtig erfüllt worden wäre, ist eine Gegenleistung entsprechend dem Wert der Arbeit des Beauftragten geschuldet (Weber, Basler Kommentar Obligationenrecht I, 4. Auflage, Basel 2007, N. 43 zu Art. 394 OR mit Hinweisen). Der Umstand, dass sich die Klägerin vorliegend Mehrforderungen vorbehält, ändert daran nichts.   

 

35.4 Fazit Widerklage ZG.2010.00728

Entsprechend den vorstehenden Ausführungen erachtet das Gericht Honorarforderungen der Beklagten 9 von insgesamt CHF 651'928.— inkl. MWST (CHF 489'100.— + CHF 88'900.— je plus MWST von 7.6 % + CHF 30'000.— inkl. MWST) als ausgewiesen. Von dieser Gesamtforderung hat die Klägerin insgesamt CHF 484'200.— (CHF 387'360.— + CHF 96'840.—) bereits vorgängig bezahlt. Die Klägerin hat in ihrem Schreiben an die Beklagte 9 vom 5. Mai 2009 unpräjudiziell ein Gesamthonorar von CHF 450'000.— akzeptiert und daraufhin der Beklagten 9, nebst den bereits erfolgten Akontozahlungen, noch die ausstehende Differenz dazu von CHF 96'840.— bezahlt. Aus dem Umstand, dass die Beklagte 9 diese Zahlung innert nützlicher Frist nicht zurückwies, kann jedoch nicht darauf geschlossen werden, dass die Beklagte 9 mit einem Gesamthonorar von CHF 450'000.— einverstanden gewesen wäre, vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich dabei um eine nachträgliche Teilzahlung gehandelt hat. 

Die Klägerin ist somit zu verpflichten, der Beklagten 9 noch CHF 167'728.— (CHF 651'928.— - CHF 484'200.—) zu bezahlen, samt Verzugszins von 5 % seit 25. August 2010, dem Datum der Einreichung der Widerklage (Art. 104 Abs. 1 OR). Im Übrigen ist die Widerklage abzuweisen. 

 

36. Abschliessendes Gesamtfazit

In der Hauptklage sind für die Beklagten 1 – 8 sämtliche Voraussetzungen der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit nach Art. 754 OR gegeben, für den Beklagten 8, H.______, für die vorliegend relevanten Kreditvergaben ab 1. August 2006 (vgl. Ziffer 20 vorstehend).

Auch für die Beklagte 9 sind sämtliche Voraussetzungen der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit nach Art. 755 OR gegeben (vgl. Ziffer 26 vorstehend).

Für die Beklagten 6, 7 und 8 sind zudem sämtliche Voraussetzungen der
Haftung des Arbeitnehmers nach Art. 321e OR erfüllt (vgl. Ziffer 27 vorstehend).

Die vorliegend relevanten Kreditengagements wurden nicht von der Décharge-Erteilung der Jahre 2005 und 2006 erfasst, womit die Schadenersatzansprüche auch nicht untergegangen sind (vgl. Ziffer 29 vorstehend). Reduktionsgründe bei der Schadenersatzbemessung sind gemäss Ziffer 31 vorstehend zu berücksichtigen.

Die Schadenersatzansprüche der Klägerin sind nicht verjährt (vgl. Ziffer 32 vorstehend). Zudem ist die von den Beklagten 1 – 5, 7 und 8 erklärte Eventualverrechnung abzuweisen (vgl. Ziffer 33 vorstehend).

In Anbetracht aller Umstände sind die Beklagten 1 – 9 somit unter solidarischer Haftung gemäss Art. 759 Abs. 1 OR zu verpflichten, der Klägerin die in der Tabelle von Ziffer 31 vorstehend aufgeführten und aufgeteilten Schadensbeträge zu bezahlen. Beim Beklagten 6, F.______, hat der Betrag von CHF 955.85 als verrechnet zu gelten (vgl. Ziffer 34 vorstehend), womit dieser zu verpflichten ist, nunmehr Schadenersatz von CHF 2'034'439.15 (CHF 2'035'395.— - CHF 955.85) und EUR 39'030.— zu bezahlen. Es ist vorzumerken, dass das Rechtsbegehren in der Hauptsache eine Teilklage darstellt. 

Der von der Klägerin geforderte Schadenszins von 5 % ist ab dem Zeitpunkt geschuldet, in welchem sich das schädigende Ereignis finanziell ausgewirkt hat (Gericke/Waller, Basler Kommentar Obligationenrecht II, 4. Auflage, Basel 2012, N. 50 zu Art. 754 OR). Mit der Klägerin ist deshalb vom Zeitpunkt der letzten Konkurseröffnung der vorliegend massgebenden Kreditnehmerinnen, der U.______ auszugehen, vom 27. August 2009. Die Beklagten 1 – 9 sind somit zu verpflichten, auf die für sie zu zahlenden Schadensbeträge Zins zu 5 % seit dem 27. August 2009 zu bezahlen. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

Die Widerklage des Beklagten 6 ist abzuweisen (vgl. Ziffer 34 vorstehend). Seine Forderung von CHF 955.85 gilt infolge Verrechnung mit dem in der Hauptklage zugesprochenen Schadenersatz als getilgt. Die Widerklage der Beklagten 9 ist im Betrag von CHF 167'728.— gutzuheissen, samt Zins zu 5 % seit 25. August 2010 und im Übrigen abzuweisen (vgl. Ziffer 35 vorstehend).

Für alle drei Verfahren gilt, dass alle vorstehend nicht erwähnten Behauptungen und Beweismittel unerhebliche Tatsachen beschlagen.

                                                                                                                                                                                                                                                                                 

 

IV. Kosten

 

In der Hauptklage dringt die Klägerin rund zur Hälfte durch; der teilweise Klagerückzug mit der Replik und die teilweise Abweisung ändern an der Kostenverteilung nichts. Die Kosten sind deshalb zur Hälfte und unter solidarischer Haftung den Beklagten 1 – 9 im Verhältnis ihrer Schadenersatzpflicht und zur Hälfte der Klägerin aufzuerlegen (vgl. Tabelle in Ziffer 28 vorstehend; Art. 132 ZPO GL). Der Prozess war sehr aufwändig. Es rechtfertigt sich deshalb ein Zuschlag gemäss Art. 7 Abs. 3 Bst. a der Verordnung über die amtlichen Kosten im Zivil- und Strafprozess, GS III A/5, in Kraft bis 31. Dezember 2010. Aufgrund dieses Ergebnisses sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 138 ZPO). Der Streitwert der Hauptklage übersteigt CHF 35 Mio..

Die Widerklage des Beklagten 6 wird von der Klägerin anerkannt und ist nur aufgrund der von ihr erhobenen Verrechnungserklärung abzuweisen. Dies rechtfertigt, die Kosten der Klägerin aufzuerlegen und von ihr zu beziehen. Die Klägerin ist zu verpflichten, dem Beklagten 6 eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 138 f. ZPO GL). Der Streitwert der Widerklage beträgt CHF 955.85 (Art. 156 Abs. 1 ZPO GL).

Mit ihrer Widerklage dringt die Beklagte 9 nur zum Teil durch. Die Kosten des Verfahrens sind deshalb zu 3/10 der Beklagten 9 und zu 7/10 der Klägerin aufzuerlegen und von ihnen zu beziehen. Die Klägerin ist zu verpflichten, der Beklagten 9 eine reduzierte Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 138 f. ZPO GL). Der Streitwert der Widerklage beträgt CHF 192'819.20 (Art. 156 Abs. 1 ZPO GL).

In seiner Quadruplik wiederholt der Beklagte 6 implizit seinen Antrag auf unentgeltliche Rechtspflege, führt diesen aber nicht weiter aus und reicht dazu auch keine weiteren Unterlagen ein. Da nicht erkenntlich ist, dass sich seine finanziellen Umstände seit der Abweisung seines letzten Antrages um unentgeltliche Rechtspflege geändert hätten, ändert dies an der vorliegenden Kostenverteilung nichts.

 

____________________

 

 

Das Gericht erkennt im Verfahren ZG.2010.00646 (Hauptklage):

 

1.   Die Beklagten 1 – 9 werden unter solidarischer Haftung gemäss Art. 759 Abs. 1 OR verpflichtet, der klagenden Partei folgende Beträge nebst Zins zu 5 % seit 27. August 2009 zu bezahlen, wobei die CHF-Beträge und die EUR-Beträge kumulativ zu bezahlen sind:

 

2.    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

3.    Es wird vorgemerkt, dass das Rechtsbegehren in der Hauptsache eine Teilklage darstellt.

 

4.    Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf gesamthaft CHF 450'000.—.

 

5.    Die Gerichtskosten werden zur Hälfte den Beklagten 1 – 9 unter solidarischer Haftbarkeit im Verhältnis gemäss Ziffer 1 vorstehend und zur Hälfte der Kläge-rin auferlegt und entsprechend von ihnen bezogen. Die Kosten des Schlich-tungsverfahrens von CHF 639.— werden den Beklagten im gleichen Verhältnis auferlegt.

 

6.   Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

 

 

Das Gericht erkennt im Verfahren ZG.2010.00721 (Widerklage):

 

7.     Die Widerklage des Beklagten 6 wird abgewiesen

 

8.     Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 350.—.

 

9.     Die Gerichtskosten werden der Klägerin auferlegt und von ihr bezogen.

 

10.  Die Klägerin wird verpflichtet, dem Beklagten 6 eine Parteientschädigung von  CHF 350.— zu bezahlen.

 

 

Das Gericht erkennt im Verfahren ZG.2010.00728 (Widerklage):

 

11.  Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten 9 CHF 167'728.— nebst Zins zu
5 % seit 25. August 2010 zu bezahlen.

 

12.  Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

 

13.  Die Gerichtsgebühr wird festgesetzt auf CHF 12'000. —.

 

14.  Die Gerichtskosten werden zu 8/10 der Klägerin und zu 2/10 der Beklagten 9     auferlegt und von ihnen bezogen.

 

15.  Die Klägerin wird verpflichtet, der Beklagten 9 eine reduzierte Parteientschädi-gung von CHF 9'000.— zu bezahlen.

 

sowie für die Hauptklage und die beiden Widerklagen:

 

17. Schriftliche Mitteilung an:

[...]

 

 

Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig.